Und noch ein historisches Ereignis: mehr als 15'000 Menschen abonnieren ein Online-Magazin - ohne es zu kennen

Krautreporter Screenshots und Logo

Krautreporter Screenshots und Logo

Auch für die Chronik, diesmal der Mediengeschichte. Die Krautreporter haben es, zugegebenermassen auch zu meinem Erstaunen, geschafft und heute die Hürde von 15'000 Unterstützern, die mindestens 60 Euro für ein Jahresabo bezahlen, erreicht. Somit sind 900'000 Euro für das erste Jahr für ein spannendes Projekt des Online-Journalismus durch Crowdfunding zusammen gekommen.  Herzliche Gratulation!

Wir sind gespannt darauf, welche Geschichten entstehen, wenn es den Journalistinnen und Journalisten darum geht, die Lesenden davon zu überzeugen, das Magazin auch weiterhin zu abonnieren und nicht darum möglichst viele Seitenabrufe zu erzeugen um Werbung zu verkaufen.

Ich bin weit davon entfernt, Werbung als sinnvolle Finanzierungsquelle des Online-Journalismus zu verteufeln. Im Gegenteil, das Projekt watson.ch zeigt, dass auch werbefinanzierte Plattformen gutem Journalismus einen fruchtbaren Nährboden bieten können.

Das Netz bietet eine Vielfalt von verschiedenen Modellen. Alle haben Ihre Vor- und Nachteile. Das schöne ist, sie beissen sich nicht und können problemlos neben- und miteinander gedeihen. 

Huffington Post Deutschland: Welcome und viel Erfolg

Heute wollen wir festhalten, dass wir einen wichtigen Tag für das deutschsprachige Netz erleben. Die Huffington Post hat unter viel vorausgehender Kritik ihren Ableger in Deutschland gestartet und wir können aus guten Grünen hoffen, dass die hiesige Blogosphäre dadurch einen wichtigen Impuls erhält.

Es ist eigentlich traurig, dass es keines der bestehenden Zeitungsportale gewagt hat, Plattformen zu schaffen die ihren Leserinnen und Leser echte Beteiligung ermöglichen. Lieber lästert man über die Qualität der Kommentare, drückt das unsinnige Leistungsschutzrecht durch und hofft, dass irgendwann einmal alle News hinter Paywalls publiziert werden und die alte Welt dann wieder in Ordnung ist.

Wir freuen uns darüber, dass nun endlich auch hierzulande etwas anderes versucht wird, als einfach nur die Zeitung auf den Bildschirm zu drucken und wünschen der HuffPost in Deutschland auf jeden Fall viel Erfolg.

Wenn Kulturjournalisten auch PR-Manager sind

Wenn Kulturjournalisten auch PR-Manager sind

In der gedruckten NZZ von heute, wie auch online, ist ein Beitrag erschienen, der die Kultur des "Do-it-yourself" in der Welt der Pop-Musik zu analysieren vorgibt. 

Die Autorin kommt im Artikel, zusammen mit einem Vertreter der Verwertungsgesellschaften, die derzeit in der AGUR12 darauf hinarbeiten eine Zensur- und Überwachungsinfrastruktur in der Schweiz aufzubauen, zum Schluss:

«Mit DIY 2.0 alleine nämlich hat noch niemand den Durchbruch geschafft.»

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Eine Rüge wegen Twitter, die nicht nur Journalisten betrifft.

Ein Journalist der SRG bekundet durch einen Tweet seine Sympathien für ein Kandidatur eines SP-Politikers und wird danach durch seinen Chefredaktor zurecht gewiesen, mit der Begründung, dass private Äusserungen immer auch in den Zusammenhang mit ihm als Berufsperson und damit auch mit seinem Arbeitgeber gebracht werden, was nicht erwünscht sei. Dieser Fall zeigt uns zwei problematische Haltungen, die in unserer Gesellschaft stark verankert sind.

 

  1. Ein Journalist hat objektiv zu sein.
  2. Ein Angestellter soll sich komplett der Organisationsdoktrin unterordnen und innerhalb der Organisation aufhören Individuum bzw. Mensch zu sein.

Der erste Punkt ist schnell erledigt. Es gibt keine Objektivität beim schreiben eines guten Textes. Es mag die Möglichkeit geben, sich selbst in kritischer Distanz zu üben, aber Objektivität im Sinne von Unvoreingenommenheit ist nicht einforderbar. Ein Journalist ist immer auch ein Mensch, der eine innere Haltung zu einem Thema entwickelt. Im besten Falle ist er sich dessen bewusst und analysiert seine eigene Situation und seine Standpunkte, aber er kann unmöglich "aus seiner Haut" schlüpfen und als seelenloses Wesen ohne persönlichen Bezug zum Inhalt einen guten Text schreiben. Es wäre darum viel besser, wir würden das akzeptieren und dafür von den Journalisten verlangen, dass sie transparent auf ihre eigene Haltung aufmerksam machen, so wie wir die Offenlegung von Interessenbindungen von politischen Akteuren erwarten. Damit würden die Vorwürfe der politischen Voreingenommenheit als Antwort auf einen Text keinen Sinn mehr machen, man könnte sich auf den Inhalt konzentrieren und Debatten führen, die uns weiterbringen.

Der zweite Punkt beinhaltet gewissermassen den ersten, geht aber noch viel weiter und betrifft nicht nur Medienschaffende, sondern auch Mitarbeitende der Behörden, Lehrerinnen und Lehrer, sowie Angestellte von grösseren Unternehmen, die unter einer gewissen öffentlichen Beobachtung stehen, sei dies, weil diese Unternehmen stark politisch reguliert werden, oder weil sie berühmte Marken besitzen oder verkörpern.

Alle diese Organisationen erwarten von Ihren Mitarbeitenden, dass sie sich auch im privaten Leben, im Sinne ihres Arbeitgebers verhalten. Das war schon immer so, und war schon immer problematisch, aber dadurch, dass in unserer Zeit durch Social Media, jeder und jede problemlos öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann, wird das Problem erst richtig sichtbar.

Die Grundlage dieses Übels beginnt bei der Unterscheidung zwischen dem privaten Menschen und dem professionellen Arbeitnehmer. Der professionelle Arbeitnehmer, so wird allgemein gefordert, soll in seinem Arbeitsumfeld alle seine privaten Eigenschaften ablegen (ausser denen natürlich, die dem Unternehmen nützen) und auf keinen Fall seine spirituellen, politischen oder gesellschaftlichen Ansichten mit in den Betrieb nehmen. So wird einem schnell gelehrt, dass auch bei Zusammenkünften, die eher dem privaten Leben entlehnt wurden, wie interne Abschiedsfeiern oder Begrüssungsapéros oder ganz allgemein Anlässe an welchem professionelle Arbeitnehmer in informellem Rahmen zusammenkommen, keine politischen Äusserungen erwünscht sind.

Ich bin der Meinung, dass das falsch ist, und dass es zur moralischen Bildung des Menschen gehört, möglichst oft mit anderen Meinungen auch zu kontroversen Themen konfrontiert zu werden. Weiterhin muss es so sein, dass Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Ansichten zusammenarbeiten und zusammenleben können müssen. Dass sollte aber nicht dadurch erreicht werden, indem der eigentliche Mensch, hinter einer "Maske des Haltungslosen" verschwindet, sondern dadurch, dass gegenseitiger Respekt bei gleichzeitiger Kritikfähigkeit gelebt wird. 

Bis vor kurzem, war das Problem des Anspruches auf die totale Unterordnung des eigenen Ichs meistens nur auf die Arbeits- bzw. Anwesensheitszeiten beschränkt. Einzig ein paar wenige prominente Angestellte, wie z.B. Exekutivmitglieder mussten auch aufpassen, was sie in ihrer Freizeit sagten und taten. Durch die Social Media sind nun plötzlich alle Betroffen, die auch einen Twitter oder Google+ Account haben oder gar einen Blog betreiben und gleichzeitig von einer Organisation Lohn beziehen.

Immer öfter wird gefordert, wie in dem hier eingangs geschilderten Fall, dass private Social Media Accounts auch im Sinne des Arbeitgebers zu nutzen sind. Für viele klingt das einleuchtend, doch sollten wir uns klar machen, dass damit gleichzeitig gefordert wird, dass das Individuum keine politische, spirituelle oder gesellschaftliche Haltung mehr zeigen darf, ja ganz allgemein nichts mehr äussern soll, was in irgendeiner Weise für irgendjemanden als kontrovers gelten könnte.

Das Individuum soll im Kollektiv verschwinden. Die öffentliche Diskussion der Social-Media-Bürger soll sich auf das Baby der brittischen Königsfamilie beschränken, aber nicht um Fragen kreisen wie etwa der was gut und was falsch ist oder wie wir unsere Umwelt gestalten wollen.

Dieser Forderung nachzugeben würde bedeuten, dem postdemokratischen Elitismus den roten Teppich auszurollen und die gerade sich entwickelnde neue politische Öffentlichkeit der vernetzten Bürger und Bürgerinnen im Keime zu ersticken. Darum: lasst uns politisch sein, Haltung zeigen und zur Debatte stellen was wir denken, immer und überall.

(Bild: © Rudie - Fotolia.com)

Journalisten sind auch nur Menschen, bzw. Racheengel.

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Der Artikel von Stefan Betschon "Das Waterloo des Guerilla-Marketing" in der NZZ wärmt die Diskussion um die Rolle der Blogger im Kommunikationsprozess der Unternehmen vom Sonntag vor einer Woche noch einmal auf.

Dazu gäbe es eigentlich nichts mehr zu sagen, wenn nicht am Schluss dieses Beitrages diese äusserst Bemerkenswerten Sätze stehen würden:

«Doch sobald sich diese Firmen eine Blösse geben, dürfte es vielen Journalisten schwerfallen, die Frustrationen zu vergessen, objektiv zu bleiben. Apple bekam das im Zusammenhang mit «Antennagate» zu spüren.»

Hier offenbart der Journalist, dass er eben auch nur ein Mensch ist, und es mit seiner so viel gepriesenen Objektivität in der Berichterstattung, die den Bloggern ja fehlt, nicht sehr weit her geholt ist.

So unverholen zu drohen, dass, wer nicht brav die Journaille streichelt und füttert, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit mit der medialen Rachekeule zu rechnen hat, ist ein schon starker Tobak; und so herrlich entlarvend. (via @kusito)

(BIld: © Sergey Oganesov - Fotolia.com) 

Wikileaks: Diese Ereignisse sollten uns aufhorchen lassen

Die US-Regierung begrüsst die Festnahme von Julian Assange, obwohl derzeit weder eine Anklage noch eine Haftbefehl im Zusammenhang mit den jüngsten Wikileaks-Veröffentlichungen vorliegen.

Visa, Mastercard, Paypal, und unsere Postfinance verweigern der Organisation und Julian Assange die Nutzung ihrer Infrastruktur und erschweren dadurch die Finanzierung von Wikileaks erheblich. Ohne einen Gerichtsbeschluss notabene, geschweige denn eine Verurteilung.

Amazon und andere Hoster, inkl. Hostpoint und Webland in der Schweiz lassen keine Speicherung von Wikileaks Daten zu, aus Angst vor Hackerattacken, wie es offiziell heisst.

Was hier geschieht kommt einem Verrat an einigen der wichtigsten Grundwerten unserer offenen und liberalen Gesellschaft gleich und sollte uns aufhorchen lassen.

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Dem Reporter bei der Arbeit zuschauen

Der freie Journalist Michalis Pantelouris (bloggt auf print-würgt.de) wird ab 21. Juli 2010 bei Neon.de über seine Recherchearbeit zu einer Geschichte über einen Todesfall mit Fragezeichen einer deutschen Musikerin in Griechenland berichten. Das Vorhaben hat im Vorfeld in den Kommentaren auf Neon viel Missbehagen und negative Kritiken provoziert. 

Die Idee, die journalistische Arbeit laufend zu dokumentieren und zu kommentieren finde ich spannend. Ob die Geschichte die richtige für ein solches Experiment ist? Darüber lässt sich in der Tat streiten. Ich werde allerdings trotzdem am dem 21.Juli hin und wieder da rein schauen.

Hier die Erklärung des Initiators zur Aktion und hier eine Analyse von Stefan Niggemeier.