Gemeinsamkeiten von Christoph Blocher und Hugo Chávez oder die Einfachheit des ideologischen Geisteslebens.

In der WOZ Nr. 48 vom 29. November 2007 wird eine mehrseitige Berichterstattung über den umstrittenen, sozialistischen Staatspräsidenten von Venezuela durch ein Interview mit dem ehemalichen Schweizer Botschafter Walter Suter ergänzt. Suter, der in diesem Interview ziemlich unverblümt seine Sympathien für den linken Volkstribun zeigt, sagt unter anderem folgende Sätze um den bolivarianischen Revolutionär zu verteidigen:

"Chávez hat viele Ideen und gibt Impulse für die Politik. Das macht kein populistischer Diktator. Natürlich sind der Personenkult um Chávez und sein Gehabe für die europäische Wahrnehmung seltsam. Aber ein grosser Teil der Bevölkerung nimmt das nicht auf eine negative Weise als autoritär war. Man muss bei Chávez zwischen der Form und dem Inhalt unterscheiden. Die Form ist sehr extrem, das kann dazu verleiten, dass man daran den Inhalt misst"

Stellen wir uns nun vor, es hätte jemand diesen Aussage über den Ex-Bundesrat Christoph Blocher vor dem 12. Dezember gemacht. Das hätte sich dann so gelesen:

"Blocher hat viele Ideen und gibt Impulse für die Politik. Das macht kein populistischer Diktator. Natürlich sind der Personenkult um Blocher und sein Gehabe für die europäische Wahrnehmung seltsam. Aber ein grosser Teil der Bevölkerung nimmt das nicht auf eine negative Weise als autoritär war. Man muss bei Blocher zwischen der Form und dem Inhalt unterscheiden. Die Form ist sehr extrem, das kann dazu verleiten, dass man daran den Inhalt misst."

So wunderschön einfach ist das geistige Leben wenn man ideologisch unterwegs ist, dann kann man ohne mit der Wimper zu zucken beim einen sympathisch finden, was man beim anderen verteufelt.

 

Der Mensch in Gesellschaft

Menschen leben in Gesellschaften. Es gibt zwei Arten von möglichen Gesellschaften, die offene, pluralistische und die geschlossene, gleichgeschaltete. (Karl Popper)

Die geschlossene, gleichgeschaltete zeichnet sich dadurch aus, dass es festgeschriebene, ewiggültige Wahrheiten im Sinne von Dogmata gibt, die von einer Elite in der Regel mit Gewalt durchgesetzt werden. Diese grundlegenden Dogmata verneinen üblicherweise die Tatsache, dass Menschen individuelle Bedürfnisse haben, oder sie gehen davon aus, dass diese individuellen Bedürfnisse den kollektiven Wünschen, die diese Elite erkannt hat, grundsätzlich zu unterstellen sind. Burma, Iran, China, die Sowjetunion, die DDR, Nazideutschland, usw. sind aktuelle bzw. historische Beispiele für solche Gesellschaften.

Wir leben in der Schweiz, in Europa, in den USA und an vielen weiteren Orten zum Glück in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft. Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass Menschen verschieden sind und individuelle Bedürfnisse haben, deren Befriedigung zum persönlich empfundenen Glück beitragen. Um diesen individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden wird in der offenen Gesellschaft der persönlichen Freiheit sich zu entfalten ein hoher Stellenwert eingeräumt.

Da der Mensch aber auch in der offenen Gesellschaft per Definition eben in Gesellschaft lebt, hat diese persönliche Freiheit auch ihre Grenzen. Diese Grenzen liegen dort wo des Einen persönliche Freiheit einem anderen Menschen oder der Gesellschaft schaden zufügt (John Stuart Mill).

Diese Grenzen entziehen sich aber einer objektiven Erschliessung, darum muss eine offene Gesellschaft diese Grenzen immer wieder neu beurteilen. Diese Beurteilung geschieht am effektivsten durch Diskussion der vorgebrachten Argumente aus verschiedenen Blickwinkeln der jeweils Betroffenen.

Aus diesem Grund ist die bestmögliche Staatsform der offenen Gesellschaft eine Mischung aus parlamentarischer und direkter Demokratie, die föderalistisch nach dem Subsidiaritätsprinzip aufgebaut ist und den Bürgern dadurch sehr weitgehende Möglichkeiten der Mitbestimmung einräumt.

Damit eine solche Demokratie aber funktionieren kann, hat der Mensch für seine Freiheit einen Preis zu bezahlen. Dieser Preis heist Verantwortung. Verantwortung für das eigene Denken und Handeln.

Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, braucht es mindestens zwei Fähigkeiten zu deren lebenslangen Weiterentwicklung der freie Mensch in der offenen Gesellschaft angehalten ist. Die Fähigkeit zur Empathie und die Fähigkeit zum kritischen Denken.

Durch Empathie entsteht Solidarität und der Wunsch, das Leid zu minimieren und das Glück zu maximieren, und zwar gerade auch für die anderen Menschen und Geschöpfe des gemeinsamen Lebensraums.

Das kritische Denken ermöglicht es u.A., seine immer vorhandenen Vorurteile und seine eigenen Gefühle und Geisteshaltungen wie Neid, Hass, Egoismus, usw. in die Beurteilung einer Sachlage miteinzubeziehen, Argumente von Diskussionspartnern von verschiedenen Standpunkten aus zu betrachten, sowie plumpe rethorische Manipulationsversuche zu entlarven.

Beide Kompetenzen sind in unseren Anlagen vorhanden, wir haben dabei allerdings die Wahl diese verkümmern zu lassen oder sie zu entwickeln. Aus meiner Sicht, sind diejenigen, die die offene Gesellschaft mitgestalten wollen, zu Letzerem verpflichtet.