Anti-Piraterie-Gremium im US-Kongress findet keinen Gefallen am AGUR12-Fahrplan

Der "International Creativity and Theft-Prevention Caucus" des US-Kongresses hat seine Watchlist 2014 veröffentlicht. Die Schweiz ist wird seit 2012 auf dieser Liste geführt. Der Grund warum wir trotz AGUR12 und rundem Tisch mit dem SECO immer noch auf dieser Liste sind, liegt daran, dass der US-Unterhaltungsindustrie unser Gesetzgebungsprozess offenbar zu lange dauert und dass es noch nicht sicher ist, dass ihre Wünsche dereinst erfüllt werden: 

«The Caucus appreciates willingness of the Swiss government to engage in frank and forthright discussions regarding their placement on the Watch List and the climate for intellectual property protections. However, the timeline provided to take steps to bring Switzerland back up to international standards for protection of copyright is insufficient to address the Caucus’s concerns. Most recently, the Swiss government announced in June 2014 that a proposal will not  be put before the legislature until late 2015 at the earliest. The Caucus cannot remove Switzerland from the 2014 Watch List based on such a protracted timeline, with the end result far from guaranteed.»

Hierzulande wird von den Befürwortern der AGU12-Massnahmen ja immer wieder behauptet, dass die vorgeschlagenen Gesetze zur Überwachung von P2P-Netzwerken und Einrichtung von Netzsperren nichts mit den USA zu tun hätten, sondern für Kulturschaffenden der Schweiz geschaffen werden sollen. Die Druckversuche aus den USA zeigen allerdings ein ganz anderes Bild. Die ganze Kampagne zur AGUR12 reiht sich ein in die Geschichte der weltweiten Urheberrechtsanpassungen, die immer zugunsten der Unterhaltungsriesen durchgeführt wurden und auch immer von diesen getrieben waren. Es geht dabei nie um die Künstler sondern einfach um sehr viel Geld welches bei einigen wenigen grossen Kapitalgesellschaften gesammelt wird. 

Wir müssen uns in der Schweiz fragen, ob es die Aufgabe der Politik ist, dafür zu sorgen, dass in der Schweiz eine rege und vielfältige kulturelle Szene existieren kann, oder ob die weltweiten Grosskonzerne der Unterhaltungsindustrie ihre veralteten Geschäftsmodelle aus dem 20. Jahrhundert ungestört durchdrücken können, unbeachtet der dabei entstehenden Kollateralschäden.

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(Danke @kusito für den Hinweis)

Mit der CVP auf dem Weg zum Polizei- und Überwachungsstaat

Die CVP hat Alarm geschlagen. Die Sicherheit in der Schweiz sei, wenn es so weiter geht, bald nicht mehr gewährleistet. Damit es nicht soweit kommt, hat die Partei ein Massnahmenpaket zusammengestellt, welches uns aufhorchen lassen muss. Wenn eine Mitte-Partei derart auf Law-and-Order setzen, verheisst das nichts gutes für unsere Zukunft und vor allem nicht für die kommenden Debatten zur BÜPF-Revision und zum Nachrichtendienstgesetz.

Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sich Reto Nause immer noch nicht von der "Tanz-Dich-Frei-Geschichte" erholt hat. Hier ein paar Kostproben davon, wie die Christlichen Demokraten gedenken, den Teufel aus der Gesellschaft zu vertreiben (aus der Medienmappe mit dem Positionspapier PDF):

  • ...Die CVP unterstützt deshalb die Einführung von Schnellverfahren, vor allem bei Grossanlässen mit absehbarem Gewaltpotenzial
  • ...Wer sich an einer bewilligungspflichtigen Versammlungen oder Kundgebungen vermummt, erschwert oder verunmöglicht bewusst eine spätere Identifizierung. Die CVP fordert die Schaffung strafrechtlicher Instrumente, die auch dann greifen, wenn eine Gruppe Vermummte in ihrer Mitte vor dem Zugriff durch die Polizei schützt
  • ...Das Strafmass für Landfriedensbruch muss heraufgesetzt werden, tatverdächtige Angehaltene sollen bis zu 72 Stunden in Gewahrsam genommen werden können.
  • ...Insbesondere bei der Aufklärung von Straftaten bei unbewilligten Anlässen oder Gewaltausbrüchen sind nicht unverhältnismässig hohe Ansprüche an die Internetfahndung zu stellen
  • ...Heute haben weder die Polizei noch der Nachrichtendienst des Bundes die Möglichkeit in Fällen von Gewaltextremismus präventiv oder nach Gewalteskalationen reaktiv Telefone abzuhören oder Emails zu überwachen. Die CVP fordert die Schaffung der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen
  • ...Social Media-Kanäle, über die anonyme Aufrufe zu unbewilligten Veranstaltungen wie „Tanz dich frei“ veröffentlicht werden, müssen zur Zusammenarbeit mit den Behörden verpflichtet werden können.
  • ...Die CVP unterstützt die Schaffung eines internationalen Regelwerks, welches internationale Verhaltensregeln, Standards und Normen über das Verhalten im Internet festlegt.
  • ...Die CVP hält weiterhin an ihrer Forderung nach 3000 zusätzlichen Polizisten fest.
  • ... Bestehende Videoüberwachungssysteme von Strassen sollen technisch aufgerüstet werden, so dass sie Kontrollschilder automatisch scannen und mit dem eidgenössischen Fahndungsregister Ripol, welches Datenbanken für Personenfahndungen, Fahrzeugfahndungen, Sachfahndungen und ungeklärte Straftaten umfasst, abgleichen können.
  • ...Der Nachrichtendienst des Bundes muss über die nötigen Kompetenzen für Einsätze im In-
    und Ausland verfügen, um als Frühwarnsystem zugunsten des Bundes und der Kantone proaktiv zu wirken.
  • ...Mit mehr Begleitpersonal, Überwachungskameras etc. verbessern wir die Sicherheit auf den Bahnhöfen und in den Zügen und garantieren die Sicherheit der Passagiere.
  • ...Der öffentliche Raum muss durch präventive Stadtgestaltung, bessere Beleuchtung und den verstärkten Einsatz von Videokameras an Brennpunkten Verwahrlosung, Vandalismus, Diebstählen, Wohnungseinbrüchen sowie Gewalt vorbeugen.

Zusammengefasst: Überwachung, Überwachung, Überwachung total, kombiniert mit Erhöhung des Gewaltpotentials des Staates. Und das alles nur, weil ein beleidigter Gemeinderat von Facebook keine Antwort auf seinen Brief erhalten hat.

Eine undurchsichtige Geheimdienstgeschichte

Im Tages-Anzeiger Online ist seiit heute morgen eine undurchsichtige Geheimdienstgeschichte zu lesen. Ein Flüchtling aus dem Irak sei vom früheren Inlandgeheimdienst, dem Dienst für Analyse und Prävention (DAP), erfolglos angeworben worden, kurz darauf wurde ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet. Vieles bleibt auch nach mehrmaligem Lesen des Beitrages im Dunkeln. So ist von einem Gespräch mit der Geschäftsprüfungsdelegation die Rede, aber wir haben keine Anhaltspunkte darüber, in welchem Zusammenhang diese Gespräche stattgefunden haben. Weiterhin wird erzählt, dass dem Betroffenen durch die Bundesanwaltschaft bis vor ein paar Monaten verboten war, mit Medienvertretern über seinen Fall zu sprechen. Und zu guter Letzt ist da noch von einer Tonbandaufnahme eines Gespräches zwischen den DAB-Agenten und dem Betroffenen die Rede, welches im Zug stattgefunden habe, und dem Tages-Anzeiger zugespielt worden sei. 

Alles in allem, eine ziemlich verworrene Geschichte, die mehr Fragen offen lässt, als sie beantwortet. Ich hoffe aber, dass da in den nächsten Tagen noch mehr kommen wird. Alleine schon das Verbot, mit niemanden über seinen Fall reden zu dürfen, ist ziemlcih fragwürdig und es wäre schon wichtig zu wissen, ob das wirklich der Wahrheit entspricht. Auf jeden Fall zeigt auch diese Story, wie problematisch Geheimdienste sind.

Überwachungsstaat: «Das kann ja nicht die Lösung sein»

Der Autor Ilija Trojanow hat 2009 zusammen mit Juli Zeh das Buch «Angriff auf die Freiheit: Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte» veröffentlicht. Gestern hat Simone Fatzer ein kurzes Gespräch mit ihm im Echo der Zeit geführt.

Auf die Frage, ob er denn nun, in Anbetracht der durch Edward Snowden bekannt gewordenen Überwachungsaktivitäten der westlichen Demokratien, auf gewisse Kommunikationsmittel bewusst verzichte, antwortete er:

Nein, das kann ja nicht die Lösung sein. Es kann ja nicht die Lösung sein, dass aufgrund einer perversen staatlichen Dauerüberwachung, ich als Bürger gezwungen werde, irgendein Instrument, irgendeine Kommunikationsform, die mein Leben erleichtert, nicht zu nutzen. Genauso, wie ich es problematisch finde, dass manche Menschen sagen: "Gut, nun werde ich absolut alles verschlüsseln und geheimhalten". Dieser Zwang, dass man selber dann beginnt, solche Paranoiden verhaltensweisen nachzuahmen, ist an sich für mich schon nicht akzeptabel.

Immer wieder wird ja vorgeschlagen, dass wir einfach unsere E-Mails verschlüsseln sollen. Oder auch, dass wer Cloud-Dienste nutze, schlicht selber schuld sei. Das ist eine erstaunliche Haltung. Nur weil es technisch möglich ist, unsere E-Mails und andere Daten zu lesen, ist es noch lange nicht richtig, dass wir das zulassen. Wir hätten früher auch nicht akzeptiert, wenn ähnliches mit der Briefpost geschehen wäre. Wir dürfen nun nicht klein beigeben und uns zurückziehen, sondern müssen von der Politik verlangen, dass sie im Sinne der Bürgerrechte handelt und nicht gegen sie.

Ein Problem der Geheimdienste ist gemäss Trojanow:

...dass gerade im geheimen wirkende Bürokratien, jede technische Möglichkeit und jede rechtliche Grauzone, die sich ihnen bieten, auch ausnutzen. Das heisst, Selbstkontrolle gibt es bei Geheimdiensten nicht. Die einzige mögliche Kontrolle ist die einer demokratischen Transparenz.

Ich würde weiter gehen und sagen, dass überhaupt keine Kontrolle möglich ist. Darum sollten wir in der Schweiz auf jeden Fall darauf verzichten unseren Geheimdienst mit weiteren Werkzeugen auszustatten. Das Beste was man tun kann,  ist, auf solche Organisationen im Staat zu verzichten, oder ihnen wenigstens nur die allernötigsten Rechte zuzugestehen.

Und noch einmal zur Wiederholung für alle, die denken, dass das alles nicht weiter schlimm ist, weil sie ja nichts zu verbergen haben:

Die genaue Lektüre, nicht nur meiner Akte, sondern auch vieler anderen Akten zeigt, dass es eine Irrealität gibt, die entsteht. Aufgrund dessen, dass man alles beobachtet, ist natürlich auch ein Generalverdacht auf alles gelegt, und dieser Generalverdacht trägt in sich eine Ernergie, die bestätigt sein will. Das heisst, es ist geradezu unmöglich, davor unschuldig zu wirken. Auch scheinbar naives oder harmloses verhalten erscheint aufgrund dieser tendenziösen Beobachtung dann als verdächtig.

Das sollte uns in der Schweiz an den Fischenskandal erinnern und diese Erinnerung wäre doch schon Grund genug, ein Nachrichtendienstgestzt wie es geplant ist, gar nicht erst zu diskutieren. Und sollte es trotzdem im Parlament durchkommen, müssen wir uns schon jetzt bereit machen:

Ich glaube dass entscheidende ist, dass man früh und wirklich heftig jetzt Widerstand leistet. Diese wirklich verlogene Schutzbehauptung, es sei zu Sicherheit des Bürgers gedacht, die dürfen die Bürger auf gar keinen Fall akzeptieren.

Hier ist das ganze Gespräch aus dem Echo der Zeit von SRF4 News vom 8. August 2013:

 (Bild: © kebox - Fotolia.com)

Der wichtigste Grund, das geplante Nachrichtendienstgesetz zu beerdigen

Auch in der Schweiz gibt es ja bekanntlich auch einen Nachrichtendienst. Früher nannte man solche Stellen Geheimsdienste. Ihre Tätigkeit ist immer problematisch, denn sie können auch bei noch so vielen vorgesehenen Kontrollinstanzen nicht wirklich in Schach gehalten werden, wie wir aus eigener Geschichte wissen, und wie wir derzeit auch wieder einmal sehr anschaulich vorgeführt bekommen

Das interessante am Geheimdienst schweizerischer Ausprägung ist allerdings, dass er im Inland eigentlich nicht so richtig viel schnüffeln darf wie die Kollegen in anderen Ländern. So steht in der offizellen Broschüre, die man beim VBS downloaden kann auf S. 27:

Für die Beschaffung von Informationen im Ausland nimmt der Gesetzgeber keine explizite Auflistung der zulässigen Beschaffungsmassnahmen vor. Die Möglichkeiten des NDB sind somit weniger eingeschränkt als im Inland. Für die Beschaffung von Informationen nach ZNDG wird auch die Aufklärung von Kommunikationsinhalten und -verbindungen durch elektronische Mittel  eingesetzt. Für Beschaffungen von Informationen im Inland sind zurzeit die Post- und Telefonüberwachung, die Observation in privaten Räumen und das Eindringen in Computer und Netzwerke nicht gestattet.

Na, das ist doch mal eine Ansage. Natürlich ist es heutzutage schwer zu glauben, dass das nicht trotzdem geschieht, aber es gibt doch keinen Grund, diese richtigen und wichtigen Einschränkungen aufzugeben. 

Das geplante Nachrichtendienstgesetz würde die Kompetenzen unseres Geheimdienstes massiv ausweiten und ohne Not einen unkontrollierbaren Überwachungsapparat schaffen. 

Derzeit sind von den Parteien, die im Parlament vertreten sind, nur die Grünen klar gegen das Gesetz:

Die Grünen lehnen das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG), so wie es jetzt vorliegt, klar ab. Die gegenwärtigen Überwachungs-Exzesse im Ausland (Prism und Tempora) zeigen auf erschreckende Weise, was geschieht, wenn die Regeln für Geheimdienste einseitig an deren Bedürfnissen ausgerichtet werden. Eine Aufrüstungsspirale der Geheimdienste bringt nicht mehr Sicherheit, sondern verletzt die Privatsphäre und ist eines freiheitlichen Staates unwürdig.

Besonders tragisch finde ich, dass die SP Schweiz dahinter steht:

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP Schweiz) begrüsst die Schaffung einer zeitgemässen gesetzlichen Grundlage für den zivilen Nachrichtendienst. Der vorliegende Entwurf weitet einerseits die Kompetenzen des Nachrichtendienstes aus, was sich sicherheitspolitisch begründen lässt. 

Ach ja, vielleicht hilft dieser Artikel aus dem Jahre 2010 auch noch etwas auf die Sprünge. Nein, damit ist nicht die grosse Fichen-Affäire aus den 1990er gemeint, aber auch diese könnte uns ja helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Es ist gar nicht nötig, auf die Details im Gesetztesentwurf einzugehen. Derzeit darf unser Geheimdienst im Prinzip nicht einfach bei uns herumschnüffeln und das ist sehr gut so. Jedes Gesetz und sei es noch so abgeschwächt und mit Kontrollmechanismen ausgestattet, würde die Kompetenzen des Nachrichtendienstes ausweiten. Grund genug diesen Gesetzesentwurf ohne lange Rede einfach zu tschüssen.

(Bild: Titelbild aus der Broschüre: Der Nachrichtendienst des Bundes, PDF)

Welche Geheimnisse sind legitim? Die der Bürger oder die des Staates

Das Video "Überwachungsstaat - Was ist das?" macht nun schon seit ein paar Tagen die Runde und das ist gut so. Es sind für jede Bürgerin und für jeden Bürger, sinnvoll investierte 10 Minuten. Insbesoderen für diejenigen, die der Meinung sind, dass das alles ja kein wirkliches Problem für sie darstellt. 

Im Video wird unter anderem auch die sehr wichtige Frage aufgeworfen, warum wir so selbstverständlich der Meinung sind, dass derjenige der etwas vor dem Staat verbergen will, kein Recht dazu haben soll und es aber gleichzeitig in Ordnung ist, wenn der Staat vor seinen Bürgern Geheimnisse hat? Wer der Meinung ist, der Bürger sollte vor dem Staat ja nichts zu verbergen haben, der spricht dem allmächtigen Staat, dem Leviathan das Wort. Dabei ist es ziemlich irrelevant, ob dieser Staat demokratisch organisiert ist oder nicht. Wenn alle Macht vom Apparat aus geht, hat das Individuum nichts mehr zu berichten. 

Das Video bezieht sich zwar auf Deutschland, aber die grundsätzlichen Probleme sind in jedem Land dieselben und wir haben bei uns  auch ein paar Hausaufgaben zu machen. Die BÜPF-Revision, das neue Nachrichtendienstgesetz NDG und die Vorschläge der AGUR12 zielen alle auf den Ausbau des Überwachungsstaates in der Schweiz.

Es ist doch ganz einfach so, dass Überwachung die Menschenwürde nicht respektiert und wir alleine deswegen eine andere Politik anstreben müssen.

Zum Thema "Überwachung" gibt es übrigens, organisiert vom Dock18 einen Schreibwettbewerbmit einer Preissumme von CHF 2500.--. (Disclosure: Die besten Beiträge werden von meinem Verlag buch & netz publiziert)

Überwachung respektiert die Würde des Menschen nicht

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"Was ist das Grundlegende Problem der digitalen Überwachung?", hat Philippe Wampfler gestern via Twitter gefragt und danach einen lesenswerten Blogpost dazu verfasst.

Ich sehe das Problem in erster Linie ethisch:

Der Mensch ist ein entscheidungsfähiges, handelndes Individuum. Er darf nicht als blosses Mittel zum Zweck angesehen werden. Das heisst, niemand hat das Recht, Menschen als reine Objekte zu nutzen (Kant).

Überwachung, wie sie auch ausgestaltet sein mag, verstösst immer gegen dieses ethische Prinzip. Ob ein Ehemann seine Ehefrau überwacht, ob ein Manager seine Mitarbeiter überwacht, oder ob der Staat seine Bürger überwacht. In jedem einzelnen Fall steht dahinter eine Verletzung der Menschenwürde. Der Überwachte wird zum Mittel zum Zweck degradiert.

Dies alleine sollte bereits genügen, um sich klar zu machen, dass Überwachung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen ist.

Überwachung kann zwar demokratisch legitimiert sein, aber sie wird trotzdem nicht richtig sein und darum ist es unsere Pflicht dagegen aufzubegehren. Genauso wie wir Sklaverei, Folter oder die Todesstrafe nicht akzeptieren dürfen.

Es ist zwar richtig, wie Philippe Wampfler in seinem Beitrag schreibt, dass unsere Systeme nach Daten verlangen. Aber Daten zu speichern und auszuwerten ist noch lange nicht Überwachung, vor allem dann, wenn ich selbst darüber entscheiden kann, ob und wem ich meine Daten zur Verfügung stelle.

Google kann zwar zum Beispiel meine Suchanfragen nutzen, um mir andere Suchresultate zu zeigen. Dabei findet aber keine Überwachung in dem Sinne statt. Ich kann jederzeit entscheiden, ob ich Google oder z.B. duckduckgo.com benutze. Ich kann auch wenn ich Google nutze, entscheiden, ob ich meine Suchanfragen speichern will. Und selbst wenn ich das tue, ist es immer noch nicht Überwachung solange Google diese Daten so nutzt, wie sie mir versprochen haben sie zu nutzen. Das Problem entsteht erst wenn der Staat oder jemand anders sich, ohne mein Einverständnis dieser Daten bemächtigt und mich in meiner Würde verletzt indem er mich zum Objekt degradiert.

Das Problem liegt nicht am Internet, sondern an den Menschen die sich nicht nach diesem ethischen Prinzip verhalten. Seien dies nun Politiker, die den Auftrag geben, Beamte die ihn Ausführen oder Unternehmensmanager die sich nicht fragen, was sie tun, solange die Zahlen stimmen. 

Wir können und müssen in unserer Gesellschaft ganz einfach einfordern, dass insbesondere die Demokratischen Strukturen so konzipiert sind, dass solche Verletzungen der Menschenwürde nicht akzeptiert sind.

In der Schweiz geht es zum Beispiel derzeit darum die Revision des BÜPF und das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG), sowie die Überwachungsvorschläge der AGUR12 zurückzuweisen.

Zum Thema "Überwachung" gibt es übrigens, organisiert vom Dock18 einen Schreibwettbewerb mit einer Preissumme von CHF 2500.--. (Disclosure: Die besten Beiträge werden von meinem Verlag buch & netz publiziert)

(Bild: © beeboys - Fotolia.com) 

Wie man heutzutage sein verlorenes oder geklautes Notebook zurückholt

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Stephan Meier* ist ein Geek. Der Schweizer lebt seit 10 Jahren in Rom. Doch aufgrund eines Todesfalles in seiner Familie, ist er während der Festtage nicht wie sonst üblich in die Skiferien gefahren, sondern hat sich im Raum Zürich bei seiner Verwandtschaft aufgehalten.

Am 31. Dezember ist er mit seiner Partnerin unterwegs in Richtung Toggenburg und lässt beim Umsteigen seine Tasche mit Notebook, Pass und weiteren Dokumenten in der S-Bahn nach Rapperswil liegen.

Als er seinen Verlust bemerkt, versucht er noch am Silvesterabend mit der Polizei, der Bahnpolizei und den SBB Kontakt aufzunehmen, was ihm allerdings nicht gelingt. Die Stellen sind entweder nicht erreichbar, oder verweisen auf die nächste Woche.

Doch wie gesagt, Stephan Meier ist ein Geek und hat für solche Fälle vorgesorgt: Seit Februar 2009 ist eine Software mit dem Namen Prey auf seinem Notebook installiert.

Prey ist eine Art Trojaner für den Eigengebrauch. Ein kleiner Softwareagent, der im Hintergrund darauf wartet aufgeweckt zu werden, um bei Bedarf Standort und andere Informationen des Gerätes an den Besitzer zu übermitteln.

Wenn man den Verlust seines Computers feststellt, logt man sich einfach bei seinem Prey Control Panel ein, und setzt den Status auf "Missing". Sobald das Device, es kann ein Notebook, ein Tablet oder ein Mobile Phone sein, ans Netz geht, wird nach Möglichkeit ein Photo mit der eingebauten Kamera gemacht, und alle nützlichen Netzwerk und Standortinformationen an das Control Panel übermittelt.

Hier im Demo Video von Prey seht Ihr wie das funktionert:

Stephan stellt also sein Notebook auf "Missing", und noch in der Silvesternacht um 02:10h hat sich der neue "Besitzer" das Gerät offenbar mal etwas genauer angesehen:

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Das Bild habe ich hier "aus Gründen" ;-) verpixelt, aber ich kann Euch versichern, dass die Person im Originalbild sehr gut zu erkennen wäre.

Neben dem Bild hat Stephan auch die Information erhalten in welcher Gemeinde (inkl. Kartenausschnitt) und mit welcher IP Adresse das Gerät, im wahrsten Sinne des Wortes, ins Netz ging. Ja sogar wie das W-Lan hies, dass der "Finder" nutzte.

Gleich am morgen früh, fährt Stephan in besagte Gemeinde und macht sich auf die Suche nach dem Wi-Fi Netz, über welches sein Notebook das letzte mal online war. Dabei findet er zwar interessante Netzwerke wie "Mittelerde" oder "Jesus lebt", nur das gesuchte nicht.

Als nächstes analysiert er die IP Adresse und stellt fest, dass es sich um einen Cablecom Anschluss handelt. Nun schreibt er eine E-Mail an seine "alten" Freunde und Kollegen in der Schweiz mit der bitte, über Verbindungen zur Cablecom die Strasse, die zu dieser IP Adresse passt, zu erhalten. 

Mich hätte das äusserst erstaunt, wenn er so an die Adressdaten gekommen wäre und es hätte mir auch Sorge bereitet. Einer der Angeschriebenen pflegt zwar tatsächlich Kontakte zu Mitarbeitern der Cablecom, aber niemand hat die Daten herausgerückt, trotz viel Verständnis für die Sitation des Betroffenen; und das ist auch gut und richtig so. 

Also erstattet Stephan Anzeige beim Polizeiposten der betroffenen Gemeinde. Der bearbeitende Polizist ist beeindruckt von der Fülle der Informationen, die ihm vorgelegt werden und meint aber, dass es Wochen gehen wird, bis er via Staatsanwaltschaft bei Cablecom die Herausgabe der Adresse bewirken kann, und dass danach das Notebook als Beweisstück, wohl bis zum Abschluss des Falles, zurückbehalten würde. 

Bereits am anderen Morgen erfährt Stephan aber auf dem Latrinenweg, dass die offizielle Anfrage bei der Cablecom bereits eingetroffen und schon in Bearbeitung sei. Der Polizist ist einigermassen erstaunt, diese Tatsache vom "Opfer" zu erfahren ;-). Aber nach ein paar Stunden findet die Durchsuchung statt, und die vemisste Tasche mit Notebook, Pass, usw. konnte sichergestellt werden. Zu guter letzt willigte auch noch die Staatsanwältin ein, die "Beweisstücke" freizugeben und Stephan kann morgen nach Rom zurück fahren, als ob nichts geschehen wäre.

Interessantes Detail am Rande: Gemäss Aussage des bearbeitenden Wachmeisters konnte die Polizei keine Personendatenfeststellung beantragen, da mit dem Notebook keine Straftat begangen wurde, sondern musste eine Überwachungsmassnahme anordnen, und zwar mit der Begründung, dass sich auf dem Notebook sensible Geschäftsdaten befinden, mit denen Unfug betrieben werden könnte. BÜPF/VÜPF lässt grüssen. Soviel dazu, dass die Überwachung nur bei besonders schweren Delikten (PDF) zum tragen kommen soll.

Tja, ich freue mich für Stephan Meier, dass er seine Tasche mit Pass, Dokumenten und Notebook wieder gefunden hat und ich werde wohl auch mal Prey auf meinen Devices installieren. Ich bin beruhigt, dass bei Cableom nicht einfach über die Hintertüre Personendaten zu IP Adressen geholt werden können. Wie einfach aber offenbar Überwachungsmassnahmen angeordnet werden können, erstaunt mich allerdings schon und bereitet mir auch etwas Kopfzerbrechen. Ich würde wohl auch wollen, dass die Staatsgewalt alles unternimmt, mir mein Notebook wieder zu beschaffen, wenn ich schon so nahe daran bin. Aber eigentlich sollte die Polizei in einem solchen Falle vom Provider die Adressdaten zur IP Adresse erhalten und nicht eine Überwachung des Netzwerkes anordnen müssen. Wenn dies offenbar bereits für solche "Kleinigkeiten" geschieht, müssen wir uns nicht wundern, das die Statistik soviele Fälle ausweisst.

*Name geändert, der richtige Name ist mir bekannt.

(Bild: © Maxim_Kazmin - Fotolia.com)

BÜPF Revision - Überwachungsstaat: Die Schweiz will Identifizierung der Internet-Benutzer

Das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) aus dem Jahre 2000 soll überarbeitet werden. Die Revision ist seit kurzem in der Vernehmlassung.

Ich habe früher schon mal erwähnt, dass bereits die 2000er Version dieses Gesetzes und insbesondere der darauf folgenden Verordnung, ein eigentliches Problem darstellt.

Was nun hier zur Debatte steht, schlägt allerdings alles bis jetzt da gewesene. Ich habe die Vorlage zwar erst überflogen, doch hier mal ein erstes Schmankerl davon, was uns erwartet:

Der Internet Provider soll uns jederzeit Identifizieren können.

Art. 22 Identifizierung von Internet-Benutzern
Die Personen, die Überwachungen des Fernmeldeverkehrs nach diesem Gesetz durchführen, müssen die nötigen technischen Vorkehren treffen, um die Personen identifizieren zu können, die über ihre Vermittlung Zugang zum Internet erhalten.
Für mich bedeutet dieser Artikel, dass die SuisseID in Zukunft nötig sein werden könnte, um überhaupt ins Internet zu kommen. Nur so, kann ein Provider, meines Erachtens das Erfordernis des Art 22. erfüllen.
 

Es sieht nun leider fast so aus, dass meine Befürchtungen betr. SuisseID und was eigentlich dahinter steckt, eben doch nicht so daneben waren.

Der vorgeschlagene Gesetzestext kann hier eingesehen werden (PDF).
Ich bin nun gespannt, wie Vernehmlassungsantworten aussehen werden und wie die Piraten Partei Schweiz reagiert, die ja so wie aussieht nicht offiziell zu Adressaten für die Vernehmlassung gehören (Adressatenliste PDF).
Auf jeden Fall ist die Aussage in der offiziellen Pressemitteilung der Bundesbehörden ein Hohn, dass das Gesetzt nicht mehr, sondern nur bessere Überwachung mit sich bringe.
Diese Gesetztesrevision gehört wohl als Ganzes gebodigt, wir dürfen uns nicht einmal auf Details einlassen. Einfach weg damit. Das vorgeschlagene BÜPF ist ein Angriff auf unsere Bürgerrechte und darf auf keinen Fall so in Kraft treten. 

Der eigentliche Skandal in Sachen Internetüberwachung in der Schweiz

Die WOZ hat gestern Abend darüber berichtet, dass die Provider nun die technische Infrastruktur bereitstellen müssen, um die Echtzeit Überwachung des Internet Verkehrs zu ermöglichen. Einige Bloggerkollegen haben das Thema aufgenommen und weiterverbreitet (Annubis, BloggingTom, Karsten Füllhaas und der Journalistenschredder). Sogar in Deutschland bei heise online war der WOZ Artikel ein Thema und uch die neu gegründete Piraten Partei Schweiz arbeitet seit gestern Abend im Rahmen ihrer derzeit noch sehr beschränkten Möglichkeiten an einer Stellungnahme.

Damit es hier nun kein Missverständnis gibt: Ich habe mich gestern über den Überwachungsstaat Schweiz geärgert und ärgere mich noch immer.

Allerdings glaube ich nicht, dass wir hier einen neuen Skandal haben, denn im Gegensatz zum WOZ Artikel, habe ich den Eindruck, dass die rechtlichen Grundlagen gegeben sind, und dies schon seit einigen Jahren:

Im Bundesgesetzt betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) - SR 780.1 steht zwar nichts von Internet, da hat die WOZ recht, aber in der darauf aufbauenden Verordnung (VÜPF) - SR 780.11 steht alles klipp und klar drin und diese Verordnung wurde offenbar bereits 2001 in Kraft gesetzt. Im Parlament wurde auch des öftern über diese Verordnung gesprochen (Beispiele aus der Geschäftsdatenbank der Bundesversammlung hier und hier). Es ist also nicht, so, dass wir davon nichts hätten wissen können.

Und das ist doch der eigentliche Skandal: Wie ist es möglich, dass ein solches Bundesgesetz ohne Nebengeräusche einfach so im Parlament durchflutscht und sich niemand dagegen gewehrt hat? Wo waren unsere behördenkritischen Parlamentarierer auf der linken wie auf der rechten Seite als mit dem BÜPF diese Grundlagen geschaffen wurden. Wo waren unsere Wachhunde der sogenannten vierten Gewalt als die Verordnung in Kraft gesetzt und mehrmals auch im Parlament in Debatten erwähnt wurde?

Das ist der Grund warum wir offenbar eine Piraten Partei brauchen und warum ich dafür bin, diese Partei zu unterstützen, auch wenn noch vieles Unklar ist.