Neue Netzsperren-Initiative des Bundesrates

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Vor 2 Tagen, am 30. April 2014, hat der Bundesrat die Vernehmlassung zum geplanten neuen Bundesgesetz über Geldspiele (BGS) eröffnet

Einmal mehr sollen Netzsperren eingerichtet werden um eine lokale Branche zu schützen. Im 7. Kapitel steht der folgende Artikel:

Art.88 Sperrung des Zugangs zu nicht bewilligten Spielangeboten 

  1. Der Zugang zu online durchgeführten Geldspielen ist zu sperren, wenn die Spiel-angebote in der Schweiz nicht bewilligt sind.
  2. Gesperrt wird ausschliesslich der Zugang zu Angeboten, deren Anbieter ihren Sitz im Ausland haben und die in der Schweiz zugänglich sind.
  3. Die ESBK und die interkantonale Vollzugsbehörde führen und aktualisieren jeweils eine Sperrliste betreffend die Angebote in ihrem Zuständigkeitsbereich.
  4. Die Fernmeldedienstanbieterinnen sperren den Zugang zu den Spielangeboten, die auf der Sperrliste aufgeführt sind.

Wie wir wissen, stehen Netzsperren für unliebsame Inhalte auch auf der Forderungsliste der AGUR12

Die Grundsätzlichen Probleme im Zusammenhang mit Netzsperren sind hinlänglich bekannt und müssen nicht wiederholt werden.

Ich möchte hier darauf aufmerksam machen, dass es sich abzeichnet, dass für jedes Problem welches irgendeine Interessengruppe gerade sieht, das Instrument der Netzsperren gefordert wird und dass wir eine Inflation der Sperrlisten sehen werden, wenn wir dieser Idee nicht eine klare grundsätzliche Absage erteilen.

Ein Internet welches durch politisch motivierte Sperrlisten blockiert ist, ist ein Internet der Zensur und des Totalitarismus.

Wir müssen endlich einsehen, dass die vielen einzelnen Gründe für Sperrlisten am Ende zu einem völlig unfreien und ungerechten System führen werden, welches einzig dazu dient, bestehende Strukturen zu schützen und die ursprüngliche Idee, der politischen und ökonomischen Befähigung des Einzelnen in kleinen und dezentralen Systemen, vernichtet.

Wir dürfen uns nicht blenden lassen von Begehrlichkeiten von Industrien, die unter dem Deckmantel des Schutzes des kleinen Mannes (und der kleinen Frau natürlich) bzw. des kleinen Künstlers, nicht anderes im Sinn haben, als den grossen Machtstrukturen, ihre etwas in Bedrängnis geratene Position zu sichern.

Auch in diesem Gesetz geht es in erster Linie darum, dem Kapital der Kasinobetreiber und den Pfründenverwalter der Lotteriegesellschaften ihre Geldquellen zu sichern. Der unbedarfte Spieler, den zu schützen sie vorgeben, ist ja gerade der, den sie gerne selber ausnehmen wollen. 

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Neverending Playlist

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neverendingplaylist.com erstellt automatische Wiedergabelisten von Künstlern, deren Songs auf Youtube verfügbar sind. The Echo Nest, die Anbieterin der Website betreibt eine Datenbank mit Informationen zu mehr als 30 Mio Songs, die wiederum vielen Musikdiensten wie Rdio, Spotify und unzähligen anderen als Basis für Ihre Services dient. Ob neverendingplaylist.com dereinst auch auf der Sperrliste der Musikindustrie stehen wird, falls diese ihre Forderung nach Netzsperren in der Schweiz durchbringen sollte?

Absurde und unverschämte Sperrliste der Content-Industrie

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Nun ist sie also da, die Wunschliste der Websites, die die US-Amerikanische Unterhaltungsindustrie und ihre Schweizer Handlanger in der AGUR12 gerne gesperrt hätten. Der Chaos Computer Club Zürich hat die sogenannte Sperrliste der SAFE (Schweizerischen Vereinigung zum Kampf gegen die Piraterie )veröffentlicht. Sie wurde den Providern anlässlich eines Branchenevents, der kürzlich stattgefunden hat, ausgehändigt und kann hier eingesehen werden.

Es ist traurig zu sehen, dass wir überhaupt über solche unglaublichen Vorhaben diskutieren müssen. Die schlimmsten Befürchtungen haben sich leider klar und deutlich bestätigt. Durch die Netzsperren soll einfach alles, was der Industrie nicht passt, und zwar völlig unabhängig von der tatsächlichen rechtlichen Situation, gesperrt werden. Ich mache ein paar Beispiele.

Auf der Liste befindet sich Grooveshark, mit der zusätzlichen Bezeichnung "Illegal Streaming". Nun, Grooveshark wurde zwar in den USA von den grossen Majors verklagt, aber der Rechtsstreit ist noch nicht entschieden, und die Betreiberfirma die ganz offiziell in Florida und New York sitzt, darf die Website nach wie vor betreiben. Es kann zwar sein, dass am Ende die Content-Industrie ihre Prozesse gewinnt, aber derzeit sind die Würfel noch nicht gefallen. Trotzdem soll die Site, wenn es nach dem Gusto von SAFE ginge, in der Schweiz gesperrt werden, ohne rechtliche Grundlage, einfach weil sie es so wollen. 

Weiterhin befinden sich Websites auf der Liste, die es ermöglichen z.B. aus einem YouTube Video den Soundtrack zu extrahieren (sogenannte Stream-Ripper), also eine Art Aufnahmefunktion zur Verfügung stellen. Nun ist es sicher so, dass es dadurch möglich ist, zu einem MP3 File eines Songs zu kommen, der ja in der Regel legal auf YouTube verfügbar ist. Doch das verstößt nicht gegen geltendes Recht, höchstens gegen die Nutzungsbedingungen von YouTube. Nur der Umstand, dass ein solcher Service der Unterhaltungsbranche nicht genehm ist, kann doch kein Grund für eine Zugrifssperre für eine Website darstellen. Genausogut müssten dann Links zu Browsererweiterungen, die dasselbe ermöglichen, oder Links zu Anwendungen die die Aufnahme des Audiosystems es Computers ermöglichen, gesperrt werden. Dieser Logik folgend hätten man in den 1960er Jahren den Zeitungen auch verbieten müssen Anzeigen für Tonbandgeräte zu drucken.

Auch auf dieser Liste sind Websites zu finden, die zum weitaus grössten Teil legale Inhalte anbieten. Beispielsweise das Argentinische Forum "Taringa". Da dort die User aber über die Foren auch Links zu urheberrechtlich Geschützen Inhalte posten können, soll gleich die ganze Site gesperrt werden. Auch hier ist die Industrie im Betreiberland Argentinien rechtlich gegen die Site vorgegangen. Der Prozess wurde mit einem Vergleich beendet und die Website ist auf der ganzen Welt nach wie vor verfügbar und in der Spanisch sprechenden Community äusserst beliebt. Nun soll diese Website für die Schweizer Internet-Nutzer trotzdem einfach gesperrt werden.

Diese Liste zeigt ganz klar, wohin eine solche Regelung führt. Websites die einer kleinen Gruppe von Vertretern der Unterhaltungsindustrie nicht genehm sind und die in den Betreiberländern völlig legal verfügbar sind, sollen bei uns einfach gesperrt werden. Und bitte, wir sprechen hier nicht von sogenannten "Failed-States" ohne Rechtssystem, sondern von Ländern wie den USA, Argentinien oder Schweden.

Diese Sperrliste, die den Providern ausgehändigt wurde, dürfte ja nur einen kleinen Teil der Sites darstellen, die die Unterhaltungs-Industrie tatsächlich sperren lassen will.  Man stelle sich vor, wieviele Websites, die diesen Leuten nicht passen, vor uns verborgen werden sollen, wenn ein solches Regime erst einmal eingerichtet ist und diese Listen dann ja geheim sind. Willkür und Zensur sind Tür und Tor geöffnet. Wir dürfen das auf keinen Fall zulassen.

(Bild: © djama - Fotolia.com)