Die Schweiz ist kein Paradies für Piraten

Was Jürg Altwegg in der FAZ über die urheberrechtliche Situation in der Schweiz von sich gibt, entbehrt jeder Grundlage. Es fehlt mir allerdings die Zeit, hier im Detail auf alle Punkte einzugehen. 

Doch eines wollen klar und unmissverständlich festhalten: Die Schweiz ist in keiner Art und Weise ein Paradies für Piraten. Es gibt in der Schweiz keinen mir bekannten Fall von fortwährender gewerblicher Urheberrechtsverletzung, gegen welche die Rechteinhaber nicht vorgehen könnten. Im schweizerischen Urheberrechtsgesetz ist unter Art. 67 deutlich festgehalten, dass Verletzungen des Urheberrechts strafbar sind.

Was die US-Unterhaltungsindustrie möchte, sind zum Beispiel Netzsperren von unliebsamen Websites, deren Server bzw. Verantwortliche sich im Ausland befinden. Massnahmen, die meines Wissens auch in Deutschland nicht gerade beliebt wären.

Herr Altwegg fragt sich dann am Ende des Artikels, ob der Umstand, dass wir auf dieser Watchlist eines Kongressausschusses sind, den politischen Prozess im Bezug auf die Umsetzung der Vorschläge der AGUR12 beschleunigen würde. Wer solche Hoffnungen hegt, zeigt ein äusserst fragwürdiges Demokratieverständnis. Es kann ja wohl nicht sein, dass die Schweiz ihren Gesetzgebungsprozess beschleunigt, nur weil ein paar Kongressabgeordnete in den USA sich von der Lobby der Unterhaltungsindustrie dazu haben hinreissen lassen, uns auf ihrer Liste stehen zu lassen.

Anti-Piraterie-Gremium im US-Kongress findet keinen Gefallen am AGUR12-Fahrplan

Der "International Creativity and Theft-Prevention Caucus" des US-Kongresses hat seine Watchlist 2014 veröffentlicht. Die Schweiz ist wird seit 2012 auf dieser Liste geführt. Der Grund warum wir trotz AGUR12 und rundem Tisch mit dem SECO immer noch auf dieser Liste sind, liegt daran, dass der US-Unterhaltungsindustrie unser Gesetzgebungsprozess offenbar zu lange dauert und dass es noch nicht sicher ist, dass ihre Wünsche dereinst erfüllt werden: 

«The Caucus appreciates willingness of the Swiss government to engage in frank and forthright discussions regarding their placement on the Watch List and the climate for intellectual property protections. However, the timeline provided to take steps to bring Switzerland back up to international standards for protection of copyright is insufficient to address the Caucus’s concerns. Most recently, the Swiss government announced in June 2014 that a proposal will not  be put before the legislature until late 2015 at the earliest. The Caucus cannot remove Switzerland from the 2014 Watch List based on such a protracted timeline, with the end result far from guaranteed.»

Hierzulande wird von den Befürwortern der AGU12-Massnahmen ja immer wieder behauptet, dass die vorgeschlagenen Gesetze zur Überwachung von P2P-Netzwerken und Einrichtung von Netzsperren nichts mit den USA zu tun hätten, sondern für Kulturschaffenden der Schweiz geschaffen werden sollen. Die Druckversuche aus den USA zeigen allerdings ein ganz anderes Bild. Die ganze Kampagne zur AGUR12 reiht sich ein in die Geschichte der weltweiten Urheberrechtsanpassungen, die immer zugunsten der Unterhaltungsriesen durchgeführt wurden und auch immer von diesen getrieben waren. Es geht dabei nie um die Künstler sondern einfach um sehr viel Geld welches bei einigen wenigen grossen Kapitalgesellschaften gesammelt wird. 

Wir müssen uns in der Schweiz fragen, ob es die Aufgabe der Politik ist, dafür zu sorgen, dass in der Schweiz eine rege und vielfältige kulturelle Szene existieren kann, oder ob die weltweiten Grosskonzerne der Unterhaltungsindustrie ihre veralteten Geschäftsmodelle aus dem 20. Jahrhundert ungestört durchdrücken können, unbeachtet der dabei entstehenden Kollateralschäden.

Weitere Links zum Thema

(Danke @kusito für den Hinweis)

Kassensturz zum AGUR12 Bericht - Ueli Schmezer auf Abwegen

Martin Steiger, Ueli Schmezer & Christoph Trummer im Kassensturz vom 13.5.2014

Martin Steiger, Ueli Schmezer & Christoph Trummer im Kassensturz vom 13.5.2014

Der Kassensturz hat gestern einen Beitrag zu den Forderungen aus dem AGUR12-Bericht gesendet. Ueli Schmezer, selber Musiker, ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht Partei für die Konsumenten sondern für die andere Seite. Eigentlich eine ziemliche Frechheit, ein Sendegefäss, welches sich per Definition als Anwalt für die Konsumenten versteht so offensichtlich gegen die eigene Klientel und für die eigenen Interessen einzusetzen. Wenigstens gab es am Ende des Beitrags noch ein kurzes aber aufschlussreiches Streitgespräch zwischen Martin Steiger von der Digitalen Allmend und Christoph Trummer vom Verein Musikschaffende Schweiz*.

Als Ergänzung zum Beitrag möchte ich hier ein paar Äusserungen aus dem Beitrag kommentieren.

Ueli Schmezer beginnt mit der Aussage, dass der Film Rio 2, der offenbar momentan in den Kinos läuft, bereits auch im Netz in bester Qualität gefunden werden kann:

"Diesen Film kann man aber schon jetzt ganz bequem bei sich auf dem Computer schauen..."

Damit bringt er das Problem auf den Punkt: Es gibt Menschen, die wollen "ganz bequem" zuhause einen Film schauen und nicht ins Kino gehen. Und es gibt andere, die finden das Kinoerlebnis fantastisch. Aber es will sich niemand mehr den Kanal vorschreiben lassen, den er nutzt, um einen Film zu konsumieren.

Dass es unzählige Europäer gibt, die sich ein Netflix-Abo leisten und zusätzlich noch Geld ausgeben müssen, um das Geo-Blocking zum umgehen, zeigt doch dass die Zahlungsbereitschaft da ist. Das Problem liegt einzig und allein darin, dass die Filmindustrie nicht bereit ist, ihre bestehenden Verwertungsketten zu überdenken. Es ist ganz einfach. Gebt der ganzen Welt die Filme gleichzeitig, macht sie auf einfache Art und Weise kostenpflichtig verfügbar und das so genannte "Piraterie-Problem" ist gelöst.

Auch Musik sei in Form von Raubkopien einfach verfügbar:

"Wenn sie beispielsweise genau jetzt, heute Abend Musik von ihrer Lieblingsband gratis im Internet Downloaden wollen, dann werden Sie höchstwahrscheinlich problemlos eine Möglichkeit finden."

Das ist zwar richtig, aber völlig irrelevant. Denn ich finde heute höchstwahrscheinlich alles, was auf diesen Plattformen verfügbar ist auch bei legalen Angeboten kostenlos. Fast jeder Künstler ist heute mit seinen Songs zum Beispiel auf YouTube oder Spotify vertreten oder bietet Streams auf seiner Website an. Es ist gar nicht mehr nötig, auf solche Angebote zuzugreifen und interessanterweise, findet man dann das wirklich Rare und Spezielle weder auf den legalen noch auf den 'luschen' Plattformen. 

Als nächstes behauptet Ueli Schmezer, dass sich Kulturschaffende jetzt beginnen zur Wehr zu setzen, dabei weiss er selber ganz genau, dass diese ganze Kampagne von der USA-Dominierten Unterhaltungsindustrie getrieben ist und nicht erst "jetzt" beginnt, sondern schon seit langem im Gang ist. Er war selber vor einem Jahr als Moderator verschiedener Veranstaltungen tätig und hat sich auch dort als voreingenommen und parteiisch gezeigt.

*Sie (die Kulturschaffenden) sagen, es könne doch nicht sein, dass man ihnen ihre Werke einfach nimmt, ohne dafür zu bezahlen"

Bei dieser Aussage müssen wir die wichtige Frage stellen, ob die Werke der Schweizer Kulturschaffenden wirklich genommen werden, ohne dafür zu bezahlen? Das ist eine unbelegte Behauptung. Selbst wenn wir einen Lyrik-Band eines Schweizer Autors auf einer Sharing-Plattform finden würden, was äusserst unwahrscheinlich ist, heisst das noch lange nicht, dass ihm dadurch Umsatz entgangen ist. Solange die Schweizer Kulturschaffenden nicht bereit sind, Zahlen zu nennen, damit wir wissen, worüber wir sprechen, können wir genauso gut davon ausgehen, dass unserer Kultur kein Schaden entsteht. Auch Stephan Eicher wird kaum von Downloads aus illegalen Quellen Einkommenseinbussen verzeichnen. Wenn er weniger verkauft, dann vor allem darum, weil die Konkurrenz viel grösser geworden ist.

Später im Filmbeitrag kommt Lorenz Haas der IFPI Schweiz, des Verbandes der globalen Musikkonzerne zu Wort. Er findet, dass diejenigen die mit ihren Inhalten Geld verdienen, ohne ihnen etwas davon abzugeben, in Pflicht genommen werden müssen. Das ist legitim und auch verständlich. Nur kann es nicht sein, dass wir in der Schweiz, derartig massive Eigriffe wie Netzsperren und Netzüberwachung einrichten, nur weil die Musikindustrie es zu mühsam findet gegen die schwarzen Schafe juristisch vorzugehen. Fast alle Länder dieser Welt sind Mitglieder von weltweit gültigen internationalen Urheberrechtsabkommen. Dass diese auch funktionieren zeigt der Umstand dass laufend solche Angebote geschlossen werden. Die Juristen der Musikkonzerne haben genug Zeit um durch politisches Lobbing an geheimem runden Tischen ihre Interessen undemokratisch durchzusetzen, finden es aber zu mühsam in den Ländern, die sie selber in diese Vertragswerke drängen, Prozesse zu führen, wie es sich für eine demokratische und rechtsstaatliche Gesellschaft gehört.

 

*Disclosure: Ich bin Präsident des Vereins Digitale Allmend. Ich bin zwar nicht Mitglied bei den Musikschaffenden, habe aber mit dem Verein Musikschaffende zwei Workshops zum Thema "Monetarisierung von Musik im Internet" durchgeführt. Ich bin nicht dagegen, dass Künstler Geld verdienen und verstehe mich persönlich gut mit Christoph Trummer und vielen anderen Musikern und Kulturschaffenden der Schweiz. Mir geht es darum, dass wir die Verhältnisse im Auge behalten. Der Schaden für die Schweizer Kulturschaffenden ist mit grosser Wahrscheinlichkeit so gering, dass er für den einzelnen Künstler nicht ins Gewicht fällt. Bis jetzt sind sie es uns auf jeden Fall schuldig geblieben einmal zu beziffern, wieviel Einkommen ihnen tatsächlich durch die von ihnen behaupteten Probleme verloren gehen. Warum ist das wichtig? Weil wir eine Güterabwägung vornehmen können müssen. Immerhin schlägt die AGUR12 massive Eingriffe in unsere Bürgerrechte vor, da sollten wir schon darüber diskutieren dürfen, ob so etwas dann wirklich den Schweizer Kulturschaffenden nützt, die hier an vorderster Front für eine Verschärfung kämpfen, oder ob wir nicht besser nach anderen Lösungen suchen sollten.

Linkliste zur AGUR12 - Updated 8. Dezember 2013

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Die AGUR12 ist eine Arbeitsgruppe, die von Bundesrätin Simonetta Sommaruga ins Leben gerufen wurde und sich im Oktober 2012 das erste Mal getroffen hat. Die AGUR12 soll «bis Ende 2013 Möglichkeiten zur Anpassung des Urheberrechts an die technische Entwicklung aufzuzeigen.».

Dabei müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass diese Arbeitsgruppe aufgrund intensiven Lobbyings, insbesondere der Unterhaltungsindustrie, zustande gekommen ist, weil wir in der Schweiz eines der liberalsten Urheberrechte haben. Wir alle sind damit bisher gut gefahren und es gibt derzeit absolut keinen Grund die rechtliche Situation anzupassen.

Es werden bei uns zum Glück keine existenzbedrohenden Prozesse gegen Jugendliche und ihre Eltern geführt und trotzdem sind für die Schweizer Kulturschaffenden keine nennenswerten Verluste von Einnahmen durch Verstösse gegen das Urheberrecht zu verzeichnen. Zumindest war bisher noch niemand in der Lage uns mal eine Zahl zu nennen, über die wir dann diskutieren könnten.

Die AGUR12 ist nur dem Anschein nach ausgewogen zusammengesetzt. In Wahrheit hat die Unterhaltungsindustrie dort das stärkste Gewicht und es spricht Bände, dass die Gruppe nicht bekannt geben will, welche 3 der 15 Mitglieder den Schlussbericht geschrieben haben. 

Nun denn, ich denke, die Diskussion um die Ergebnisse der AGUR12 bzw. um die Inhalte des Schlussberichtes wird uns noch eine Weile beschäftigen, darum werde ich hier eine Linkliste führen, damit wir uns einfach und schnell ein Bild über die Situation machen können. 

Diese Liste ist natürlich weder ausgewogen noch abschliessend. Es geht vor allem darum, die Stimmen denjenigen, die nicht zur Mitarbeit in  der Arbeitrgruppe eingeladen wurden, aber massgeblich von den Ergebnissen betroffen sind, zu Wort kommen zu lassen. Wir, die das Internet täglich nutzen, wir, die das Kulturschaffen auf vielfältige Weise unterstützen, wir, die keinen Zensur- und Überwachungsstaat Schweiz wollen.

Wenn Ihr weitere Links kennt, die ich hier anfügen sollte, dann meldet Euch bitte, in den Kommentaren oder via Kontaktformular.

(Bild: Wikimedia Commons, Public Domain)

Urheberrechte behaupten, wo es keine gibt, am Beispiel e-manuscripta.ch

Eigentlich wollte ich darüber schreiben, dass es grossartig ist, dass mehr als 10'000 Bilder aus der Sammlung des berühmten Schweizer Kunsthistorikers Jacob Burckhardt, nun online verfügbar sindMeine Freude darüber wurde aber getrübt, als ich mich wie immer, darüber informierte, unter welchen Bedingungen diese Bilder im Netz frei gegeben werden. 

Vor kurzem durften wir ja erfahren, wie vorbildlich das Getty Musuem in Los Angeles ihre Bilder ins Netz stellt, als Open Content nämlich, ohne irgendwelche Bedingungen, und in höchstmöglicher Auflösung, wie es sich für Digitalisate von Werken deren Urheberrechtsschutz schon längstens abgelaufen ist gehört.

Nicht so beim Portal e-manuscripta.ch, einer Plattform die von der Zentralbibliothek Zürich, der Universitätsbibliothek Basel und der ETH Bibliothek betrieben wird. 

Dort steht in den Nutzungsbedingungen

Die auf der Plattform e-manuscripta.ch zugänglichen Digitalisate sind Reproduktionen von Dokumenten, die Eigentum der genannten Institutionen oder Dritter sind. Die Digitalisate sind Eigentum der jeweiligen Institutionen. ...Jede Form von Publikation (Print und online) oder kommerzieller Nutzung bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der jeweiligen Institution, die ggf. an weitere Rechteinhaber verweist.

Und etwas weiter unten können wir dann allerdings lesen: 

Die auf e-manuscripta.ch präsentierten Werke sind Digitalisate von in der Regel gemeinfreien Werken. 

Ja, was sollen wir denn nun damit anfangen. Die abgebildeten Werke sind also in der Regel gemeinfrei, während die Digitalisate, also die Abbildungen dieser Werke, es nicht sind?  

Ich bin zwar kein Jurist, aber meines Wissens reicht die Schöpfungshöhe einer einfachen Abbildung eines Werkes der bildenden Kunst nicht aus, um ein Urheberrecht zu begründen. Und ein Leistungschutzrecht, welches das Abfotografieren oder Scannen von gemeinfreien Werken schützt, gibt es zum Glück in der Schweiz (noch) nicht. Das heisst, eine Fotografie, bzw. ein Scan eines Werkes, das keinen Schutz mehr geniess, ist selbst auch nicht geschützt. Es wird zwar nirgends vom Urheberrecht geschrieben aber es wird behauptet, dass die Digitalisate Eigentum der jeweiligen Institutionen seien. Doch wie manifestiert sich das Eigentum an digitalen Daten? Ich denke schon, dass hier der Eindruck erweckt werden soll, dass es sich um eine Art Urheber- oder Leistungsschutz handelt, der hier geltend gemacht wird. Ich kann mir nicht vorstellen, mit welchen rechtlichen Argumenten, die hier angeführten Einschränkungen in der Schweiz durchgesetzt werden sollten. 

Es ist schade, dass die Schweizer Institutionen, die mit öffentlichen Mitteln unsere Schätze verwalten, uns diese nicht einfach so zur Verfügung stellen, wie es korrekt wäre und wie es private Organisationen, wie das Getty Museum in den USA vormachen

Aber trotzdem ist es natürlich toll, das es e-manuscripta.ch gibt und schön, dass dort nun auch Burckhardts Bilder zu finden sind

 

Für die SUISA ist Creative-Commons Einsatz unsozial!

Der Verein Digitale Allmend*, der auch den Lead für Creative Commons Schweiz führt, hat sich bei der SUISA wieder einmal kundig gemacht, ob es denn für deren Mitglieder möglich sei, einzelne Werke unter Creative Commons zu lizenzieren. (Hier sind die Fragen an und die Antworten von der SUISA)

Ich habe schon im Anschluss an meinen Vortrag am Parlamentarier-Dinner der Gruppe Digitale Nachhaltigkeit darauf aufmerksam gemacht, dass sich unsere Verwertungsgesellschaften, insbesondere die SUISA als Verhinderer einer grösseren Verbreitung der Creative-Commons Lizenzen gebärden. Damals wurde diese Aussage aus dem Publikum von den Vertetern ebendieser Gesellschaften lautstark dementiert und es stand Aussage gegen Aussage. (Hier ist das Video, ab 14:25 kommt meine Aussage und ab 15:26 kommt die Erwiderung von Herrn Läubli). Es ist leider ein beliebtes, wenn auch unfaires, rhetorisches Mittel, unliebsame Aussagen einfach zu neutralisieren, indem wider bessern Wissens behauptet wird, sie stimmen nicht. 

Wie wir nun aus den offiziellen Antworten der SUISA lesen können, ist es aber, wie ich damals gesagt habe, tatsächlich so, dass Mitglieder dieser Verwertungsgesellschaft keine Creative-Commons Lizenzen einsetzen können. Und weil mehr oder weniger, jeder, der in der Schweiz Musik produziert bzw. komponiert, bei der SUISA Mitglied ist,  kann sich diese Lizenzierungsform für Musik in der Schweiz auch nicht etablieren.

Ein Musiker oder eine Musikerin, die bei der SUISA Mitglied wird, muss alle Werke exklusiv über diese Gesellschaft verwerten lassen: 

Der Wahrnehmungsvertrag mit der SUISA hält fest, dass der Urheber alle seine Werke anmelden muss, bzw. die von der SUISA wahrzunehmenden Rechte an allen seinen (auch zukünftigen) Werken abtritt. 

Völlig Absurd ist dann aber die Begründung, warum die SUISA ihren Mitgliedern die Nutzung der Creative-Commons Lizenzen nicht erlauben will:  Es würden der Organisation durch die Unterstützung dieser Lizenzierungsform zusätzliche Aufwände entstehen, diese müssten alle Mitglieder, auch die, die keine CC-Lizenzen verwenden, zu gleichen Teilen mittragen und darum wäre eine solche Lösung unsozial [sic!].

Es zeigt sich einmal mehr, dass die Verwertungsgesellschaften nicht bereit sind, auch nur im geringsten auf die neuen Möglichkeiten und Veränderungen der vernetzen Welt einzugehen.  

Das IGE bzw. der Bund müsste hier m.E. aktiv werden und die Verwertungsgesellschaften dazu zwingen, ihren Mitgliedern die Verwendung von Creative-Commons  zu ermöglichen, ohne dass sie sich dabei im Bezug auf die anderen Services Nachteile vergegenwärtigen müssen.

Es ist einfach ein Witz, wenn eine Verwertungsgesellschaft auf der einen Seite zusammen mit ihren Kollegen in der AGUR12 drakonische Massnahmen fordert, die, wenn sie umgesetzt würden, das Internet, so wie wir es heute kennen, verschwinden lassen würde, gleichzeitig als Verhinderer eines Konzeptes auftritt, welches zumindest ein paar gute Antworten auf die Herausforderungen der Digitalisierung bereit hält.

(*Disclosure: Ich bin Präsident des Vereins Digitale Allmend und führe mit buch & netz einen Verlag der unter Creative-Commons Lizenzen publiziert) 

 

Wie das Urheberrecht die kulturellen Werke des 20. Jahrhunderts zum Verschwinden bringt

Die Befürworter eines strengen Urheberrechtsregimes mit langer Schutzdauer, so wie es sich heute darstellt und weiter verschärft werden soll, bringen neben vielen anderen oft auch folgendes Argument in die Debatte: Nur eine lange Schutzdauer kann sicherstellen, dass Werke auch veröffentlicht bleiben.

Als jemand, der sich mit kulturellen Produktionen beschäftigt, stelle ich allerdings fast täglich fest, dass insbesondere Nichenproduktionen sehr schnell von der Bildfläche verschwinden und dann aufgrund des Urheberrechtsschutzes, der bis 70 Jahre nach dem Tod des Autors anhält, nie mehr publiziert werden. So ist zum Beispiel mehr oder weniger das komplette Filmschaffen der Schweiz des 20. Jahrhunderts für die breite Öffentlichkeit nicht zugänglich. Es gibt offenbar keine oder zuwenige ökonomische Interessen, die Spiel- und Dokumentarfilme, aber auch die Radio- und TV-Produktionen digital zu verwerten, bzw. es ist, aufgrund der Rechtesituation schlicht zu aufwändig. Dasselbe gilt leider auch für die meisten Bücher und Musikaufnahmen.

Ich spreche hier nicht von HD-Läppli Filmen oder von Krokus-Alben, sondern von den vielen kleinen, bei der Erstveröffentlichung vielleicht weniger erfolgreichen Werken, die längst vergessen sind, aber einen unschätzbaren Wert für das Verständnis der jeweiligen Zeit darstellen. Jedes Werk, egal wie intensiv die Rezeption bei der Erstveröffentlichung war, stellt eine erhaltenswürdige Quelle zur Zeitgeschichte dar. Die Früchte menschlicher Kulturarbeit sind das Einzige was übrigbleibt, und bilden damit die wichtigsten Tore zu unserer Vergangenheit.

Erstmals wird nun durch eine interessante Studie auch empirisch belegt, was ich und viele andere seit langem intuitiv wahrnehmen: Das heutige Urheberrecht bringt Werke vor allem schnell wieder zum Verschwinden und sorgt nicht dafür, dass diese möglichst lange verfügbar bleiben. (How Copyright Makes Books and Music Disappear (and How Secondary Liability Rules Help Resurrect Old Songs, Paul J. Heald, 2013)

Heald schreibt im Abstract:

Copyright correlates significantly with the disappearance of works rather than with their availability. Shortly after works are created and proprietized, they tend to disappear from public view only to reappear in significantly increased numbers when they fall into the public domain and lose their owners.

Er zeigt, dass heute mehr als doppelt soviele Bücher aus dem Jahre 1890 verfügbar sind, als Bücher aus dem Jahre 1950, obwohl 1950 viel mehr Buchtitel als 1890 publiziert wurden.

In der Studie wird auch auf die Situation in der Musikbranche eingegangen und er kommt auch dort zum selben Schluss: 

In short, copyright seems to make both books and songs disappear.

Es ist nun natürlich so, dass dieser Effekt, insbesondere von der Content-Industrie, gewollt ist. Es herrscht die Meinung vor, dass es gut ist, wenn "das alte Zeugs" nicht verfügbar ist, denn auch jedes Stück Inhalt aus der Vergangenheit buhlt natürlich auch um das rare Gut Aufmerksamkeit.

Ich denke dagegen, dass es für die Autoren der Werke schleicht ist, wenn ihre Produktionen nicht verfügbar sind und es ist für die Gesellschaft schlecht, wenn sie sich nicht oder nur sehr eingeschränkt mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen kann.

Wir sollten darum die Schutzfristen des Urheberrechtes massiv verkürzen. Von heute 70 Jahre nach dem Tod des Autors, was völlig absurd ist, auf maximal 10 Jahre nach der Erstveröffentlichung des Werkes.

(Bild: © olly - Fotolia.com)

Kreativ & produktiv ohne geistiges Eigentum?

Eines der Mantras der Befürworter einer harten Linie im Bezug auf die Umsetzung und Durchsetzung von Urheberrechten heisst, dass ohne den Schutz des geistigen Eigentums kein Anzreiz zur Produktion von Kulturgütern bestehen würde. 

Diese Behauptung kann durch viele Beispiele zumindest in Frage gestellt werden und eines dieser Beispiele finden wir in der Modeindustrie. Johanna Blakley zeigt in diesem, zwar schon etwas älteren, aber nach wie vor aktuellen TEDxTalk von 2010 wie der Markt für Mode in den USA wunderbar funktioniert, obwohl das Design der Kleidungsstücke dort keinen Copyright-Schutz geniesst.

Absurde und unverschämte Sperrliste der Content-Industrie

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Nun ist sie also da, die Wunschliste der Websites, die die US-Amerikanische Unterhaltungsindustrie und ihre Schweizer Handlanger in der AGUR12 gerne gesperrt hätten. Der Chaos Computer Club Zürich hat die sogenannte Sperrliste der SAFE (Schweizerischen Vereinigung zum Kampf gegen die Piraterie )veröffentlicht. Sie wurde den Providern anlässlich eines Branchenevents, der kürzlich stattgefunden hat, ausgehändigt und kann hier eingesehen werden.

Es ist traurig zu sehen, dass wir überhaupt über solche unglaublichen Vorhaben diskutieren müssen. Die schlimmsten Befürchtungen haben sich leider klar und deutlich bestätigt. Durch die Netzsperren soll einfach alles, was der Industrie nicht passt, und zwar völlig unabhängig von der tatsächlichen rechtlichen Situation, gesperrt werden. Ich mache ein paar Beispiele.

Auf der Liste befindet sich Grooveshark, mit der zusätzlichen Bezeichnung "Illegal Streaming". Nun, Grooveshark wurde zwar in den USA von den grossen Majors verklagt, aber der Rechtsstreit ist noch nicht entschieden, und die Betreiberfirma die ganz offiziell in Florida und New York sitzt, darf die Website nach wie vor betreiben. Es kann zwar sein, dass am Ende die Content-Industrie ihre Prozesse gewinnt, aber derzeit sind die Würfel noch nicht gefallen. Trotzdem soll die Site, wenn es nach dem Gusto von SAFE ginge, in der Schweiz gesperrt werden, ohne rechtliche Grundlage, einfach weil sie es so wollen. 

Weiterhin befinden sich Websites auf der Liste, die es ermöglichen z.B. aus einem YouTube Video den Soundtrack zu extrahieren (sogenannte Stream-Ripper), also eine Art Aufnahmefunktion zur Verfügung stellen. Nun ist es sicher so, dass es dadurch möglich ist, zu einem MP3 File eines Songs zu kommen, der ja in der Regel legal auf YouTube verfügbar ist. Doch das verstößt nicht gegen geltendes Recht, höchstens gegen die Nutzungsbedingungen von YouTube. Nur der Umstand, dass ein solcher Service der Unterhaltungsbranche nicht genehm ist, kann doch kein Grund für eine Zugrifssperre für eine Website darstellen. Genausogut müssten dann Links zu Browsererweiterungen, die dasselbe ermöglichen, oder Links zu Anwendungen die die Aufnahme des Audiosystems es Computers ermöglichen, gesperrt werden. Dieser Logik folgend hätten man in den 1960er Jahren den Zeitungen auch verbieten müssen Anzeigen für Tonbandgeräte zu drucken.

Auch auf dieser Liste sind Websites zu finden, die zum weitaus grössten Teil legale Inhalte anbieten. Beispielsweise das Argentinische Forum "Taringa". Da dort die User aber über die Foren auch Links zu urheberrechtlich Geschützen Inhalte posten können, soll gleich die ganze Site gesperrt werden. Auch hier ist die Industrie im Betreiberland Argentinien rechtlich gegen die Site vorgegangen. Der Prozess wurde mit einem Vergleich beendet und die Website ist auf der ganzen Welt nach wie vor verfügbar und in der Spanisch sprechenden Community äusserst beliebt. Nun soll diese Website für die Schweizer Internet-Nutzer trotzdem einfach gesperrt werden.

Diese Liste zeigt ganz klar, wohin eine solche Regelung führt. Websites die einer kleinen Gruppe von Vertretern der Unterhaltungsindustrie nicht genehm sind und die in den Betreiberländern völlig legal verfügbar sind, sollen bei uns einfach gesperrt werden. Und bitte, wir sprechen hier nicht von sogenannten "Failed-States" ohne Rechtssystem, sondern von Ländern wie den USA, Argentinien oder Schweden.

Diese Sperrliste, die den Providern ausgehändigt wurde, dürfte ja nur einen kleinen Teil der Sites darstellen, die die Unterhaltungs-Industrie tatsächlich sperren lassen will.  Man stelle sich vor, wieviele Websites, die diesen Leuten nicht passen, vor uns verborgen werden sollen, wenn ein solches Regime erst einmal eingerichtet ist und diese Listen dann ja geheim sind. Willkür und Zensur sind Tür und Tor geöffnet. Wir dürfen das auf keinen Fall zulassen.

(Bild: © djama - Fotolia.com) 

Musikschaffende Schweiz und Piraten wollen öffentlich debattieren.

Wie der Sonntag am 23. September gemeldet hat, ist seit letztem Freitag die Website futureofmusic.ch online. Die Diskussionsplattform wird gemeinsam vom Verein Musikschaffende Schweiz und der Piratenpartei Schweiz in Deutsch und Französich betrieben.

Das Ziel wäre, das je 10 Vertreter der Musikschaffenden und der Piraten auf der deutschprachigen Version und je 5 auf der französischsprachigen Version Beiträge zur Debatte posten und dann von jedem der Mitmachen will, Statements und Kommentare dazu publiziert werden können.

Zurzeit fehlen auf Seiten der Musikschaffenden noch je 4 Namen für die beiden Sprachversionen um die Listen voll zu haben und bisher hat erst Andy Prinz das eine oder andere Wort ergriffen. Ich hoffe, dass in den nächsten Tagen und Wochen die Lücken noch gefüllt werden können und auch die anderen Musikschaffenden ihre Beiträge zur Debatte auf futureofmusic.ch publizieren, damit wir uns ersthaft mit den Argumenten auseinander setzen können.