Wer lernt was aus dem IKEAHackers-Fall?

Acht Jahre lang hat ein Fan von IKEA-Möbeln (ich wusste gar nicht, dass es das gibt) einen Blog unter der Domain Ikeahackers.net betrieben, in welchem sie darüber Berichtete, was die Nutzer der schwedischen Möbel auf der ganzen Welt alles damit anstellen. Die Site wurde zunehmend erfolgreicher und mit der Zeit ist sie offenbar auch zu ihrer Einkommensgrundlage geworden. Irgendwann war das Ganze den Markenwächtern von IKEA dann nicht mehr ganz geheuer und sie beschlossen, das Ding unter Ihre Kontrolle zu bringen.

Wie man das als grosse Kapitalgesellschaft so macht, sucht man nicht den Dialog, also das Gespräch zwischen Menschen, sondern regelt das 'professionell' mit einem sauber formulierten Schreiben, klaren Forderungen sowie den passenden Drohungen, sollte man dem Verlangen nicht nachkommen.

Blogger lernen: Don't play with brands.

Doch Jules Yap und ihre Fans sind Menschen und die fanden dieses Vorgehen nicht so toll. Sie haben sich empört und gemeckert und so im Netz viel "Meis" gemacht und prompt hat sich IKEA nach ein paar Tagen offenbar für den vorläufigen Rückzug entschieden

Unternehmen lernen: Don't mess with communities.

Allerdings müssen wir davon ausgehen, dass IKEA am Ende als Gewinnerin dastehen,und die Site, und wahrscheinlich auch die Bloggerin Jules Yap, unter ihre Kontrolle bringen wird.

Menschen lernen: Don't rely on brands.

Marken und Kapitalgesellschaften haben keine Seele. Sie interessieren sich nicht für Menschen und ihre Geschichten, sie tun nur so. Man sollte sich auf keinen Fall auf sie verlassen, geschweige denn sein Leben darauf aufbauen.

Wir müssen keine Experten sein, um an politischen Diskussionen teilzunehmen

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Politik ist die Gestaltung des gesellschaftlichen Raumes. Sie betrifft alle Menschen dieses Raumes, und in einer sinnvoll konzipierten Demokratie können sich möglichst viele Betroffene an dieser Gestaltung beteiligen.

Aus organisatorischen Gründen delegieren wir die operativen Tätigkeiten dieser Systemgestaltung an Repräsentanten, die wir direkt oder indirekt wählen. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns deswegen aus den politischen Diskussionen, die die Herausforderungen der Gesellschaftsgestaltung begleiten, verabschieden sollen.

Solche Diskussionen sind wichtig um eine eigene Haltung oder Meinung zu entwickeln, bzw. diese laufend zu konkretisieren und zu verbessern.

Wir wissen, wenn wir mit einem neuen Thema konfrontiert werden, äusserst wenig. Doch bereits mit diesen wenigen Informationen werden wir, zum grossen Teil unbewusst, ein erstes Urteil entwickeln. 

Es ist wichtig, sich besonders bei politischen Fragen, das eigene innere Urteil bewusst zu machen und die eigenen Begründungen aufzuspüren, die zu diesem Urteil geführt haben. Wenn wir uns nicht darum kümmern, laufen wir Gefahr, unbewusst oder bewusst, einem nicht selbst begründeten Urteil, nennen wir es Vorurteil, entsprechend zu handeln oder zu sprechen.

Sobald wir beginnen unseren Urteilen auf den Grund zu gehen, sehen wir, dass wir in der Regel wenig Handfestes zu bieten haben, die unsere Meinungen stützen und doch brauchen wir eine solche um Entscheidungen treffen zu können.

Darum ist es sinnvoll, sich klar zu machen, dass jede eigene Meinung, immer nur eine vorläufige sein kann, die aber solange durch die eigene Begründung vertreten werden soll, bis sie durch bessere Argumente revidiert oder gar fallen gelassen werden muss. 

Diese Erkenntnis führt dazu, dass wir unsere Begründungen formulieren und diskutieren müssen. Nur auf diese Weise, kann sich unsere Beurteilung einer politischen Frage weiter entwickeln. Unser Urteil wird dadurch immer vielschichtiger und besser abgestützt. 

Nun ist es natürlich so, dass es Menschen gibt, die sich mit einem bestimmten Thema viel intensiver und länger auseinander gesetzt haben, als andere Menschen. Wir nennen sie Experten. Viele sind Experten in bestimmten Bereichen, aber immer wird sich wohl jemand finden, der einen Aspekt noch tiefer analysiert hat, und damit für den konkreten Fall der bessere Experte ist.  Und wir können davon ausgehen, dass wir für jedes politische Problem mehrere Experten finden werden.

Doch das ist kein Grund, die Diskussion diesen Experten zu überlassen und zu schweigen. Als Staatsbürger müssen wir zu den wichtigen politischen Fragen eine eigene Meinung entwickeln, sonst können wir nicht sinnvoll am demokratischen Prozess teilnehmen. Dabei können Experten durchaus hilfreich sein, indem sie Argumente liefern, die wir mit den unsern konfrontieren können, und indem sie Aspekte beleuchten, die wir noch nicht beachtet haben. Doch erst, in der eigenen Auseinandersetzung mit den Expertenmeinungen kann sich unser Urteil entwickeln und diese Auseinandersetzung geschieht durch Diskussion. 

Aus diesen Gründen darf, ja soll man seine vorläufige Haltung zu jedem Thema, und weiss man noch so wenig darüber, darlegen und zur Diskussion anbieten. Es bleibt dann jeder und jedem selbst überlassen, sich darauf einzulassen und daran mitzuwachsen. 

(Dieser Beitrag wurde ausgelöst durch den Punkt 5 des Blogposts "Das wars" von Philippe Wampfler. )

(Bild: CC-BY 2.0, "talk to the expers" by Mai Lee on Flickr )

Journalisten sind auch nur Menschen, bzw. Racheengel.

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Der Artikel von Stefan Betschon "Das Waterloo des Guerilla-Marketing" in der NZZ wärmt die Diskussion um die Rolle der Blogger im Kommunikationsprozess der Unternehmen vom Sonntag vor einer Woche noch einmal auf.

Dazu gäbe es eigentlich nichts mehr zu sagen, wenn nicht am Schluss dieses Beitrages diese äusserst Bemerkenswerten Sätze stehen würden:

«Doch sobald sich diese Firmen eine Blösse geben, dürfte es vielen Journalisten schwerfallen, die Frustrationen zu vergessen, objektiv zu bleiben. Apple bekam das im Zusammenhang mit «Antennagate» zu spüren.»

Hier offenbart der Journalist, dass er eben auch nur ein Mensch ist, und es mit seiner so viel gepriesenen Objektivität in der Berichterstattung, die den Bloggern ja fehlt, nicht sehr weit her geholt ist.

So unverholen zu drohen, dass, wer nicht brav die Journaille streichelt und füttert, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit mit der medialen Rachekeule zu rechnen hat, ist ein schon starker Tobak; und so herrlich entlarvend. (via @kusito)

(BIld: © Sergey Oganesov - Fotolia.com) 

Wir brauchen keine Leitblogger und Leitbloggerinnen

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Eine ziemlich erfolgreiche aber weitgehend sinnfreie Kostenlos-Boulevardzeitung stellte kürzlich offenbar fest, dass es in der Schweiz keine Leitblogger und Leitbloggerinen gibt. Claude Longchamp behauptet das Gegenteil, und listet einige solche auf, Clemens Schuster stellt auch eine Liste zusammen und setzt noch die Definition des A-Bloggers aus der Wikipedia dazu, Philippe Wampfler, einer der genannten Superblogger, widerspricht wiederum und stellt einmal mehr fest, dass es in der Schweiz keine relevanten Blogs gäbe. Ausgelöst hat diese Diskussion, die alle paar Monate irgendwo im Netz auftaucht, diesmal die Berichterstattung zu einem ein Marketing-Event für Blogger, was der Geschichte doch eine hübsche Note verpasst

Es ist völlig unnötig im Social Web, und dazu zählen auch die Blogs, nach Leitmedien Ausschau zu halten. Der wesentliche Aspekt des Netzes ist eben, dass es ein Netz ist, ein Kollektiv, welches als System zu analysieren und zu interpretieren ist. Die Konzentration auf die einzelnen Knoten führt auf die falsche Fährte. Nicht einzelne Blogger oder Blogs sind Relevant, sondern das World Wide Web mit dem Social Layer.

Das wesentliche Element des Netzes ist das Mem, die Informationseinheit, die sich durch die Netzwerkknoten (unsere Gehirne) kopiert und mutiert, und nicht ein Individuum, das das Mem weitergibt. (Buchempfehlun dazu: The Meme Machine von Susan Blackmore) Die Mutationen, sind dann die individuellen Zugaben, die wir so hochschätzen oder eben vielleicht auch etwas überschätzen. Damit wir uns allerdings nicht falsch verstehen: Auch ich finde die individuelle Leistung einzelner Menschen grossartig und erfreue mich daran. Diese will ich im Einzelnen auf keinen Fall herabsetzen, aber wenn es um die Frage geht, ob ein Thema gesellschaftliche Relevanz erhält oder nicht, geht es eben nicht  um die Einzelleistung, sondern um ein Systemphänomen.

Wir können uns ganz einfach bei jedem Thema der letzten paar Wochen, welches wir als Relevant einstufen, überlegen, ob das Thema trotzdem öffentlich diskutiert worden wäre, wenn das Individuum oder das Medium von dem dieses vermeintlich ausgegangen war, nicht existiert hätte, oder umgekehrt, wenn nicht viele andere dieses Thema aufgenommen hätten?

Natürlich gibt es auch in einem Netzwerk aktivere und mächtigere Knoten, aber über das Ganze gesehen bleiben auch die wichtigsten  A-Bloggerinnen ohne die anderen Beteiligen, die vielen kleinen Blogs und Social Media Accounts, relativ unbedeutend.

Das was den stärkeren Knoten von den schwächeren Unterscheidet, sind die Anzahl Netzwerkverbindungen die zu und von ihm wegführen. Und diese spielen natürlich eine Rolle, wenn es darum geht eine Botschaft zu verbreiten. Aber auch diese starken Knoten sind in den meisten Fällen einfach Verstärker für Signale die bereits im Netzwerk umher schwirren.

Dieser Suche nach dem Blogger-Superhero, dem die Öffentlichkeit zu Füssen liegt, dieser Idee, dass es Einzelne sind, die Relevanz herstellen, liegt die tief in unserer Kultur verankerte Verherrlichung der Schöpfungskraft des Individuums zugrunde.

Dabei ist es immer der Zeitgeist, sind es die vielen Signale des kollektiven kulturellen Daseins, die das Neue Hervorbringen. Durch die effizientere Vernetzung der Individuen durch das Sozial Web, wird dieser kollektive Schöpfungsprozess nun viel klarer sichtbar.

Das liegt vor allem daran, das das Menschennetz durch diese effizientere Verknüpfungsinfrastruktur viel dynamischer geworden ist. Die Knoten und ihre Verbindungen sind dauernd in Veränderung und die Meme flutschen in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit durch unsere Gehirne.

Darum kann wer heute gemäss den genannten Merkmalen des Leitbloggers ein Niemand ist, morgen bereits einen Post oder Tweet geschrieben haben, der zu einer wochenlangen Diskussion in der Öffentlichkeit führt, um dann wieder zurück in das umspektakuläre Daseins des einfachen Netzwerknotens zu gelangen.

Es ist nicht die Leitbloggerin die ein Thema besetzt, sondern das Thema emergiert im Netz und die Leitblogger und die Massenmedien vertärken zusammen mit allen anderen Knoten deren Verbreitung.

Einer der Aspekte, die immer wieder vorgebracht werden, ist der, dass alle "relevanten" Themen entweder von den klassischen Massenmedien lanciert wurden, oder erst durch diese eine gewisse "Relevanz" erhalten haben.

Die Massenmedien waren früher die grossen Verstärker und weil die kommunikativen Verbindungsmöglichkeiten der Individuen noch nicht so effizient waren wie heute, war das wohl auch die sinnvollste Konfiguration des öffentlichen Netzes der Gedanken und Ideen.

Doch diese Struktur wird derzeit, wie wir alle wissen, umgebaut. Und genau dies bereitet den etablierten Medien ja so viel Mühe. Das System, welches früher aus viel weniger Verbindungen zwischen den Individuen bestand und durch mächtige Netzwerkknoten (den einzlenen Medien) von welchen viele einzelne und einseitige Verbindungen ausgegangen sind, dominiert wurde, wird jetzt um ein Vielfaches dichter verknüpft. Und die heute sehr grossen Knoten, die ja fast schon als Geschwüre gesehen werden können, müssen den vielen kleineren weichen und absterben, oder selber kleiner werden.

Das macht es auch für die Massenmedien immer schwieriger ein Thema aktiv und bewusst zu setzen. Interessanterweise behaupten ja gerade auch die Protagonisten dieser Medien, immer dann wenn sie in Kritik stehen, dass sie die Gesellschaft mit Themensetzungen manipulieren würden, dass sie ja nichts anderes tun, als das, was bereits in der Gesellschaft brodelt aufzunehmen.

Womit meine Behauptung, dass es eben nicht ein einzelner Verstärker ist, und sei er noch so laut, der dafür verantwortlich ist, dass ein Mem zu einem öffentlichen Thema wird, sondern die Häufigkeit in der das Mem kopiert und weiter geben wird. In diesem Prozess ist jeder Knoten manchmal wichtiger, manchmal weniger wichtig. Hauptsache er kopiert.

Mit "kopieren" meine ich natürlich nicht einfach, das simple duplizieren von Inhalten, sondern verstehe jede kreative Schöpfung als Kopierprozess mit mehr oder weniger Mutationen.

Wir brauchen also nicht nach Leitblogger und Leitbloggerinnen zu suchen, aber wir brauchen möglichst viele, die via Social Media kommunizieren. Dabei ist nicht so wichtig, wie viele regelmässige Leser diese aufweisen können, oder wie oft sie bloggen, solange sie eine minimale Anzahl an Netzwerkverbindungen aufrecht erhalten, die es einem Mem ermöglichen sich zu verbreiten.

(Bild © ova - Fotolia.com)

Warum keine Werbespots Herr Bundesrat Leuenberger?

Bundesrat Moritz Leuenberger bittet um Verständnis, dass Kommentare mit 'gezieltem Product placement' auf seinem Blog nicht veröffentlicht werden.

Ich frage mich, warum dies so selbstvertändlich sein soll?

Natürlich steht es jedem Blogger frei, zu entscheiden worüber er schreibt und welche Kommentare er zulassen will, dagegen gibt es nichts einzuwenden.

Wenn es nun aber Produkte gibt, die dazu Beitragen die politischen Ziele von Bundesrat Leuenberger besser zu erreichen, sollte es doch in seinem Interesse liegen, dass möglichst viele Menschen davon erfahren. Warum also kein gezieltes 'Product placement'?.

Klar, der "Werber" in diesem Falle, profitierte von der Popularität des Bloggs von Bundesrat Leuenberger, ohne dass er dafür etwas bezahlen müsste. Aber, es ist ja nicht so, dass deswegen jemand anders etwas verliert.

Es würden alle Beteiligten nur gewinnen. Bundesrat Leuenberger, weil seine Ziele in Sachen Umwelt- und Klimaschutz unterstützt würden, der "Werber", weil er sein Produkt bekannter machen könnte, die Lesenden, weil sie vom Produkt erfahren würden uns sich selbst ein Bild machen könnten, ob das beworbene Produkt bei der Erreichung ihrer eigenen Umweltziele behilflich sein könnte.

Ist es vielleicht möglich, und das ist nun eine schamlose Unterstellung, ich gebe es zu, dass er als linker Politiker Werbung grundsätzlich schlecht findet, oder mindestens als notwendiges Übel betrachtet und damit halt einfach nichts zu tun haben will?