Der Schweizer Nachrichtendienst NDB will auch mitspielen.

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In der SRF 1 TV-Sendung Rundschau vom 2. Oktober wurde ein aufschlussreicher Beitrag von Dölf Duttweiler über Staatstrojaner ausgestrahlt. Unter anderem wurde auch mit Jürg Bühler, dem Vizedirektor des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) , ein Gespräch geführt. Er erklärt, dass er "dort auch den Fuss drin haben möchte", wobei mit "dort" die Abhörinfrastruktur der Kollegen der grösseren Geheimdienste der USA, Grossbritannien, Deutschland und Frankreich gemeint sein dürften, weil es bei uns aufgrund der viel kleineren finanziellen und personellen Ressourcen unmöglich sei, solche gross angelegten Lauschangriffe durchzuführen. Simone Luchetta weisst in ihrem Beitrag "Sicher im Netz - die Rezepte" (kooaba Link) darauf hin, dass offenbar nur das fehlende Geld den NDB daran hindert, es der NSA gleich zu tun – moralische Bedenken werden keine geäussert. Hier ist der Ausschnitt aus dem Rundschau Beitrag.

Zur Geschichte der Nachrichtendienstüberwachung durch die GPDel

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Immer wenn es in der Schweiz in Sachen Geheimdienste Ärger gibt, kommt die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Schweizer Parlamentes ins Spiel. So auch jetzt wieder, wenn es darum geht die Hintergründe des Datendiebstahls durch einen Mitarbeiter des Nachrichtendienstes des Bundes zu beurteilen.

Im letzen Jahr konnte die GPDel, die im Nachgang zum Fichenskandal der 1980er und 1990er Jahre entstanden ist, ihr 20-Jähriges Bestehen feiern. In diesem Zusammenhang hat sie in ihrem Jahresbericht 2012 einen kurzen und lesenswerten historischen Abriss über ihre eigene Entstehungsgeschichte und ihre Entwicklung währen der Jahre 1992 bis 2012 veröffentlicht (PDF). Dort können wir nachlesen, wie sich der Bundesrat gegen diese parlamentarische Oberaufsicht gewehrt hat und wie aber deren Befugnisse, trotz dieser Widerstände, laufend ausgebaut werden konnten.

Es ist natürlich besser eine solche parlamentarische Aufsicht über die "Geheimbereiche" der Verwaltung zu haben, als keine. Doch zeigt gerade auch ein Blick auf die Liste der Berichte, die GPDel in den 20 Jahren ihres Bestehens bereits abgeliefert hat, dass es nicht wirklich möglich ist, Geheimdienste zu überwachen. Die GPDel kommt meistens erst dann zum Zug, wenn die Probleme bereits entstanden sind.

Eine undurchsichtige Geheimdienstgeschichte

Im Tages-Anzeiger Online ist seiit heute morgen eine undurchsichtige Geheimdienstgeschichte zu lesen. Ein Flüchtling aus dem Irak sei vom früheren Inlandgeheimdienst, dem Dienst für Analyse und Prävention (DAP), erfolglos angeworben worden, kurz darauf wurde ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet. Vieles bleibt auch nach mehrmaligem Lesen des Beitrages im Dunkeln. So ist von einem Gespräch mit der Geschäftsprüfungsdelegation die Rede, aber wir haben keine Anhaltspunkte darüber, in welchem Zusammenhang diese Gespräche stattgefunden haben. Weiterhin wird erzählt, dass dem Betroffenen durch die Bundesanwaltschaft bis vor ein paar Monaten verboten war, mit Medienvertretern über seinen Fall zu sprechen. Und zu guter Letzt ist da noch von einer Tonbandaufnahme eines Gespräches zwischen den DAB-Agenten und dem Betroffenen die Rede, welches im Zug stattgefunden habe, und dem Tages-Anzeiger zugespielt worden sei. 

Alles in allem, eine ziemlich verworrene Geschichte, die mehr Fragen offen lässt, als sie beantwortet. Ich hoffe aber, dass da in den nächsten Tagen noch mehr kommen wird. Alleine schon das Verbot, mit niemanden über seinen Fall reden zu dürfen, ist ziemlcih fragwürdig und es wäre schon wichtig zu wissen, ob das wirklich der Wahrheit entspricht. Auf jeden Fall zeigt auch diese Story, wie problematisch Geheimdienste sind.

Der wichtigste Grund, das geplante Nachrichtendienstgesetz zu beerdigen

Auch in der Schweiz gibt es ja bekanntlich auch einen Nachrichtendienst. Früher nannte man solche Stellen Geheimsdienste. Ihre Tätigkeit ist immer problematisch, denn sie können auch bei noch so vielen vorgesehenen Kontrollinstanzen nicht wirklich in Schach gehalten werden, wie wir aus eigener Geschichte wissen, und wie wir derzeit auch wieder einmal sehr anschaulich vorgeführt bekommen

Das interessante am Geheimdienst schweizerischer Ausprägung ist allerdings, dass er im Inland eigentlich nicht so richtig viel schnüffeln darf wie die Kollegen in anderen Ländern. So steht in der offizellen Broschüre, die man beim VBS downloaden kann auf S. 27:

Für die Beschaffung von Informationen im Ausland nimmt der Gesetzgeber keine explizite Auflistung der zulässigen Beschaffungsmassnahmen vor. Die Möglichkeiten des NDB sind somit weniger eingeschränkt als im Inland. Für die Beschaffung von Informationen nach ZNDG wird auch die Aufklärung von Kommunikationsinhalten und -verbindungen durch elektronische Mittel  eingesetzt. Für Beschaffungen von Informationen im Inland sind zurzeit die Post- und Telefonüberwachung, die Observation in privaten Räumen und das Eindringen in Computer und Netzwerke nicht gestattet.

Na, das ist doch mal eine Ansage. Natürlich ist es heutzutage schwer zu glauben, dass das nicht trotzdem geschieht, aber es gibt doch keinen Grund, diese richtigen und wichtigen Einschränkungen aufzugeben. 

Das geplante Nachrichtendienstgesetz würde die Kompetenzen unseres Geheimdienstes massiv ausweiten und ohne Not einen unkontrollierbaren Überwachungsapparat schaffen. 

Derzeit sind von den Parteien, die im Parlament vertreten sind, nur die Grünen klar gegen das Gesetz:

Die Grünen lehnen das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG), so wie es jetzt vorliegt, klar ab. Die gegenwärtigen Überwachungs-Exzesse im Ausland (Prism und Tempora) zeigen auf erschreckende Weise, was geschieht, wenn die Regeln für Geheimdienste einseitig an deren Bedürfnissen ausgerichtet werden. Eine Aufrüstungsspirale der Geheimdienste bringt nicht mehr Sicherheit, sondern verletzt die Privatsphäre und ist eines freiheitlichen Staates unwürdig.

Besonders tragisch finde ich, dass die SP Schweiz dahinter steht:

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP Schweiz) begrüsst die Schaffung einer zeitgemässen gesetzlichen Grundlage für den zivilen Nachrichtendienst. Der vorliegende Entwurf weitet einerseits die Kompetenzen des Nachrichtendienstes aus, was sich sicherheitspolitisch begründen lässt. 

Ach ja, vielleicht hilft dieser Artikel aus dem Jahre 2010 auch noch etwas auf die Sprünge. Nein, damit ist nicht die grosse Fichen-Affäire aus den 1990er gemeint, aber auch diese könnte uns ja helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Es ist gar nicht nötig, auf die Details im Gesetztesentwurf einzugehen. Derzeit darf unser Geheimdienst im Prinzip nicht einfach bei uns herumschnüffeln und das ist sehr gut so. Jedes Gesetz und sei es noch so abgeschwächt und mit Kontrollmechanismen ausgestattet, würde die Kompetenzen des Nachrichtendienstes ausweiten. Grund genug diesen Gesetzesentwurf ohne lange Rede einfach zu tschüssen.

(Bild: Titelbild aus der Broschüre: Der Nachrichtendienst des Bundes, PDF)