Korruption und Transparenz in der Schweiz

Gemäss dem neuesten Korruptionsbarometer von Transparancy International seien 43% der Schweizerinnen und Schweizer der Meinung, die Parteien seien korrupt.

In Demokratien werden die politischen Parteien korrekterweise als die wichtigen Akteure der Politik wahrgenommen und wenn man gefragt wird, welche Institutionen als korrupt eingestuft werden, ist dann mit diesen schnell einmal ein Sündenbock gefunden. Solange die Parteien und die Medien und nicht die Institutionen wie die Parlamente, die Behörden oder die Justiz als Korruptionsverdächtig gelten, kann man das wohl hautpsächlich als "Luft ablassen" interpretieren. Die globale Übersicht zeigt sehr schön, dass ziemlich in allen Demokratien die Parteien als die korruptesten Einheiten gelten.

7% der Befragten gaben an, sie hätten in den letzten 12 Monaten (seit der Befragung) Bestechungsgelder bezahlt, 6% behaupten gar, sie hätten das Justizsystem bestochen. Das sind zwar tiefe Werte, aber wären, wenn sie der Realität entsprechen würden, doch ziemlich krass. Ich denke, dass wir diesen Zahlen nicht allzuviel Bedeutung beimessen dürfen. Man hat in einer Umfrage schnell einmal etwas behauptet. Kleine Bemerkung am Rande: bei ca. 1000 Befragten, wären das ca. 60 Bürger, die sich selbst einer strafbaren Handlung bezichtigen. Wenn die Überwachungsmanie so weiter geht, wie bisher, würden in 10-20 Jahren die Strafverfolgungsbehören, wohl einfach auf die Daten der Umfragefirma zurückgreifen können und sich die 60 Bestecher herauspicken, wenn es sie denn gäbe.  

Wenn wir uns mit der Frage nach der Korruption in der Schweiz beschäftigen, dann sollten wir uns nicht auf Bestechung im klassischen Sinn konzentrieren, sondern mit der Frage, welche Gruppen und Einzelpersonen auf welche Weise Einfluss auf die politischen Prozesse, insbesondere die legislativen Prozesse einfluss nehmen.

Es ist glücklicherweise so, dass wir in der Schweiz kaum das Problem haben, dass ein paar Wenige die Geschicke des Landes zu ihren gunsten steuern können. Das sieht man auch sehr schön an den Antworten auf diese Frage, die zwar von Transparency International auch gestellt wurde, und auch im Report aufgeführt ist, allerdings auf der Website zum Bericht nicht publiziert wurde.

Das hat vor allem auch mit unseren föderalen Strukturen zu tun, die erstens weniger Grosses entstehen lassen und zweitens, durch die Kleinräumigkeit zwar die sogenannte "Vetternwirtschaft" fördern können, aber auch ein hohes Mass an sozialer Kontrolle beinhaltet. 

Nichtsdestotrotz ist es allerdings so, dass durch die zunehmende Regulierungsdichte auch immer mehr Interessengruppen von Gesetzen und Verordnungen betroffen sind und diese versuchen durch direkte Einflussnahme den Gesetzgebungsprozess zu ihren Gunsten zu steuern. 

Ich sehe schon, dass wir zum Thema Parteienfinanzierung eine offene Baustelle haben, aber ich glaube nicht, dass dies in der Schweiz das grösste Problem für die Gerechtigkeit des politischen Prozesses darstellt.

Viel wichtiger wäre es, Transparenz im Bezug auf die aktive politische Mitarbeit der Interessengruppen im Gesetzgebungsprozess herzustellen. Das würde zum Bespiel bedeuten, das Öffentlichkeitsprinzip massiv auszuweiten und auf alle politischen Prozesse und Akteure anzuwenden. Alle Sitzungen von Arbeitsgruppen und Kommissionen und allen anderen Institutionen in welchen Gesetze beratschlagt und Berichte vorbereitet werden, müssten öffentlich sein. Das müsste auch für jede Institution, die durch öffentliche Mittel finanziert ist, gelten. Geld spielt zwar eine Rolle in der Politik, aber der direkte Einfluss auf die Formulierung von Gesetzestexten noch viel mehr. Hier werden Fakten geschaffen, die dann jahrelang einen sehr grossen Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft haben.

Es wird immer wieder ins Felde geführt, dass eine Konsensfindung nicht mehr möglich sei, wenn die Diskussionen im Lichte der Öffentlichkeit stattfinden sollten. Ich sehe nicht ein, warum das so sein soll. Es wäre für jede Wählerin und für jeden Wähler gut zu wissen, welche Positionen die Abgeordnete oder der Behördenvertreter tatsächlich vertritt und warum er oder sie das tut.

Es wäre für die Öffentlichkeit sehr wichtig zu wissen, welche Argumente in den mündlichen Debatten von den Lobbyisten auf welche Weise vorgebracht werden. Wenn wir aus der Spirale der medialen Verkürzung der Argumente und Bewirtschaftung der Empörung wegkommen wollen, müssen wir wahrhaftig deliberative Prozesse einführen. Konsens ist nur dann wirklich gut, wenn er einem echten Aktzeptieren der gemeinsam gefundenen Argumente entspricht und nicht, wenn der Schwächere dem Stärkeren etwas Entgegenkommen abgerungen hat.

Wenn wir beginnen dem besseren Argument vorzug vor der stärkeren Lobbygruppe zu geben, würden vielleicht auch wieder mehr Menschen den politischen Akteuren mehr vertrauen schenken.

Dem Reporter bei der Arbeit zuschauen

Der freie Journalist Michalis Pantelouris (bloggt auf print-würgt.de) wird ab 21. Juli 2010 bei Neon.de über seine Recherchearbeit zu einer Geschichte über einen Todesfall mit Fragezeichen einer deutschen Musikerin in Griechenland berichten. Das Vorhaben hat im Vorfeld in den Kommentaren auf Neon viel Missbehagen und negative Kritiken provoziert. 

Die Idee, die journalistische Arbeit laufend zu dokumentieren und zu kommentieren finde ich spannend. Ob die Geschichte die richtige für ein solches Experiment ist? Darüber lässt sich in der Tat streiten. Ich werde allerdings trotzdem am dem 21.Juli hin und wieder da rein schauen.

Hier die Erklärung des Initiators zur Aktion und hier eine Analyse von Stefan Niggemeier.

Warum ich Gründungsmitglied der Piraten Partei Schweiz geworden bin.

Gestern Sonntag habe ich mich, wie etwa hundertzwanzig andere auch, nach Zürich-Affoltern aufgemacht um dort, durch Parteibetritt und Wählen eines Vorstands mitzuhelfen, die Piraten Partei Schweiz zum Leben zu erwecken. Ich bin jetzt seit langer Zeit wieder ein Parteimitglied; wer hätte das gedacht...

Die Kernanliegen der Piraten Partei Schweiz sind:

  • Den freien Zugang zu Wissen, Kultur und Medien zu fördern,
  • die Menschenrechte, Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung der Bevölkerung zu stärken,
  • eine lückenlose Transparenz der Staatsmacht herbeizuführen und
  • schädliche Monopole einzuschränken.


Jetzt kann man sich natürlich über den Namen streiten und sich fragen, ob es deswegen wirklich gleich eine politische Partei gebraucht hätte. Diese Fragen finde ich aber nicht wichtig.

Wichtig ist hingegen, dass es Menschen gibt, die versuchen, den immer lauter werdenden Rufen nach mehr staatlicher Zensur und Kontrolle im Internet, etwas entgegen zu halten. Die sich dagegen wehren, dass veraltete Konzepte wie dasjenige des "geistigen Eigentums" dazu misbraucht werden, Geschäftsmodelle zu schützen, die schlichtweg überflüssig geworden sind. Die politischen Einfluss geltend machen wollen um sicherzustellen, dass Wissen und Kultur frei für alle zugänglich ist und wir dadurch dem alten Ideal der Aufklärung; einer Gesellschaft, vorwiegend zusammengesetzt aus mündigen Staatsbürgern, einen Schritt näher kommen können.

Weil ich das alles sehr wichtig finde, bin ich gerne und voller Zuversicht Mitglied der Piraten Partei Schweiz geworden und ich bitte euch, es mir gleich zu tun, oder uns auf andere Weise zu unterstützen. Hier findet Ihr das vorläufige Anmeldeformular. (Ich weiss, dass ist jetzt seeeehhhrr einsnullig um nicht zu sagen #sheice, aber bevor jetzt jemand gleich darüber herzieht, nochmal: darum geht es im Moment nicht, Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden).

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Alptransit Gotthard AG lässt sich erpressen, mit dem Segen von Bundesrat Leuenberger

Das letzte grosse Neat-Projekt am Gotthard, mit einem Volumen von 1.69 Mia CHF, wurde im Frühling dieses Jahres nach Abschluss eines Ausschreibungsverfahrens an die Arbeitsgemeinschaft Transtec Gotthard vergeben. (SDA/AP Meldung auf NZZ Online vom 4.Mai 2007).

Das Schweizerische Bahntechnik-Konsortium (SBK), u.a. mit Implenia und Siemens, hatte sich auch um diesen Auftrag beworben. Das Konsortium hat gemäss Alptransit Gotthard den Zuschlag nicht erhalten, weil sie um 160 Mio Franken höher offeriert haben als ihr Mitbewerber.

Gegen diesen Entscheid der Alptransit Gotthard hat das unterlegene Konsortium Beschwerde eingereicht, was zu Verzögerung des Neat Bauprojektes führte und gemäss Medienberichten monatliche Kosten von 10 Mio Franken verursacht.

Gestern wurde nun mitgeteilt, dass das Konsortium die Beschwerde zurückziehe und dass die Alptransit im Gegenzug dem Konsortium 1 Mio CHF bezahle, für die Aufwände, die für die Offertstellung entstanden seien.

In der gedruckten Ausgabe der NZZ (leider nicht online verfügbar) steht zudem, dass auch die Gewinnerin der Ausschreibung die Transtec Gotthard dem Konsortium noch eine Entschädigung bezahlen wird. Die Höhe dieser Zahlung wird zwischen den Beteiligten ausgehandelt und nicht bekannt gegeben.

Bundesrat Leuernberger sei erleichtert über diese Einigung und sei froh, dass das Konsortium in staatsbürgerlicher Verantwortung gehandelt habe. Ständerat Hansrued Stadler (CVP,UR) sprach gar vom "grössten Weihnachtsgeschenk". Er ist Präsident der Neat-Aufsichtsdelegation. (news.ch, punkt.ch)

Auf den ersten Blick und angesichts der Kosten die ein langjähriger Gerichtsprozess verursacht hätte, mag diese Argumentation einleuchten. Doch wenn wir uns das genauer überlegen, ist das ein gefährliches Beispiel für zukünftige staatliche Ausschreibungen.

Die unterlegene Partei muss einfach Beschwerde einreichen. Dadurch wird sie Kosten verursachen, da eine Behandlung einer Beschwerde mehr Aufwand und eine zeitliche Verzögerung bedeutet. Wenn die Kosten einmal deklariert sind, kann die Beschwerdeführerin einen Preis nennen um die Beschwerde zurückzuziehen. Eine, durch ein soches Vorgehen erwirkte Zahlung, dürfen wir mit Fug und Recht Lösegeldzahlung nennen. Und das Vorgehen heisst normalerweise Erpressung. 

Nun wird in diesem Falle noch Argumentiert, dass die Zahlung für die Aufwände der Offerte, die entstanden seien, angebracht sei. Mit anderen Worten, die Million und was da von der Transtec-Gotthard noch dazu kommt, sei eine Entschädigung für die Offerte.

Die Ausgangslage in solchen Verfahren ist aber jeweils klar und es wird vom Auftraggeber im Voraus kommuniziert, ob für die Auwände, die für das Erstellen der Offerte entstehen, eine Entschädigung bezahlt wird oder nicht. Ich frage mich, ob eine solche nachträglichen Zahlung für die Offertaufwände im Rahmen eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens rechtens ist. Ist es doch für potentielle Offertsteller schon ziemlich wichtig zu wissen, ob noch eine Million für das Erstellen der Offerte bezahlt wird oder nicht, wenn man entscheidet ob man bei einer Ausschreibung mitmachen soll.

Vielleicht war es auch so, dass das Konsortium von der Alptransit Gotthard zu einem Rückzug der Beschwerde gedrängt wurde und der Vorschlag zur Bezahlung des Lösegeldes gar von der Alptransit Gotthard gekommen ist. Das würde es letztendlich auch nicht besser machen. Man kann es drehen und wenden wir man will. Das ist eine ziemlich unapetitliche Geschichte und sollte uns ein wenig nachdenklich stimmen über Moral, Verantwortung und darüber dass Regelwerke solche Werte meistens vernichten.

Caritas Schweiz: Transparenz nur auf Druck

Gemässs einem Artikel in der SonntagsZeitung vom 2.12.2007 werden in einer anonymen E-Mail ziemlich massive Vorwürfe gegenüber der Caritas Schweiz erhoben. Dabei werden skandalträchtige Begriffe wie "sexuelle Belästigung" oder "Korruption" eingesetzt.

Wie die Stellungnahme der Caritas, die auf der Website des Hilfswerkes publiziert wurde zeigt, gibt es wie immer verschiedene Sichtweisen der Sachlage.

Im Bezug auf das Vorgehen gegenüber des anonymen Autors (oder der Autorin?) des E-Mails bestätigt Jürg Krummenacher, der Direktor der Caritas, in seinem schreiben allerdings, dass eine straf- und zivilrechtliche Verfolgung angestrebt wird:

"Aus diesem Grund hat sich Caritas Schweiz entschieden, das gesamte Dossier mit allen Vorwürfen ihrem Vertrauensanwalt zu übergeben zur Einreichung einer Strafklage gegen die Urheberschaft der anonymen E-Mails. Darüber hinaus prüft der Anwalt im Auftrag von Caritas Schweiz zivilrechtliche Schritte, um die Urheberschaft für sämtliche Folgen zur Rechenschaft zu ziehen." (Jürg Krummenacher in seiner Stellungnahme vom 30.11.2007, PDF)

Caritas scheint hier offenbar ziemlich Mühe damit zu haben, dass in diesen Fällen, etwas mehr Transparenz geschaffen wurde.

Nicht die anonymen E-Mails sind doch problematisch, sondern vielmehr, dass diese Vorfälle erst durch diese E-Mails öffentlich wurden. Eine Organisation wie die Caritas Schweiz, die mit ihrem 100 Mio Budget, neben der eigentlichen Hilfstätigkeit auch gezielt auf verschiedene politische Debatten Einfluss nimmt, muss sich auf jeden Fall gefallen lassen, dass solche Verfehlungen in der Öffentlichkeit diskutiert werden.