Der Jugendsexbericht für den Papierkorb

Die Eidgenössiche Kommission für Kinder und Jugendfragen (EKKJ) hat einen Bericht zur "Jugendsexualität im Wandel der Zeit" vorgelegt. Auf ungefähr 100 Seiten wird dargestellt und orakelt, wie die Jugend in der Schweiz mit dem Thema "Sex" umgeht, um dann am Schluss des Papiers mit vielen Forderungen an ebensoviele Adressaten zu gelangen.

Zum Beipiel mit der Forderung an die EDK: "Ein mehrsprachiges Lehrmittel (Ratgeber) unter dem (Arbeits-) Titel «Sexualität und Sprache» schaffen." damit "Kinder ein wertschätzendes Vokabular bezüglich ihres Körpers und der Sexualität lernen."

Wer glaubt denn ernsthaft daran, dass es möglich sein wird, die Kinder und Jugendlichen durch ein Lehrmittel dazu zu bringen, so über Sex zu sprechen, wie es sich die ArbeiterInnen der soziokulturellen Industrie wünschen?

Weiter oben sind auch einige paternalistischen Forderungen an verschiedenste Behörden und NGO's aufgeführt, sich gefälligst um die überforderten Eltern zu kümmern:

  • "Den Eltern muss ihre Verantwortung in Bezug auf eine umfassende, altersgemässe Aufklärung ihrer Kinder bewusster gemacht werden."
  • "Auch Eltern bedürfen einer differenzierten Wissensvermittlung, da viele überfordert sind, wenn es darum geht, ihre Kinder aufzuklären."
  • usw.

Um diesen Forderungen nachdruck zu verleihen sollen folgende Massnahmen ergriffen werden:

  • Sensibilisierungskampagne in Printmedien, auf APG-Kanälen und im TV starten. PR-Aktionen mit Kinderärztinnen und -ärzten organisieren
  • Anbieten von gezielten Informationen und Weiterbildungen für Eltern durch die Elternberatungs- stellen.
  • Niederschwellige Elternbesuche und zyklische Beratungsangebote aufbauen
  • usw.

Kampagnen, Beratungen, Elternbesuche, usw.

Die Botschaft des Berichtes ist eigentlich folgende:

  1. Jugendliche und Kinder sind grundsätzlich gut.
  2. Der Umgang mit Sexualität ist für Heranwachsende nicht einfach.
  3. Die Eltern sind grundsätzlich überfordert.
  4. Das Internet, ja die Welt überhaupt mit der Werbung, den Filmen, usw. ist gefährlich.
  5. Darum muss der Staat hier massiv eingreifen, mit viel Geld und vielen neuen Gesetzen.
  6. Wenn er das nicht tut, werden aus den grundsätzlich guten Kinder & Jugendlichen kleine Sexmonster
  7. und dann geht die Welt unter.

Zu 1-4 kann ich ja noch zustimmen, auch wenn ich den Punkt 3 schon äusserst problematisch finde und auch bei Punkt 1 einige Fragezeichen setzen würde. Aber die Konklusionen in den Punkten 5-7 sind völlig falsch.

Der Staat hat seine Bürger nicht zu erziehen und die Welt geht auch nicht unter, wenn er das nicht tut.

Obwohl es um das Geld schade ist, dass dafür ausgegeben wurde, bin ich trotzdem froh, dass der neueste EKKJ Bericht wohl hautpsächlich dort landen wird, wo er auch hingehört: im Papierkorb.

Ich frage mich höchstens, was das Dokument wohl gekostet hat?

 

Kuba ist für politische Dissidenten wohl eher Hölle als Himmel

Franco Cavalli ärgert sich darüber, dass die Berichterstattung zum 50-Jahres Jubiläum der Kubanischen Revolution im Tages-Anzeiger bislang eher kritisch gegenüber dem kommunistischen Vorzeigestaat ausgefallen ist.

Sein Artikel mit dem Titel "Weder Himmel noch Hölle" vergleicht die Situation Kubas mit derjenigen der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. In einem solchen Kontext sei es "nachvollziehbar, wenn auch  kritisierbar, dass es in Kuba immer noch etwa hundert politische Gefangene – keine neuen seit fünf Jahren – gibt." (Tages-Anzeiger Nr. 3/2008, S.9).   

Amnesty International schreibt zwar von derzeit weniger als 100 inhaftierten, Human Rights Watch referenziert hingegen einen Report (PDF) der Cuban Commission for Human Rights and National Reconciliation, welcher über 230 politische Gefangene auflistet. 

Ob 100 oder 230, jeder aus politischen Gründen inhaftierte Mensch, ist einer zuviel! 

Eine Gesellschaft, die eine hohe Alphabetisierungsrate und eine niedrige Kindersterblichkeit durch massive Einschränkung der meisten politischen Menschenrechte erreicht, bezahlt einen zu hohen Preis für diese Ergebnisse. 

Es scheint auch nicht so zu sein, wie Herr Cavalli schreibt, dass es seit fünf Jahren keine neuen politischen Gefangenen mehr gibt. 

So können wir zum Beispiel im aktuellen Amnesty International Bericht zu Kuba lesen: 

"Die Praxis, politisch Andersdenkende und Kritiker mit Hilfe strafrechtlicher Maßnahmen zum Schweigen zu bringen, hielt unvermindert an. Viele wurden wegen Straftaten, die als "Gefahr für die Gesellschaft" galten, verurteilt - eine Präventivmaßnahme, um die "Neigung zu Verbrechen" einzudämmen. Verhalten wie Trunkenheit, Drogensucht und "antisoziales Verhalten" wurden kriminalisiert. Diesbezügliche Gesetze wurden jedoch fast ausschließlich gegen politische Dissidenten, unabhängige Journalisten und regierungskritische Personen angewendet. Wenn eine Person der "Gefährdung" überführt wurde, musste sie damit rechnen, zu bis zu vier Jahren Haft verurteilt zu werden. Zudem konnten "therapeutische Behandlung", "Umerziehung" oder "Überwachung durch die Revolutionäre Nationalpolizei" verfügt werden."

und:

"José Oscar Sánchez Madan wurde im April vom Stadtgericht von Union de Reyes wegen "sozialer Gefährdung" in einem Schnellverfahren zu vier Jahren Haft verurteilt. Sein Verfahren fand bereits vier Stunden nach seiner Festnahme statt, und kein Familienmitglied wurde darüber informiert oder durfte daran teilnehmen. José Oscar Sánchez Madan ist ein Sprecher der Dissidentenbewegung Movimiento Independiente Opción Alternativa."

und weiter: 

"Die Drangsalierung politischer Dissidenten, unabhängiger Journalisten, Kritiker und Personen, die über die Menschenrechtslage in Kuba berichten, hielt unvermindert an. Einige von ihnen wurden für 24 oder 48 Stunden inhaftiert, andere über Monate oder sogar Jahre festgehalten und warteten noch auf ihr Verfahren."

Im aktuellen Bericht von Human Rights Watch steht:

"Cuba remains the one country in Latin America that represses nearly all forms of political dissent. There have been no significant policy changes since Fidel Castro relinquished direct control of the government to his brother Raul Castro in August 2006. The government continues to enforce political conformity using criminal prosecutions, long-term and short-term detentions, mob harassment, police warnings, surveillance, house arrests, travel restrictions, and politically-motivated dismissals from employment. The end result is that Cubans are systematically denied basic rights to free expression, association, assembly, privacy, movement, and due process of law." 

Es hat jeder das Recht, der Meinung zu sein, dass ein kommunistisches Gesellschaftssystem etwas Erstrebenswertes sei. Aber wir sollten immer daran denken, dass es bis jetzt noch keine kommunistische Gesellschaft gegeben hat, die durch freie Wahlen der betroffenen Bevölkerung eingerichtet wurde, geschweige denn, sich hat halten können.

Ein Staat ist für die Menschen da, die ihn verkörpern und nicht umgekehrt.

Ein Staat, kommunistisch oder kapitalistisch, der es nicht zulässt kritisiert zu werden und der die Menschen daran hindert auszureisen, ist ein Unrechtsstaat und keine noch so guten Ergebnisse in irgendwelchen Bereichen, ändern etwas in dieser Hinsicht. Ein Regime, dass sich nicht freien Wahlen stellt verfügt über keinerlei Legitimation. Jede Art von Relativismus in dieser Frage halte ich für unangebracht.

Für die von den Repressalien in Kuba betroffenen Menschen und ihre Angehörigen ist Kuba mehr Hölle als Himmel und für diese Menschen ist es wichtig, dass wir, die bezüglich unserer Freiheitsrechte im Himmel leben, nicht den Fehler begehen, die Hölle zu verniedlichen.

Das Problem der FDP heisst "Unglaubwürdigkeit" - Beispiel Parallelimporte

Die FDP will sich gegenüber der SVP abgrenzen. Sie versucht dies indem sie dasselbe macht, wie alle anderen: sie empört sich öffentlich über den Stil ihres politischen Mitbewerbers. Oder noch schlimmer: sie versucht genau diesen Stil mit markigen Voten und vermeintlich populären Forderungen zu kopieren. Die Wahlniederlagen der letzten Jahre zeigen aber, dass damit kein Staat zu machen ist.

Das Problem der FDP hat einen Namen: "Unglaubwürdigkeit". Die Diskrepanz zwischen den proklamierten liberalen Grundlagen der Partei und der tatsächlichen politischen Handlungen und Aussagen ihrer wichtigsten Akteure könnte grösser nicht sein.

Jüngstes Beispiel ist die Haltung der FDP gegenüber der Frage der Zulassung von Parallelimporten von patentgeschützten Produkten. Man kann es drehen und wenden wie man will, es gibt kein sinnvolles Argument dagegen, welches mit klassischen liberalen Werten kompatibel wäre. Es geht hier einzig um die Verhinderung von Wettbewerb zum Schutz derer, die es sich im regulierten Nestchen hübsch warm eingerichtet haben.

Es ist mir zwar auch ein wenig unheimlich, in dieser Frage seit langem wieder einmal mit der SP einig zu sein, aber dass soll mich nicht davon abhalten, für dieses urliberale Anliegen zu votieren.

Genau in solchen Fragen, bei denen es um übergeordnete gesellschaftliche liberale Grundwerte geht, könnte sich die FDP gegenüber der SVP, die in keiner Art und Weise eine liberale Partei ist und gegenüber der CVP, deren etatistische und christilich-partenalistischen Ideale dem Liberalismus nicht viel abgewinnen können, abgrenzen.

Back to the roots!

Kiffer prügeln sich nicht....

Ob sich jemand regelmässig mit Drogen zudrönt, sei dies nun mit Alkohol oder mit Canabis, ist grundsätzlich Privatsache. Natürlich ist es legitim, ein solches Verhalten nicht toll zu finden, aber es geht, wenn schon, nur den Drogenkonsumenten und sein direktes soziales Umfeld etwas an. Der Staat hat sich hier nicht eigentlich nicht einzumischen, und sei es noch so gut gemeint.

Was ich aber seit 25 Jahren nicht verstehe kann: Warum wird der Alkoholkonsum toleriert, während das Kiffen kriminalisiert wird?

Kiffer prügeln sich nicht, sie entleeren sich nicht an jeder Strassenecke und fallen auch sonst nicht negativ auf, ganz im Gegensatz zu den vielen besoffenen Männerrudel, die vor allem an den Wochenenden und an Sportveranstaltungen unterwegs sind.

Interessant ist in diesem Zusammenhang noch anzumerken, dass die von der Linken so geliebte etatistische Westschweiz in dieser Sache die treibende Kraft hinter der steinzeitlichen Politik unseres Landes ist.

Der Mensch in Gesellschaft

Menschen leben in Gesellschaften. Es gibt zwei Arten von möglichen Gesellschaften, die offene, pluralistische und die geschlossene, gleichgeschaltete. (Karl Popper)

Die geschlossene, gleichgeschaltete zeichnet sich dadurch aus, dass es festgeschriebene, ewiggültige Wahrheiten im Sinne von Dogmata gibt, die von einer Elite in der Regel mit Gewalt durchgesetzt werden. Diese grundlegenden Dogmata verneinen üblicherweise die Tatsache, dass Menschen individuelle Bedürfnisse haben, oder sie gehen davon aus, dass diese individuellen Bedürfnisse den kollektiven Wünschen, die diese Elite erkannt hat, grundsätzlich zu unterstellen sind. Burma, Iran, China, die Sowjetunion, die DDR, Nazideutschland, usw. sind aktuelle bzw. historische Beispiele für solche Gesellschaften.

Wir leben in der Schweiz, in Europa, in den USA und an vielen weiteren Orten zum Glück in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft. Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass Menschen verschieden sind und individuelle Bedürfnisse haben, deren Befriedigung zum persönlich empfundenen Glück beitragen. Um diesen individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden wird in der offenen Gesellschaft der persönlichen Freiheit sich zu entfalten ein hoher Stellenwert eingeräumt.

Da der Mensch aber auch in der offenen Gesellschaft per Definition eben in Gesellschaft lebt, hat diese persönliche Freiheit auch ihre Grenzen. Diese Grenzen liegen dort wo des Einen persönliche Freiheit einem anderen Menschen oder der Gesellschaft schaden zufügt (John Stuart Mill).

Diese Grenzen entziehen sich aber einer objektiven Erschliessung, darum muss eine offene Gesellschaft diese Grenzen immer wieder neu beurteilen. Diese Beurteilung geschieht am effektivsten durch Diskussion der vorgebrachten Argumente aus verschiedenen Blickwinkeln der jeweils Betroffenen.

Aus diesem Grund ist die bestmögliche Staatsform der offenen Gesellschaft eine Mischung aus parlamentarischer und direkter Demokratie, die föderalistisch nach dem Subsidiaritätsprinzip aufgebaut ist und den Bürgern dadurch sehr weitgehende Möglichkeiten der Mitbestimmung einräumt.

Damit eine solche Demokratie aber funktionieren kann, hat der Mensch für seine Freiheit einen Preis zu bezahlen. Dieser Preis heist Verantwortung. Verantwortung für das eigene Denken und Handeln.

Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, braucht es mindestens zwei Fähigkeiten zu deren lebenslangen Weiterentwicklung der freie Mensch in der offenen Gesellschaft angehalten ist. Die Fähigkeit zur Empathie und die Fähigkeit zum kritischen Denken.

Durch Empathie entsteht Solidarität und der Wunsch, das Leid zu minimieren und das Glück zu maximieren, und zwar gerade auch für die anderen Menschen und Geschöpfe des gemeinsamen Lebensraums.

Das kritische Denken ermöglicht es u.A., seine immer vorhandenen Vorurteile und seine eigenen Gefühle und Geisteshaltungen wie Neid, Hass, Egoismus, usw. in die Beurteilung einer Sachlage miteinzubeziehen, Argumente von Diskussionspartnern von verschiedenen Standpunkten aus zu betrachten, sowie plumpe rethorische Manipulationsversuche zu entlarven.

Beide Kompetenzen sind in unseren Anlagen vorhanden, wir haben dabei allerdings die Wahl diese verkümmern zu lassen oder sie zu entwickeln. Aus meiner Sicht, sind diejenigen, die die offene Gesellschaft mitgestalten wollen, zu Letzerem verpflichtet.


Die Verluderung der Argumentationskultur

In der DRS2 Sendung "Atlas" vom 13.5.2007 zum Thema Luxemburg findet sich eine aufschlussreiche Sequenz mit und zum Luxemburgischen Premierminister Jean-Claude Juncker.

Am besten hören Sie sich die Sequenz (1 min.) hier kurz an: 

Diese kurze Minute ist beladen mit Behauptungen, transportiert sowohl durch die Journalistin wie auch durch Premierminister Juncker, wie ich sie immer wieder auch in Gesprächen im Freundeskreis höre.

Behauptung Nr.1: Linken liegt das Wohlergehen der Menschen am Herzen, Liberalen nicht.

Die Aussage im Beitrag im Wortlaut: "...dort allerdings dürfte er den linken Rand darstellen. Das Wohlergehen der Menschen liegt ihm ernsthaft am Herzen, hier spricht kein kalter Wirtschaftsliberaler." (Sprecherin im Radiobeitrag)

Der Unterschied zwischen Liberalen und Sozialisten liegt nicht darin, dass den einen das Wohlergehen der Menschen am Herzen liegt und den anderen nicht. Der Unterschied liegt vielmehr in den Ansichten darüber, mit welchen Mitteln das Wohlergehen der Menschheit realisiert werden kann.

Es handelt sich hier um eine immer wieder angewandte rhetorische Methode, nicht zum eigentlichen Thema (in diesem Falle: Wie kann das Wohlergehen der Menschheit realisiert weren) zu argumentieren, sondern den Gegener zu diskreditieren (in diesem Falle: Wirtschaftsliberale sind kalte egoisten).

Liberale Überlegungen zur Organisation unserer Gesellschaft haben genauso wie sozialistische, das Ziel, für möglichst vielen Menschen möglichst viel Glück zu erreichen. Liberale gehen dabei von der Prämisse aus, dass "Glück" eine individuelle Einschätzung ist, während bei den Sozialisten einen Vorstellung von einer "Gleichheit des Glücks" zugrunde liegt. Weiterhin liegt in der liberalen Grundhaltung die Überlegung, dass ein möglichst hoher Grad an individueller Freiheit  zu  besseren Ergebnissen führt, während die Sozialisten eher dazu tendieren die Freiheiten des Einzelnen zu gunsten des Kollektivs einzuschränken. Und als drittes Unterscheidungsmerkmal kann man erkennen, dass Liberale die Verteilung von Gut und Böse in jeder beliebig denkbaren Gesellschaftsgruppe als gleich betrachten, während die Sozialisten der Meinung sind, das Böse ist bei den Vermögenden zum Beispiel stärker vertreten als bei den weniger Vermögenden.

Es gibt für beide Denkhaltungen eine ganze Menge guter Argumente dafür oder dagegen. Diese und nur diese sollen diskutiert und beurteilt werden und nicht Aussagen über die Vertreter einer Denkrichtung.

Behauptung Nr. 2: Eine liberale Wirtschaftsordnung führt zu vielen Stellen auf Zeit.

Premierminister Juncker zählt zuerst ein paar Begriffe nebeneinander auf: "...Privatisierung, Präkarisierung, Partialisierung der Arbeitsverhältnisse..." und suggeriert damit einen Zusammenhang dieser Begriffe. Danach erklärt er diese zu "...Teufelszeug..." und garniert zum Schluss seine Aussage mit der Geschichte über seinen Vater, den Stahlarbeiter, der ihm, wenn dieser "nur immer ein befristetes Arbeitsverhältnis" gehabt hätte, kein Studium hätte finanzieren können.

Die letzte Aussage, dass sein Vater sein Studium nicht hätte finanzieren können, wenn er "..sich alle sechs monate hätte Fragen müssen, bleibe ich in Beschäftigung oder werde ich freigesetzt...", ist einfach mal so aufgestellt. Keine Fakten, die diese Behauptung unterstützen würden und aus meiner Sicht, gibt es auch keinen Grund diese als wahr zu beurteilen. Aber eigentlich ist das auch gar nicht wichtig, denn hier sehen wir eine weitere rhetorische Methode an der Arbeit: Etwas zu behaupten, was gar nicht zur Debatte steht.

Zur Diskussion steht eigentlich die Behauptung: Die veränderten und vergrösserten Kapitalströme sind dafür verantwortlich, dass in einigen, eher grossen EU Ländern, immer mehr Stellen nur auf Zeit angboten werden.

Versuchen wir diesem oft gehörten Argument einmal auf den Grund zu gehen.

Eine wichtige, oft nicht explizit ausgesprochene Aussage in diesem Zusammenhang ist, dass es frühr besser war. Auch hier in unserem Beispiel spricht Premierminister Juncker ja davon, dass sein Vater sich noch auf eine sichere Stelle habe verlassen können. Gehen wir einmal davon aus, dass diese Aussage wahr ist. Folgt nun daraus schon, dass der sogenannt "ungezähmte" Kapitalismus für die veränderte Situation von heute verantwortlich ist. Selbst wenn wir versucht sein würden, unsere Gesellschaft derart vereinfacht zu interpretieren (aus A folgt B), können wir auf keinen Fall diesen Schluss ziehen.

Die Art und Weise wie das Kapital eingesezt wird hat sich zwar in den letzen 50 Jahren massiv verändert, daneben aber auch viele andere ebenso relevante Erscheinungen. So ist die Regulierungsdichte in einem noch nie dagewesenen Masse angestiegen, das fortwährende Wirtschaftswachstum hat die Volksvermögen in der westlichen Welt explodieren lassen, die Transport- und Informationstechnologien haben zusammen mit den weltpolitischen Veränderungen die Wirtschaftskreisläufe immer globaler werden lasssen, die Automatisierung von Industrieprozessen hat viele Berufe verschwinden lassen, usw.

Es gibt nun keinen plausiblen Grund, einer einzigen dieser Erscheinungen (veränderte und grössere Kapitalströme) die Verantwortung für eine Folge (hohe Arbeitslosigkeit und viele Stellen auf Zeit in gewissen Ländern) allein zuzusprechen, ohne die anderen nicht auch in Erwägung zu ziehen.

Ich könnte zum Beispiel genauso behaupten: die Automatisierung vieler Industrieprozesse hat dazu geführt, dass vermehrt Stellen auf Zeit angeboten werden. Auf den ersten Blick eher nicht so plausibel, müsste man noch genauer analysieren.

Oder: Die fortwährende Regulierung gewisser Arbeitsmärkte, insbesondere der laufend ausgebaute Kündigungsschutz hat dazu geführt, dass Unternehmer vermehrt stellen auf Zeit anbieten. Das macht wohl schon eher Sinn, oder?

Natürlich wäre es auch hier völlig falsch, nur das eine Phänomen für die Folge der Stellen auf Zeit verantwortlich zu machen, aber mindestens könnte diese Variante genauso wahr sein, wie die von Premierminister Juncker behauptete.

Solche Erscheinungen innerhalb eines so komplexen Untersuchungsgegenstandes, wie unserer Gesellschaft, kann man nicht einfach einer einzigen Ursache zuschreiben. Es ist leider nicht so simpel. Kommt dazu, dass es überall, auch innerhalb von Europa völlig unterschiedliche Ausprägungungen dieser Phänomene gibt, abhängig davon welche Ebene wir betrachten. So ist die Situation in Deutschland eine andere als zum Beispiel in Schweden, oder die Situation in der Bergbaubranche eine andere als in der Automobilbranche, usw.

Diese beiden Beispiele anhand einer Minute Radioberichterstattung aus einer eigentlich unpolitischen, und übrigens grundsätzlich empfehlenswerten, interessanten Sendung von Schweizer Radio DRS2, sind zufällig aber exemplarisch für die Art und Weise wie wir tagtäglich mit wichtigen gesellschaftliche Fragestellungen umgehen.

Eine Verluderung der Argumentationskultur hat sich breit gemacht, bis in die höchsten Ämter. Es werden Dinge behauptet ohne diese zu begründen und es wird vor allem nicht über die eigentlichen Herausforderungen und Lösungsalternativen debattiert, sondern die ganze Energie darauf verschwendet, dem inhaltlichen Gegner, schlechte Absichten zu unterstellen. Das ist schade, dumm und wird uns nicht weiterbringen.

sapere aude
 

 

Die Unschuldsvermutung ist ein wichtiger Grundsatz, wie die Zahlen der Bundesanwaltschaft zeigen.

Zwischen 2002 und 2005 kam es nur in 3 von 365 polizeilichen Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft (der Schweiz) zu einer Anklage. 141 Verfahren wurden wieder eingestellt, wie wir an verschiedenen Stellen unter anderem hier bei NZZ Online nachlessen können.

Ich bin nicht der Meinung, dass wir aufgrund dieser Zahlen nun einfach die Bundesanwaltschaft pauschal verurteilen können, schliesslich geht es ja bei solchen Ermittlungsverfahren ja auch darum Verdachtsmomenten nachzugehen und diese können sich nachträglich durchaus als unhaltbar herausstellen.

Das Problem ist aber, dass wir heutzutage in den öffentlichen Diskussionen, Menschen und/oder Organisationen sofort als Schuldig betrachten wenn wir vernehmen, dass Ermittelt wird. Der Grundsatz, dass bis zum Abschluss eines Verfahrens ersteinmal die Unschuldsvermutung zum tragen kommt, hat völlig ausgedient.

Bei fast 40% aller Verfahren der Bundesanwaltschaft zwischen 2002 und 2005 hätten wir also falsch Vorverurteilt. Diese Tatsache sollten wir uns auf einen Zettel schreiben und diesen dann wieder hervornehmen, wenn wir das nächste mal unisono "Schuldig" schreien, einzig aufgrund der Tatsache, dass ein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde!

Manager werden für den Nutzen, den sie aus Sicht der Eigentümer erbringen bezahlt.

Im Zusammenhang mit der laufenden Diskussion über sogenannt zu hohe Managergehälter werden zwei wesentliche Aspekte in der Regel zu wenig berücksichtig.

1) Die Gehälter werden von den Aktionären (sprich Eigentümern) bezahlt und sind darum nur von diesen zu beurteilen und nicht von einer gutmeinenden aber letztendlich vom Neid getriebenen Öffentlichkeit.  Zu diesem Thema verweise ich auf einen Blogbeitrag bei Freie Gedanken.

2) Gehälter, hohe oder tiefe, werden für den Nutzen den die Manager aus Sicht der Eigentümer der Organisation erbringen bezahlt und nicht für das Tätig sein an und für sich. Hier möchte ich ein wenig genauer werden.

Ich höre in den Diskussionen zu diesem Thema oft Aussagen wie: "Niemand ist soviel wert!" oder "Niemand kann in 5 Minuten CHF 1'000.-- verdienen, das ist doch krank!" oder "Meine Arbeit hat doch auch einen Wert!". Die wesentlichen Gedanken die hinter diesen Aussagen stecken sind:

A) Das Arbeiten, also das Tätig sein an und für sich, stellt einen absoluten Wert dar.

B) Dieser Wert hat irgendwo eine moralische Grenze.

Der Grund dass wir so denken, liegt vor allem darin, dass unser Wirtschaftssystem in vielen Bereichen die Bezahlung vertraglich tatsächlich an das "tätig sein" koppelt. So haben wir in unseren Arbeistverträgen eine Anzahl Stunden pro Woche definiert, oder viele Professional Services Anbieter (Berater, Designer usw.) werden nach Stunden- oder Tageshonoraren abgerechnet.

Die Vorstellung, dass der Zeitaufwand, den jemand für das Erarbeiten eines bestimmten Resultates benötigt, auf den tatsächlich erzielbaren Preis für dieses Resultat einen Einfluss hat, ist fast nicht mehr aus unseren Köpfen zu bringen.

Ein Angestellter einer Firma, sei er nun Manager oder nicht, macht ja eigentlich nichts anderes als seine Arbeitskraft zu verkaufen. Ein Berater in der Regel auch. Beide verkaufen aber eigentlich den Nutzen den der Käufer (die Firma, der Auftraggeber, der Kunde) mit den Ergebnissen, die aus ihrem tätig sein entstehen, erzielen kann und nicht die Arbeit selbst. Bzw. diese ist für den Käufer letztendlich irrelevant.

Diese Nutzenabwägung ist relativ und für jeden Einzelfall anders. Der Nutzen kann nur von der Person oder Organisation eingeschätzt werden, die die Leistung oder besser, das Ergebnis bezieht und damit die Rechnung bezahlt.

Übersetzt auf die Managerlöhne heisst das, dass es den Eignern eigentlich völlig egal sein muss, wieviel Zeit ein Mitarbeiter für seinen Job aufwendet, solange die Ergebnisse dem Wert des Nutzens entsprechen den die Eigentümer für sich sehen. Simpel ausgedrückt bedeutet das für den Aktionär einfach: Wieviel Nutzen verschafft mit ein Manager (oder ein Mitarbeiter, oder ein Dienstleister) und vieviel bin ich bereit dafür zu bezahlen. Diese Zahlungsbereitschaft hängt dann weigehend auch von der jeweilgen Marktsituation, sprich vom verfügbaren Angebot für diesen Nutzen ab. Je knapper desto teurer.

Natürlich muss sich auch der Anbieter Überlegungen dazu machen, welchen Preis er für sein Resultat verlangen will, und für ihn spielt das begrenzte Gut Zeit sicher eine wesentliche Rolle, er bleibt aber dabei an die simplen Angebot- und Nachfragemechanismen des Marktes gebunden.

Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit

Allenthalben bezieht man sich zur Zeit auf den in unserer Verfassung verankerten Grundsatz, dass die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erfolgen hat. Den Verfassungsartikel können Sie hier nachlesen.

  • Was bedeutet Leistungsfähigkeit?
  • Ist das Einkommen einer Person oder der Gewinn eines Unternehmens, Ausdruck der Leistungsfähigkeit oder das Ergebnis einer erbrachten Leistung bzw. Arbeit?
  • Kann man die Leistungsfähigkeit von Menschen oder Unternehmen berechnen? Wie? Kann darauf aufbauend die Leistung die erbracht werden wird, bzw. deren Ergebniswert voraussagen?
  • Wie hoch ist Ihre Leistungsfähigkeit in CHF ausgedrückt? Entspricht Sie ihrem Einkommen?
  • Könnten Sie noch mehr leisten? Wieviel? Möchten sie auf diesen Betrag steuern zahlen, auch wenn Sie es nicht leisten, sondern nur fähig dazu wären?
  • Ist unser Verfassungsgrundsatz, so wie er da steht, klar und sinnvoll?