Musikschaffende Schweiz und Piraten wollen öffentlich debattieren.

Wie der Sonntag am 23. September gemeldet hat, ist seit letztem Freitag die Website futureofmusic.ch online. Die Diskussionsplattform wird gemeinsam vom Verein Musikschaffende Schweiz und der Piratenpartei Schweiz in Deutsch und Französich betrieben.

Das Ziel wäre, das je 10 Vertreter der Musikschaffenden und der Piraten auf der deutschprachigen Version und je 5 auf der französischsprachigen Version Beiträge zur Debatte posten und dann von jedem der Mitmachen will, Statements und Kommentare dazu publiziert werden können.

Zurzeit fehlen auf Seiten der Musikschaffenden noch je 4 Namen für die beiden Sprachversionen um die Listen voll zu haben und bisher hat erst Andy Prinz das eine oder andere Wort ergriffen. Ich hoffe, dass in den nächsten Tagen und Wochen die Lücken noch gefüllt werden können und auch die anderen Musikschaffenden ihre Beiträge zur Debatte auf futureofmusic.ch publizieren, damit wir uns ersthaft mit den Argumenten auseinander setzen können.

Warum ich die Piratenpartei wähle und Euch dazu motivieren möchte, es mir gleich zu tun

Vor etwas mehr als 2 Jahren, am 12. Juli 2009, war ich an der Gründungsversammlung der Piraten Partei Schweiz in Zürich-Affoltern dabei, und bin seither einfaches Mitglied. Jetzt gilt es ernst! Am 23. Oktober 2011 finden bekannterweise die Eidgenössischen Parlamentswahlen statt und ich habe ja bereits versprochen zu schreiben, warum ich die Piraten wählen werde. Gestern sind die Wahlzettel bei mir angekommen, darum ist es jetzt an der Zeit dieses Versprechen einzulösen.

Die Piraten treten in verschiedenen Kantonen an und sie haben in den Kantonen Bern und Zürich auch Chancen auf jeweils einen Sitz. Der Erfolg der Piraten in Berlin hat gezeigt, dass es immer mehr Menschen gibt, die die Themen der Piraten wichtig finden; viele mehr, als bisher angenommen. Ich darf im Kanton Zürich wählen und ich werde hier wie gesagt auf jeden Fall die Piratenliste in die Urne legen. Mit diesem Blogbeitrag möchte ich Euch dazu motivieren, es mir gleich zu tun. Vor allem diejenigen unter Euch, die in den Kantonen Zürich oder Bern wohnen, sollten die Chance nutzen, mitzuhelfen, dass wir für nächste Legislaturperiode wenigstens eine oder gar zwei Stimmen im Nationalrat haben, die sich u.A. um folgende wichtigen Themen kümmern:

Netzneutralität

Stell Dir vor Du sitzt vor Deinem Computer oder an Deinem Handy und Du kannst nicht mehr davon ausgehen, dass Du alles was im Internet verfügbar wäre, auch zu sehen bekommst. Ganz einfach darum, weil Dein Provider z.B. von bestimmten Inhalteanbietern Geld nimmt, um dessen Daten den Vorzug zu geben, oder weil die Behörden bestimmte Inhalte sperren. Teilweise ist es ja leider bereits heute so, dass Du auf viele Inhalte, die im Ausland verfügbar sind, nicht zugreifen kannst, weil die Anbieter dies abhängig von Deinem Standort verhindern können.

Richtig problematisch wird es aber, wenn der Zugangsanbieter solche Eingriffe vornimmt. Einfach ausgedrückt, sollte es nicht soweit kommen, dass die Organisationen, die die Verfügungsmacht über die Leitungen bzw. die Netze besitzen, auch darüber entscheiden, welche Inhalte übertragen werden können. Um dies zu verhindern, muss die Netzneutralität in der Verfassung festgeschrieben werden und bis das soweit ist, ist es äusserst wichtig, dass sich jemand um dieses Thema kümmert und während der Gesetzgebungsprozesse ein wachsames Auge darauf hält, dass nirgends Fakten geschaffen werden, die eine spätere Diskussion um die Netzneutralität erschweren würden.

Zugang zum Netz

Rund um uns herum werden Gesetze erlassen oder diskutiert, die den Verwertern der geistigen Monopolrechte, den grossen Unterhaltungskonzernen also, weitreichende Möglichkeiten zur Überwachung Deiner Netzaktivitäten bis hin zur temporären Sperrung Deines Internet Zugangs ermöglichen (Beispiel: Frankreich Loi Hadopi). Das wäre etwa so, wie wenn man einem Verkehrssünder nicht nur den Fahrausweis entziehen, sondern ihm auch die Benützung des gesamten Verkehrssystem verbieten würde. Ein unglaublicher Verhältnisblödsinn, welcher vor allem zeigt, wieviel gesetzgeberischen Einfluss sich die Unterhaltungsindustrie bereits verschaffen konnte.

Der Internetzugang ist nun aber mittlerweile so grundlegend wichtig geworden, dass es keine Gesetze geben darf, die diesen Zugang verhindern. Im Gegenteil es muss alles daran gesetzt werden, dass alle Menschen immer und überall zu tiefsten kosten online sein können. Es braucht Stimmen im Parlament, die bei jeder Gelegenheit daran erinnern.

Überwachungsstaat

Manchmal könnte man denken, die Fichenaffäre Ende 1980er / Anfang 1990er Jahre hätte gar nicht stattgefunden. In grossen Schritten wurde der staatliche Überwachungs- und Bevormundungsapparat mit der Begründung, die Sicherheit für uns zu erhöhen, in den letzten Jahren ausgebaut, und ein Ende ist keineswegs in Sicht. So steht zum Beispiel die Revision des Bundesgesetztes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) an, die die bereits bestehenden Überwachungsmöglichkeiten sowie die Infrastruktur massiv ausweiten soll. Oder es werden internationale Verträge wie das ACTA Statement, welches vor allem auf staatliche Verfolgung von Urheberrechtsverstössen und damit auf den Ausbau der Überwachungsinfrastruktur drängt, in der Dunkelkammer verhandelt und unterschrieben. Auf die klassische Linke, die früher Opfer des staatsschützerischen Übereifers war, ist heute im Kampf gegen Big Brother kein Verlass mehr und auch die FDP, die aufgrund ihrer liberalen Grundidee ja eigentlich gehen solche Auswüchse sein müsste, setzt im Zweifelsfalle auf den Apparat. Es braucht unbedingt Piratenstimmen im Parlament, die aufzeigen, auf welchem Irrweg wir uns befinden.

Open Access

Die Absurdität der Art und Weise, wie Forschungsergebnisse, die durch öffentlichen Gelder finanziert sind, verwertet werden, ist kaum zu überbieten: An den Universitäten, Fachhochschulen und Instituten wird durch die öffentliche Hand finanziert geforscht. Die Forschungsergebnisse werden aber nicht direkt wieder der Gesellschaft zur Verfügung gestellt, sondern kostenlos an private Wissenschaftsverlage abgegeben. Selbige verfügen nun über die Publikationsrechte an den Forschungsergebnissen und verkaufen diese in Form von elektronischen Zeitschriften und Datenbanken wieder an dieselben Universitäten und Institute für teures Geld zurück, damit die Forschung überhaupt weitergehen und neue Ergebnisse für die Verlage produzieren kann. Das Wissenschaftsverlagswesen ist eine skandalöse Verschwendung öffentlicher Mittel.

Mit dem Open Access Konnzept könnte das Problem weitgehen gelöst werden. Glücklicherweise sieht es die Forschungscommunity grösstenteils auch so und viele Akademische Institutionen bekennnen sich bereits zum Open Access Ansatz. Die Lobbyisten der Verwerter der geistigen Monopolrechte werden sich dieses schöne Stück Steuergeld aber kaum kampflos wegnehmen lassen, wie auch die letzte Urheberrechtsrevision in Deutschland gezeigt hat (PDF, Kuhlen 2008). Darum ist es wichtig im Parlament Menschen zu haben, die auf diese Alternativ-Konzepte hinweisen, die den anderen Politikern oft nicht bekannt sind.

Open Government Data

Neben den oben erwähnten Forschungsergebnissen gibt es noch sehr viele weitere Daten, die eigentlich der Öffentlichkeit gehören, dieser aber nicht zugänglich sind. Das geschieht zumeist nicht durch böse Absicht, sondern eher durch wenig Interesse oder fehlendes Wissen der zuständigen Politiker und Behörden. Die Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit hat hier sicher schon viel bewirken können und die Open Data Bewegung in der Schweiz ist gut mit den Behörden vernetzt, aber bei diesen Themen kann es nur besser werden, wenn zusätzlich noch ein, zwei Piratenstimmen gehört werden. Es ist wichtig, dass möglichst viele Daten, möglichst vielen Menschen zur Verfügung stehen. Je mehr Menschen sich um ein besimmtes Problem kümmern können, desto grösser sind die Chancen, dass gute Lösungen gefunden werden.

Informationelle Selbstbestimmung

Wir geben immer mehr Informationen über uns und unser Verhalten im Internet preis, und dies tun wir auch aus guten Gründen. Es ist sinnvoll und nützlich solche Informationen zu teilen, und die interessanten Möglichkeiten die sich daraus ergeben sind erst in Ansätzen sichtbar. Das Hauptproblem dabei ist aber, dass wir oft den Zugang zu diesen, unseren Daten selbst nicht erhalten. Sei dies nun bei wirtschaftlichen bzw. privaten oder bei behördlichen Datensammlungen. Mein Einkaufsverhalten via Cumulus oder Coop Supercard zu tracken und messen wäre eigentlich sinnvoll, wenn ich mit diesen Daten auch selbst arbeiten könnte. Wenn Google, Facebook, Apple & Co Daten von uns erhalten, ist das okay, aber wir sollten den Zugang zu diesen Daten genauso erhalten. Wenn Behörden über uns Datensammlungen anlegen, sollten wir diese auch selber prüfen und verwerten können, usw. Und ich muss alle diese Daten jederzeit löschen lassen können, mindestens in den Datenbanken, in welchen Sie angelegt wurden, auch wenn ich die Daten freiwillig verfügbar gemacht habe. Wir brauchen eine Kultur, in welcher ich jederzeit selber bestimmen kann, welche persönlichen Daten ich mit wem teile, und ich jederzeit auch auf die Datenbanken zugreifen kann, in welchen Daten von mir und über mich gespeichert sind.

Das Recht auf Anonymität

Wenn ich durch die Strassen von Zürich gehe, erwartet niemand von mir, dass ich mit Namen angeschrieben bin und dass ich mich bei jedem Betreten eines Ortes ausweise, und jeden Satz den ich von mir gebe protokolliere und mit meinem Namen unterschreibe. Es würde wohl auch nicht gerade gefallen, wenn zum Beispiel in einem Café der Wirt oder die Wirtin alles mitschreiben würden, was am ihrem Ort des Zusammentreffens so geschieht. Wer ist wann hereingekommen? Wie lange? Mit wem gesprochen? Welches Thema, usw.? Genau dies aber geschieht zum Teil bereits heute im Internet, und es gibt starke Kräfte die noch viel weiter gehen wollen. Die Pflicht zur Identifikation im Netz ist nahe. Das ist eine äusserst gefährliche Entwicklung und wird sehr schwierig Rückgängig zu machen sein, wenn das mal eingerichtet ist. Darum braucht es Leute, wie die Piraten, die möglichst viele Politker der anderen Parteien auf die Gefahren dieser Entwicklung für die offene Gesellschaft aufmerksam machen.

Ein-Thema-Partei?

Ich höre immer wieder den Vorwurf, dass die Piraten nur eine Ein-Thema-Partei seien und dass die Politik ja viele andere wichtigere Issues zu bearbeiten hätte, von welchen diese Leute entweder selbst keine Ahnung haben oder aber wir als Wähler mindestens nicht wissen, wie sie dazu stehen.

Grundsätzlich stimmt der erste Teil dieses Einwandes. Die Piraten haben sich auf einen Teilaspekt der Politik konzentriert. Das ist aber nicht per se schlecht, denn es handelt sich dabei um einen Aspekt, der eigentlich hohe Aufmerksamkeit verdient hätte. Es geht schliesslich um die politische Begleitung und Mitgestaltung eines ziemlich wichtigen gesellschaftlichen Veränderungsprozesses.

Die Situation der Piraten ist vergleichbar mit der Situation der Grünen in den 80er Jahren. Sie haben die notwendigen Impulse gegeben, um Fragen des Umweltschutzes und der nachhaltigen Lebensweise in der politischen Landschaft zu verankern. Auch die Grünen waren damals eine kleine Minderheit und später die Exoten im Parlament. Aber sie waren wichtig. Nur schon, weil es für den politischen Prozess gut ist, auch einige der Minderheitenstimmen im Parlament zu haben, ist es sinnvoll dieses mal die Piratenliste einzuwerfen und mitzuhelfen, dass der digitalpolitische Mainstream hin und wieder mit einer anderen Sichtweise konfrontiert wird.

Zum zweiten Teil ist zu sagen, dass die Piraten zwar bisher nicht ganz zu jedem politischen Thema Stellung bezogen haben, dass wir aber aus dem Parteiprogramm und den verschiedenen Positionen durchaus lesen können, wie die Grundhaltung der Piraten zu verstehen ist.

Die Piraten stehen, so meine Interpretation, für eine offene Gesellschaft, die es ihren Mitgliedern ermöglichen soll, mit gleichen Rechten und gleich langen Spiessen an den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Prozessen zu partizipieren. Das bedeutet: sie sind liberal in Fragen der Lebensgestaltung inkl. einer Wirtschaftsordnung, die den Einzelnen in Freiheit agieren lässt. Sie sind aber klar gegen schädliche Monopole und Oligopole, die darum durch regulativen Eingriff verhindert oder zerstört werden müssen und dort, wo sie unumgänglich sind, unter demokratische Kontrolle gestellt werden sollen.

Sie stehen für eine Demokratie die den Menschen als mündigen Staatsbürger ernst nimmt und ihn daher nicht bevormundet, ihn in die politischen Prozesse integriert, möglichst transparent informiert und den Dialog auf allen Ebenen vereinfacht und ermöglicht. Und sie stehen für die Idee, dass die digitale Revolution für die Gesellschaft mehr Chancen als Risiken bietet, sofern alle von den Errungenschaften dieser Entwicklung gleichermassen profitieren können. Das bedeutet insbesondere keinen staatlichen Schutz für Geschäftsmodelle die auf Zugangsbeschränkung und künstlicher Verknappung des wichtigsten Rohstoffes unserers Zeitalters, der Information, beruhen.

Ich denke darauf lässt sich aufbauen und auch ableiten, wie ungefähr die Piraten zu Themen stehen werden, für welche sie noch keine oder erst eine oberflächliche Position entwickelt haben. Vielleicht sei hier noch zu erwähnen, dass auch bei Parteien mit langer Tradition und ausformulierten Positionen zu allen Lebenslagen, viel Spielraum für Interpretaionen offen bleibt. Wenn Du also hauptsächlich deswegen zweifelst, die Piraten zu wählen, weil Du nicht weisst, wie sie in anderen Fragen stimmen werden, dann bedenke, dass Du das auch bei den etablierten Parteien nicht viel besser weisst. Ausser bei der SVP herrscht ja nirgends wirklich Fraktionszwang.

Verschwendete Stimmen?

Jacqueline Badran (SP), die ich mit Samuel Dubno (GLP) auf die Piratenliste panachieren werde, schreibt, dass die Wahl der Piraten Stimmenverschwendung sei, weil die Piraten nie und nimmer einen Sitz machen würden. Ich bin, bevor die Listenverbindungen im Kanton Zürich bekannt wurden, auch dieser Meinung gewesen. Die Piraten sind allerdings mit der Alternativen Liste, der PDA und den Konfessionslosen in Zürich eine äusserst sinnvolle Partnerschaft eingegangen. Wären sie einer der grösseren Listenverbindungen beigetreten, hätten sie wohl nur als Stimmenlieferant gedient, und wären dabei selber leer ausgegangen. Die aktuelle Lösung führt dazu, dass es im Kanton Zürich für die Piraten tatsächlich möglich ist, einen Sitz zu gewinnen. Vor allem, wenn Du auch mitmachst und die Piratenliste einwirfst! Wie sich die Situation in anderen Kantonen im Detail darstellt, habe ich nicht recherchiert. Man hört und liest aber da und dort, dass auch in anderen Kantonen, so zum Beispiel in Bern, ein Sitz im Bereich des Möglichen liegt.

Wenn die Listenverbindung der Piraten mit AL, PDA und den Konfessionslosen ca. 2.5% Wähleranteil im Kanton Zürich schafft, sollte das für einen Sitz reichen. Wenn die AL 1.5% beiträgt und wir den Konfessionslosen und der PDA, je 0.2% zusprechen fehlen nur noch 0.6%, die die Piraten bringen müssten, damit die Liste einen Sitz gewinnt. Wenn die Piraten mehr erreichen, braucht es entsprechend weniger Stimmen von den anderen. Damit dieser Sitz den Piraten und nicht der AL zufällt, müssen die Piraten mehr Stimmen als diese erreichen. Das Zielband für Zürich liegt also irgendwo zwischen 1.5% und 2.5%, was sicher nicht einfach, aber auch nicht unmöglich ist. Denken wir wieder an Berlin. Es ist nun einfach wichtig, dass wir, die wollen, dass in der nächsten Legislaturperiode oben erwähnten Themen grössere Bedeutung zukommt, die Piratenliste wählen.

Ich fasse zusammen: Wem es wichtig ist, dass die offene Gesellschaft durch die digitale Revolution gestärkt wird, und nicht nur einzelne Grosskonzerne und der Staatsaparat von den Möglichkeiten der modernen Kommunikationsinfrastruktur profitieren können, der wählt am 23. Oktober 2011 die Piratenpartei.

Keine Angst, es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass nach dem 23. Oktober das Parlament nur noch aus Piraten besteht. Wenn Du aber nicht mitmachst, kann es passieren, dass nicht einmal eine Stimme für die moderne digitale Gesellschaft nach Bern fährt. Es wird für die anderen Parteien genug andere Wähler und Wählerinnen geben, setze ein Zeichen und wähle Piraten!

Wir sehen uns an der Urne :-) Ahoi! 

 

Internetüberwachung / #abhörschlumpf - Wie weiter?

Nach der eher etwas lauen, allgemeinen Empörung zum Faktum, dass der Staat in naher Zukunft ohne viel Aufhebens den Internetverkehr eines jeden Anschlusses in Echtzeit überwachen wird, beginnt sich nun langsam der Widerstand zu organisieren. Zum Beispiel hier in dieser Facebook Gruppe.

Aus meiner Sicht führt der Königsweg zu einer Verbesserung der Situation nur über die Überarbeitung des BÜPF. Dort sollte insbesondere der Katalog der Delikte in Art.3, für welche eine Überwachung angeordnet werden kann, stark reduziert, sowie die Echtzeitüberwachung explizit verboten werden. Weiterhin sollten die Kosten für jede Überwachung und für die Infrastruktur zur Überwachung vollständig von Bund & Kantonen übernommen und transparent gemacht werden müssen. Noch besser wäre ja eigentlich die ersatzlose Aufhebung des BÜPF, aber das ist ja keine Forderung mit Aussicht auf Erfolg, darum lassen wir das mal ;-).

Es braucht nun Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die sich dieser Sache annehmen, denn in der Bundesversammlung werden die Gesetze gemacht.

Da die Piratenpartei Schweiz nicht in der Bundesversammlung vertreten ist, sollte sie wenigstens die Federführung bei der Bildung eines möglichst breit abgestützten Komitees gegen die Echtzeitinternetüberwachung in der Schweiz übernehmen. Genau für solche Fälle wurde sie ja gegründet.

In diesem Komitee können die verschiedenen Aktivitäten transparent koordiniert und mit aktiven Parlamentariern die beste Vorgehensweise für eine rasche Gesetzesänderung erarbeitet und dann medial und inhaltlich begleitet werden.

Basis für ein solches Komitee könnte natürlich auch der, in der oben erwähnten Facebook Gruppe vorgeschlagene "Runde Tisch" sein. Wichtig finde ich erstens, dass der Fokus auf der möglichst raschen Realisierung einer Gesetzesänderung liegt, also auf einem konkreten Resultat und nicht auf Aktionen, die zwar vielleicht ein wenig Staub aufwirbeln, aber kaum etwas zu verändern vermögen. Und zweitens, dass wie erwähnt, Mitglieder der Bundesversammlung dabei sind, die wissen, wie der Mist zu führen ist.

Damit will ich nicht etwa sagen, dass Initiativen wie sie zum Beispiel von @bbswiss, @ugugu und @gisiger auf Twitter diskutiert wurden, falsch wären. Ich denke nur, dass ohne konkrete Forderungen und ohne Integration von eidgenössischen Parlamentarierinnen und Parlamentariern, kaum etwas erreicht werden kann. Das Thema ist für die meisten Menschen zu abstrakt, als das hier eine auch nur annähernd ernstzunehmende Bewegung aktiviert werden könnte. Oder anders gesagt: Wir haben es hier mit einem leisen Thema zu tun, darum konnte das auch soweit kommen. Es wird nur schwer möglich sein, daraus ein lautes zu machen.

Was meint Ihr? Welche Mitglieder des National- oder Ständerats wären dafür zu gewinnen, in dieser Sache aktiv zu werden? Welche habt Ihr gewählt? Welche kennt Ihr vielleicht auch persönlich?

Der Vergleich der Piraten Partei mit der früheren Internet Partei hinkt gewaltig

Es war natürlich abzusehen, dass die vor kurzem gegründeten Piraten Partei Schweiz mit der Internet Partei der 90er Jahre verglichen wird, wie wir zum Beispiel im Blog von Anubis nachlesen können.

Dieser Vergleich hinkt allerdings gewaltig. Die Internet Partei stand nicht für politische Inhalte, sie wollte eher die Methoden bzw. Prozesse der politischen Meinungsbildung durch Internet Werkzeuge verändern. Politische Parteien müssen aber Meinungen konsolidieren und diese dann durchzusetzen versuchen. Das hat die Internet Partei damals nicht verstanden. Darum ist sie auch innert kurzer Zeit wieder von der Bildfläche verschwunden.

Die Piraten Partei Schweiz dagegen steht für politische Inhalte bzw. Forderungen. Diese sind zwar noch nicht einfach auf der Links-Rechts Skala einzuordnen, und das kann verwirren. Auf jeden Fall aber wollen die Piraten einige ziemlich schwerwiegende Veränderungen unserer Gesellschaft und unseres Rechtssystem erreichen, beziehungsweise die einschneidenden Pläne von Etatisten und Oligopolisten der Contentindustrie durchkreuzen. Das sind im Gegensatz zur früheren Internet Partei wirkliche politische Inhalte, und diese zu disktutieren ist äusserst sinnvoll und wichtig.

PS: Wer es genauer wissen will, kann sich hier mal die Statuten der Piraten Partei Schweiz ansehen und diese mit den Statuten der damaligen Internet Partei vergleichen.

PPS: Es gibt übrigens noch eine weitere solche eher unpolitische Partei, wie die frühere Internet Partei, die Online Partei, die eigentlich eher ein Verband sein sollte.

Der eigentliche Skandal in Sachen Internetüberwachung in der Schweiz

Die WOZ hat gestern Abend darüber berichtet, dass die Provider nun die technische Infrastruktur bereitstellen müssen, um die Echtzeit Überwachung des Internet Verkehrs zu ermöglichen. Einige Bloggerkollegen haben das Thema aufgenommen und weiterverbreitet (Annubis, BloggingTom, Karsten Füllhaas und der Journalistenschredder). Sogar in Deutschland bei heise online war der WOZ Artikel ein Thema und uch die neu gegründete Piraten Partei Schweiz arbeitet seit gestern Abend im Rahmen ihrer derzeit noch sehr beschränkten Möglichkeiten an einer Stellungnahme.

Damit es hier nun kein Missverständnis gibt: Ich habe mich gestern über den Überwachungsstaat Schweiz geärgert und ärgere mich noch immer.

Allerdings glaube ich nicht, dass wir hier einen neuen Skandal haben, denn im Gegensatz zum WOZ Artikel, habe ich den Eindruck, dass die rechtlichen Grundlagen gegeben sind, und dies schon seit einigen Jahren:

Im Bundesgesetzt betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) - SR 780.1 steht zwar nichts von Internet, da hat die WOZ recht, aber in der darauf aufbauenden Verordnung (VÜPF) - SR 780.11 steht alles klipp und klar drin und diese Verordnung wurde offenbar bereits 2001 in Kraft gesetzt. Im Parlament wurde auch des öftern über diese Verordnung gesprochen (Beispiele aus der Geschäftsdatenbank der Bundesversammlung hier und hier). Es ist also nicht, so, dass wir davon nichts hätten wissen können.

Und das ist doch der eigentliche Skandal: Wie ist es möglich, dass ein solches Bundesgesetz ohne Nebengeräusche einfach so im Parlament durchflutscht und sich niemand dagegen gewehrt hat? Wo waren unsere behördenkritischen Parlamentarierer auf der linken wie auf der rechten Seite als mit dem BÜPF diese Grundlagen geschaffen wurden. Wo waren unsere Wachhunde der sogenannten vierten Gewalt als die Verordnung in Kraft gesetzt und mehrmals auch im Parlament in Debatten erwähnt wurde?

Das ist der Grund warum wir offenbar eine Piraten Partei brauchen und warum ich dafür bin, diese Partei zu unterstützen, auch wenn noch vieles Unklar ist.

Warum ich Gründungsmitglied der Piraten Partei Schweiz geworden bin.

Gestern Sonntag habe ich mich, wie etwa hundertzwanzig andere auch, nach Zürich-Affoltern aufgemacht um dort, durch Parteibetritt und Wählen eines Vorstands mitzuhelfen, die Piraten Partei Schweiz zum Leben zu erwecken. Ich bin jetzt seit langer Zeit wieder ein Parteimitglied; wer hätte das gedacht...

Die Kernanliegen der Piraten Partei Schweiz sind:

  • Den freien Zugang zu Wissen, Kultur und Medien zu fördern,
  • die Menschenrechte, Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung der Bevölkerung zu stärken,
  • eine lückenlose Transparenz der Staatsmacht herbeizuführen und
  • schädliche Monopole einzuschränken.


Jetzt kann man sich natürlich über den Namen streiten und sich fragen, ob es deswegen wirklich gleich eine politische Partei gebraucht hätte. Diese Fragen finde ich aber nicht wichtig.

Wichtig ist hingegen, dass es Menschen gibt, die versuchen, den immer lauter werdenden Rufen nach mehr staatlicher Zensur und Kontrolle im Internet, etwas entgegen zu halten. Die sich dagegen wehren, dass veraltete Konzepte wie dasjenige des "geistigen Eigentums" dazu misbraucht werden, Geschäftsmodelle zu schützen, die schlichtweg überflüssig geworden sind. Die politischen Einfluss geltend machen wollen um sicherzustellen, dass Wissen und Kultur frei für alle zugänglich ist und wir dadurch dem alten Ideal der Aufklärung; einer Gesellschaft, vorwiegend zusammengesetzt aus mündigen Staatsbürgern, einen Schritt näher kommen können.

Weil ich das alles sehr wichtig finde, bin ich gerne und voller Zuversicht Mitglied der Piraten Partei Schweiz geworden und ich bitte euch, es mir gleich zu tun, oder uns auf andere Weise zu unterstützen. Hier findet Ihr das vorläufige Anmeldeformular. (Ich weiss, dass ist jetzt seeeehhhrr einsnullig um nicht zu sagen #sheice, aber bevor jetzt jemand gleich darüber herzieht, nochmal: darum geht es im Moment nicht, Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden).

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