Bezahlt Spotify den Musikern zu wenig?

Wird hören es immer mal wieder. Ein Musiker bekommt von Spotify pro Stream so wenig Geld, dass es auch nach mehreren Tausend Streams kaum für einen Kaffe reicht. So findet auch die Music Union in UK, dass es nicht richtig sei, wenn ein Song pro Stream 0.4p einbringe und damit bei 1 Mio Streams nur 4000£, wenn sie bei BBC Radio 2 für einen gespielten 3 Minuten Song ca. 60£ erhielten

BBC Radio 2 hat ca. 15 Mio. Zuhörer pro Woche. Es ist nicht möglich aufgrund dieser Angabe zu bestimmen, wieviele Hörer nun einen bestimmten Song auf BBC2 gehört haben, aber ich denke, wenn wir mal 100'000 als Schätzung für ein Rechenbeispiel annehmen, liegen wir kaum zu hoch. Auf jeden Fall gibt das dann pro Hörer noch 0.06p also etwa 6.5 mal weniger als bei Spotify.

Weder ist das Web voll, noch gibt es zuviele Informationen

Stefan Betschon schreibt heute in der NZZ:

Web 2.0 war [...] das Web, das aus allen Nähten platzt, weil es darin einfach von allem zu viel gibt.

und:

Hinter der Vision des Semantic Web steht der Wunsch, sich in der Überfülle der im Web angebotenen Information leichter zurechtzufinden.

Das Bild des Webs, dass aus allen Nähten platze ist keine passende Metapher. Das würde ja bedeuten, dass wir uns das World Wide Web wie ein Kissen fixer Grösse vorstellen müssen, in welche jeder und jede ihre Informationen hineinpressen, bis das Ding auseinander fliegt. Das Web ist aber eben nicht in seiner Speicherkapazität begrenzt und theoretisch unendlich erweiterbar. Und das ist einer der Gründe, warum das Web derart wirksam bestehende Strukturen der Informationsproduktion und -vermittlung in Frage stellt.

Es gibt auch keine "Überfülle", es gibt kein Zuviel an Informationen im Web, weil die Informationen, die sich im Web finden jederzeit und je nach Kontext neu organisiert und verlinkt werden können. Und das ist einer der Gründe, warum dem Web als Werkzeug der Aufklärung eine ähnliche Bedeutung zukommt, wie dem Buchdruck vor 500 Jahren. 

(Bild: © Adrian Hillman - Fotolia.com)

Umbenennung von heissen Kartoffeln

Die politisch motivierte Umbenennung von Aspekten unseres Daseins ist nichts neues. Wir alle kennen die Geschichte von den Zwillingsbegriffen Atomkraft und Kernkraft, wobei hier nicht wirklich geklärt ist, wieviel Zufall in dieser Zweiteilung steckt.

Ziemlich klar sieht es aber bei den Umbenennungen von heissen politischen Kartoffeln neueren Datums aus. So hat kürzlich der Spiegel vermeldet, dass die CDU/CSU von der "Vorratsdatenspeicherung" abrücke. Im Artikel können wir dann lesen, dass das Vorhaben nun einfach in "Mindestspeicherfristen" umbenannt wurde.

Auch in der Schweiz haben die Renaming-Spezialisten der politischen Kommunikation kürzlich wieder zugeschlagen. Da können wir in der Medienwoche erstaunt davon lesen, dass das "Leistungschutzrecht [in der Schweiz] vom Tisch sei" und dass der Verband Schweizer Medien sich davon verabschiede. Allerdings stellt sich dann heraus, dass sie einfach auf den Begriff verzichten und ihre Forderungen weiterhin im Rahmen einer Anpassung des Schweizer Urheberrechts umgesetzt haben wollen. 

In beiden Fällen bleiben die dahinterliegenden inhaltlichen Forderungen unverändert bestehen. Es geht offenbar vor allem darum, den politischen Gegnern die kommunikative Angriffsfläche zu nehmen.  Sicherlich kann eine solche Begriffsanpassung auch den Weg frei machen, wieder über Argumente zu diskutieren, statt sich nur Kampfbegriffe um die Ohren zu schlagen. Das wäre die positive Seite der Medaille. Allerdings müsste man dieses Ziel dann auch in der Kommunikation so darstellen. "Der Begriff «Leistungsschutzrecht» ist belastet, darum soll er nicht mehr gebraucht werden" oder "Die Union gibt der «Vorratsdatenspeicherung» den neuen Namen «Mindestspeicherfrist». 

(Bild: © XtravaganT - Fotolia.com)

Problematischer EU-Datenschutzreformvorschlag

Viviane Reding plädiert in der NZZ vom 11. Juli 2013 für die Deblockierung ihrer Datenschutzreform und begründet dies vor allem mit der allgemeinen Empörung der Europäischen Bürger im Zusammenhang mit den bekannt gewordenen geheimdienstlichen Überwachungsprogrammen wie PRISM. (Webpaper Guestlink)

Sie versucht dabei den Eindruck zu erwecken, dass eine Umsetzung ihrer Datenschutzreformen solche Überwachungen in Zukunft verhindern würden. Dabei hat die vorliegende Verordnung eben gerade nicht zum Zweck die Datensammelwut der Behörten und Staaten zu regeln, sondern wie Unternehmen, die Personendaten speichern und verarbeiten, damit umzugehen haben.

Es ist heuchlerisch, die USA als die grossen bösen Datensammlerbuben anzuprangern, wo doch die meisten Europäischen Staaten offenbar dasselbe tun. Und es ist vor allem nicht aufrichtig, den Bürgern vormachen zu wollen, dass diese Datenschutzreform etwas mit der weltweiten organisierten Datenschnüffelei der staatlichen Institutionen zu tun hätte.

Die Vorlage ist aber auch aus anderen Gründen schlecht für die Bürgerinnen und Bürger in Europa.

Auf den ersten Blick sieht ja eine Forderung, die alle Unternehmen, die Internet-Dienste im EU-Raum anbieten, auch unter die Datenschutz-Regeln dieses Raumes unterwerfen will, unabhängig von wo aus sie operieren, sinnvoll aus. "Wer in unserem Hof spielen möchte, muss auch unsere Spielregeln beachten" schreibt Frau Reding bildhaft. 

Das Problem ist aber, dass eine solche Auslegung des Geltungsbereiches der Datenschutzvorstellungen der EU, einfach dazu führen wird, dass nur noch grosse Unternehmen aus den USA überhaupt bereit und in der Lage sein werden ihre Dienste für Europäische Kunden anzubieten.

Alle die vielen kleinen Services, die in den USA täglich entstehen, werden in Zukunft  für Nutzer aus Europa einfach nicht mehr zugänglich sein. Erst wenn sie sich auf ihrem Heimmarkt soweit etabliert haben, dass es sich für sie lohnt, sich mit den zusätzlichen Rechtserfordernissen des EU-Raumes auseinander zu setzen, werden sie den Schritt nach Europa machen, wenn überhaupt.

Die unzähligen guten Ideen, der kleinen Unternehmen, die das Netz vorwärtsbringen, würden nur noch über Umwege der Copycats befruchtend für die Netzszene in Europa wirken, und einer der ganz grossen Vorteile des Netzes, nähmlich der, auch in der kleinsten Nische ein globales Publikum erreichen zu können, würde für Europa zunichte gemacht. Sicher, das Volk wird weiterhin Facebook, Twitter, Google und Youtube nutzen können, denn diese Firmen sind gross genug, um sich auf die Vorgaben einzustellen. Nur machen diese Angebote noch lange nicht das Internet aus. Auch wenn das für die, die solche Gesetzte vorschlagen, so aussehen mag.

Die Forderung, dass alle Unternehmen sich den EU-Datenschutzvorstellungen zu unterwerfen haben, ist protektionistisch und hilft langrifstig der Entwicklung des Wirtschaufsraumes kaum. In einem abgeschoteten Markt entstehen äusserst selten Produkte und Dienstleistungen, die sich dann im internationalen Wettbewerb behaupten können.  Wir würden mit der Zeit noch viel stärker als heute erleben, dass jenseits des Atlantiks in allen Bereichen permanent  Innovationen aus dem Netz entstehen, während wird hier in Europa, mit zeitlicher Verzögerung höchstens billige Kopien davon zu sehen bekommen werden. So wird der Hof den Viviane Reding schützen will eher zum Hinterhof.

Der Reformvorschlag ist natürlich auch vom paternalistischen Geist der EU-Politik geprägt. Als Begründung für ein strenges Datenschutzregelwerk wird die wirtschaftliche Entwicklung angebeben. Wenn die Menschen nicht sicher sein könnten, dass ihre Daten geschützt seien, würden sie weniger Online einkaufen. Es geht als offenbar darum, den Online-Handel als Wirtschaftsfaktor zu fördern. Als ob der E-Commerce tatsächlich Förderung durch Behörden nötig hätte. 

Die Nutzer sind mündig genug zu entscheiden, mit welchen Firmen und Services sie arbeiten wollen. Der Konsument soll einfach wählen, ob er lieber einen EU-Service nutzt, der die strengen Datenschutzrichtlinien der EU erfüllt, oder ob er damit zufrieden ist, was die Amerikaner ihm oder ihr anbieten. So wäre es auch wunderbar möglich, die verschiedenen Systeme und Ideen zu vergleichen. Es würde dann wahrcheinlich ersichtlich, dass die meisten Vorschläge, dem eigentlichen Datenschutz-Problem, welches ja tatsächlich vorliegt, nichts entgegen halten. Was nützt mir das, wenn ich zwar die Einwilligung für die Bearbeitung meiner Daten geben muss, ich aber trotzdem nicht weiss, wann und wie irgendwelche Behörden darauf zugreifen können?

Daten werden nicht nur von Firmen missbraucht, sondern vor allem auch von Staaten. Und wenn der behördliche Machtapparat zuschlägt, dann ist der Schaden um ein Vielfaches grösser, als wenn Google mir ein unerbetenes Inserat neben den Suchergebnissen anzeigt.

Ich plädiere hier nicht für eine Gesellschaft ohne Datenschutzregeln, im Gegenteil. Aber ich finde, wir müssen den Fokus auf die richtigen Problemzonen werfen. Wir sollten zuerst bei uns selbst aufräumen und dafür sorgen, dass nicht irgendwelche Geheim- und andere Dienste dauernd auf unsere Daten zugreifen können. Das ist nicht das Problem der Unternehmen, sondern das Problem der Politik, die das zulässt, ja meistens sogar wünscht.

Es sollte klar unterschieden werden, zwischen Überwachung ohne mein Einverständnis und der Nutzung meiner Daten weil ich das so will. Das Prinzip ist relativ einfach: Meine Daten gehören mir, Punkt. Jede Form von behördlich verordneter Datenspeicherung und Herausgabe ist zu unterlasen. Alle Daten, die über mich gesammelt werden, so, dass sie mit mir als Person in Verbindung gebracht werden können, müssen mir angezeigt und auf meinen Wunsch hin, gelöscht werden und zwar unabhängig davon, ob diese von einer Firma oder einer Behörde gesammelt werden.

Mir ist klar, dass regionale Lösungen nicht global gelten, doch dass ist kein Grund dafür, es im eigenen Hof nicht besser zu machen und ersteinmal Vorbild zu sein.

(Bild: © Jürgen Fälchle - Fotolia.com)

Journalisten sind auch nur Menschen, bzw. Racheengel.

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Der Artikel von Stefan Betschon "Das Waterloo des Guerilla-Marketing" in der NZZ wärmt die Diskussion um die Rolle der Blogger im Kommunikationsprozess der Unternehmen vom Sonntag vor einer Woche noch einmal auf.

Dazu gäbe es eigentlich nichts mehr zu sagen, wenn nicht am Schluss dieses Beitrages diese äusserst Bemerkenswerten Sätze stehen würden:

«Doch sobald sich diese Firmen eine Blösse geben, dürfte es vielen Journalisten schwerfallen, die Frustrationen zu vergessen, objektiv zu bleiben. Apple bekam das im Zusammenhang mit «Antennagate» zu spüren.»

Hier offenbart der Journalist, dass er eben auch nur ein Mensch ist, und es mit seiner so viel gepriesenen Objektivität in der Berichterstattung, die den Bloggern ja fehlt, nicht sehr weit her geholt ist.

So unverholen zu drohen, dass, wer nicht brav die Journaille streichelt und füttert, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit mit der medialen Rachekeule zu rechnen hat, ist ein schon starker Tobak; und so herrlich entlarvend. (via @kusito)

(BIld: © Sergey Oganesov - Fotolia.com) 

Was die Haptik für das eBook ist die Präsenz für den MOOC

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Seit einiger Zeit sind MOOC's in aller Munde. Die Berichterstattung über Plattformen wie Coursera, edX, oder iVersity hat das Phänomen zwar noch lange nicht in einer breiten Öffentlichkeit, aber doch bei vielen die sich mit Bildungsfragen, insbesondere dem Hochschulwesen beschäftigen, bekannt gemacht.

Wie fast immer, wenn sich ein neues Internet-Buzz-Word verbreitet, kommt es aus den USA. Und auch wie fast immer, wird dann von den meisten, deren primäre Informationsträger auch im Jahre 2013 noch weitgehend von Papier und Funkwellen geprägt sind, und sie darum erst davon erfahren, wenn schon viel Staub aufgewirbelt wurde und sie sich deswegen nicht als Teil der Entwicklung, sondern als von ihr überrollt verstehen, ersteinmal mit Abwehr reagiert.

Eine der Aussagen, die man in diesem Zusammenhang hören kann, ist die, dass es den Präsenzunterricht immer brauchen wird und darum MOOC's allerhöchstens ergänzend sein können und man darum auch keine Eile hat, sich diesem Thema zu widmen. Das erinnert mich sehr an den Haptik-Mythos des Gedruckten. Auch die Druckbranche glaubt, dass es immer gedrucktes geben wird, weil das Digitale nicht annähernd ein derart haptisches Erlebnis vermittle, wie gedrucktes Material.

Beide haben natürlich etwas recht. Gedruckt fühlt sich anders an als digital und körperliche Präsenz ist nicht dasselbe wie virtuelle. Doch gibt es keine logische Verbindung zwischen diesen Aussagen und den möglichen Entwicklungen von Papier als Informationsträger oder Präsenzuniversitäten als Bildungs-und Forschungseinrichtungen. Es ist auch nicht sinnvoll sich darüber den Kopf zu zerbrechen, weil wir ja sowiso nicht wissen, wie die Zukunft aussieht.

Viel wichtiger ist es sich zu fragen, wie wir die Zukunft gestalten wollen, also wie diese neuen Möglichkeiten zum Wohle der Gesellschaft eingesetzt werden können. Dabei ist es erst einmal völlig unwichtig, ob das bedruckte Papier oder die Präsenzuniversität, so wie sie heute existieren, überleben.

Hier noch ein paar interessante Links zum Thema MOOCs:

(Bild: © jazzerup - Fotolia.com) 

Überwachung respektiert die Würde des Menschen nicht

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"Was ist das Grundlegende Problem der digitalen Überwachung?", hat Philippe Wampfler gestern via Twitter gefragt und danach einen lesenswerten Blogpost dazu verfasst.

Ich sehe das Problem in erster Linie ethisch:

Der Mensch ist ein entscheidungsfähiges, handelndes Individuum. Er darf nicht als blosses Mittel zum Zweck angesehen werden. Das heisst, niemand hat das Recht, Menschen als reine Objekte zu nutzen (Kant).

Überwachung, wie sie auch ausgestaltet sein mag, verstösst immer gegen dieses ethische Prinzip. Ob ein Ehemann seine Ehefrau überwacht, ob ein Manager seine Mitarbeiter überwacht, oder ob der Staat seine Bürger überwacht. In jedem einzelnen Fall steht dahinter eine Verletzung der Menschenwürde. Der Überwachte wird zum Mittel zum Zweck degradiert.

Dies alleine sollte bereits genügen, um sich klar zu machen, dass Überwachung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen ist.

Überwachung kann zwar demokratisch legitimiert sein, aber sie wird trotzdem nicht richtig sein und darum ist es unsere Pflicht dagegen aufzubegehren. Genauso wie wir Sklaverei, Folter oder die Todesstrafe nicht akzeptieren dürfen.

Es ist zwar richtig, wie Philippe Wampfler in seinem Beitrag schreibt, dass unsere Systeme nach Daten verlangen. Aber Daten zu speichern und auszuwerten ist noch lange nicht Überwachung, vor allem dann, wenn ich selbst darüber entscheiden kann, ob und wem ich meine Daten zur Verfügung stelle.

Google kann zwar zum Beispiel meine Suchanfragen nutzen, um mir andere Suchresultate zu zeigen. Dabei findet aber keine Überwachung in dem Sinne statt. Ich kann jederzeit entscheiden, ob ich Google oder z.B. duckduckgo.com benutze. Ich kann auch wenn ich Google nutze, entscheiden, ob ich meine Suchanfragen speichern will. Und selbst wenn ich das tue, ist es immer noch nicht Überwachung solange Google diese Daten so nutzt, wie sie mir versprochen haben sie zu nutzen. Das Problem entsteht erst wenn der Staat oder jemand anders sich, ohne mein Einverständnis dieser Daten bemächtigt und mich in meiner Würde verletzt indem er mich zum Objekt degradiert.

Das Problem liegt nicht am Internet, sondern an den Menschen die sich nicht nach diesem ethischen Prinzip verhalten. Seien dies nun Politiker, die den Auftrag geben, Beamte die ihn Ausführen oder Unternehmensmanager die sich nicht fragen, was sie tun, solange die Zahlen stimmen. 

Wir können und müssen in unserer Gesellschaft ganz einfach einfordern, dass insbesondere die Demokratischen Strukturen so konzipiert sind, dass solche Verletzungen der Menschenwürde nicht akzeptiert sind.

In der Schweiz geht es zum Beispiel derzeit darum die Revision des BÜPF und das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG), sowie die Überwachungsvorschläge der AGUR12 zurückzuweisen.

Zum Thema "Überwachung" gibt es übrigens, organisiert vom Dock18 einen Schreibwettbewerb mit einer Preissumme von CHF 2500.--. (Disclosure: Die besten Beiträge werden von meinem Verlag buch & netz publiziert)

(Bild: © beeboys - Fotolia.com) 

Ein Datenhaufen ohne Kontext wird auch visualisiert nicht aussagekräftiger

Der Kanton Bern will oder muss, wie immer man das sieht, bekanntlich sparen. Der Regierungsrat hat nun kürzlich sein Angebots-und Strukturüberprüfungsprogramm (ASP), ein Sparprogramm also, an den Grossen Rat übergeben und der Verein opendata.ch hat die Daten des Sparprogramms visualisiert.

Hier unter der URL http://be-asp.budget.opendata.ch/ kann damit gespielt werden.

Das sieht alles ganz interessant aus. und die grundsätzlichen Initiativen und die Vision des Vereins opendata.ch zum Thema Open Government Data sind natürlich zu begrüssen.

Nur sind diese Daten, wie sie vom Regierungsrat geliefert und kommuniziert werden, auch durch die Visualisierung nicht viel Aussagekräftiger sind als vorher. Ich sehe zwar, welche Bereiche im Vergleich zu anderen Bereichen mehr sparen müssen, aber ohne die Relation zum Gesamtbudget des Kantons sind diese Angaben aus meiner Sicht ohne Nutzen.

Der Kanton Bern gibt pro Jahr 10 Miliarden CHF aus. Das Sparprogramm bewegt sich irgendwo zwischen 200 und 500 Mio pro Jahr, das entspricht 2% bis 5% der gesamten Ausgaben. Warum ausgerechnet so viele Einsparungen im Sozial- und Schulwesen sein müssen, erschliesst sich mir aufgrund der gelieferten Daten nicht. Ich sehe auch nicht, wie gross die geplante Reduktion der Lohnsumme im Vergleich zum gesamten Aufwand steht, usw.

Ich finde, dass wir hier ein wunderbares Beispiel von Pseudotransparenz vorliegen haben. Wir werden geblendet von einem Datenhaufen und können ohne viel Aufwand zu betreiben, keine sinnvolle Beurteilung der Situation vornehmen. Der Absender der Botschaft tut nur so, als ob er informiert. 

Natürlich kann man das so sehen, dass wir ja noch ganz am Anfang einer Entwicklung stehen und solche Datenvisualisierungsprojekte vor allem dazu dienen, den Behörden zu zeigen wie sinnvoll Open Government Data sein kann. Das mag richtig sein. Trotzdem finde ich wichtig, dass wir nicht vergessen, dass wir offenen Daten wollen, damit wir Kontexte darstellen können, die von den Behören bewusst oder unbewusst nicht vorgesehen waren. Wären die kompletten Finanzdaten (aktuelle und historische) der Kantone, Gemeinden und des Bundes in maschinenlesbarer Form via API zur Verfügung, könnte man interessante Bezüge herstellen, die uns helfen würden die Frage zu beantworten, ob dieses Sparprogramm ein sinnvolles und ausgewogenes ist, oder nicht.

Programmieren als erste Fremdsprache in der Primarschule

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Mir ist diese Tage wieder klar geworden, wie wichtig es eigentlich wäre, dass den Kindern so früh wie möglich und so umfassend wie möglich beigebracht wird, wie sie Herrscherinnen über die Maschinen werden.

Da reicht es nicht zu lernen, dass die Computer die Daten binär speichern oder wie man Formatvorlagen in Text­verarbeitungs­programmen nutzt. Das Wissen über die Art und Weise, wie die Informatik-Infrastruktur, die letztendlich jeden unserer Lebensbereiche betrifft, zu beherrschen ist, ist grundlegend für den Erhalt der Freiheit.

Wenn dieses Wissen nur in den Händen einer relativ kleinen Technologie-Elite liegt, ist die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr in der Lage fundierte und mündige politische Entscheidungen zu treffen.

Dabei sind immer mehr politische Fragen mit informationstechnischen Aspektkten verbunden. Wenn wir zum Beispiel diese Tage über den Überwachunsgsstaat Schweiz sprechen, der durch die Revision des BÜPF und die Einführung eines neuen Nachrichtendienstgesetztes massiv ausgebaut werden soll, wenn wir über die Einrichtung von Netzssperren und einer Zensurinfrastruktur sprechen, welche die Arbeitsgruppe AGUR12 vorschlägt, wenn wir über die Verletzungen der Netzneutralität durch die Zugangsprovider debattieren, dann sind das alles höchst relevante gesellschaftspolitische Fragen, die ohne grundlegende Informatikverständnisse schwierig zu fassen sind. Und es sieht sehr danach aus, dass die Liste der Themen, für welche dies auch der Fall ist, weiterhin zunehmen wird.

In Estland wird offenbar ab der 1. Klasse programmiert, das sollten wir uns auch überlegen. Wenn die Kinder Programmieren lernen, werden sie zu mündigen Menschen, die ihre Gesellschaft gestalten können, wenn sie blos lernen eine Textverarbeitung zu nutzen, werden sie einfach zu Humankapital.

(Bild: © Leo - Fotolia.com) 

Wir sind nicht schutzlos ausgeliefert - Lasst uns Hippies sein!

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Eines der vielen Essays, die derzeit die Welt überziehen, und davon erzählen, dass die Utopie des freien und offenen Netzes naiv gewesen sei und dass diese nach den Enthüllungen von Edward Snowden nun endgültig begraben werden können, schliesst mit der Aussage, dass wir "der Aufmerksamkeit der Datensammler" schutzlos ausgeliefert sind (Dr. Tilman Baumgärtel, NZZ print/epaper, 3. Juli 2013, S. 45, Webpaper Guest-Link).

Diese Aussage ist schlicht falsch und zeugt von einem staatsbürgerlichen Selbstverständnis, welches uns weiterhin Sklaven halten liesse, wäre eine solche Grundhaltung die letzten 300 Jahre von allen Bürgern geteilt worden.

Erstens ist es nicht falsch, sich eine bessere Welt vorzustellen und diese gestalten zu wollen, auch im Wissen darüber, dass es Ansichtssache sein kann, was denn eine bessere Welt sein soll.

Zweitens ist es immer noch so, auch wenn es zunehmend schwieriger wird, daran zu glauben, dass wir, die Menschen in demokratischen Ländern, die Möglichkeit haben, die Politik zu gestalten.

Es wäre ein grosser Fehler, die Ideale des offenen Netzes aufzugeben, nur weil sich die Überwachungsfanatiker in den letzten Jahren klammheimlich haben durchsetzen können. Und deswegen das Netz zu verteufeln und sich quasi davon zu verabschieden, oder sich in Alternativ-Netze zu verkrichen, käme einer vorzeitigen Kapitualtion gleich.

Denen, die im Netz eine noch nie dagewesene Möglichkeit zur Emanzipation der Menschen und zur Schaffung einer freieren und gerechteren Welt sehen, vorzuwerfen, sie seien naive Hippies, ist ziemlich einfach, aber leider oft sehr wirksam. Es braucht allerdings nicht viel rhetorisches Geschick, andere lächerlich zu machen, doch deutet dies meistens auf fehlende Argumente und moralische Schwäche hin.

Es mag zwar so sein, dass die Welt und die Menschen nicht einfach "nur" gut sind, was den Netz- und anderen Hippies aller Zeiten als elementare Fehleinschätzung vorgeworfen wird. Aber das Gegenteil trifft auch nicht zu. Die Welt und die Menschen sind nicht "nur" schlecht. Wir können eben beides sein. Wir können uns entscheiden. Wir können für unser Handeln Verantwortung übernehmen. Darum ist es absolut legitim, sich die Frage zu stellen, ob wir unsere Politik, sprich die Art und Weise wie die Gesellschaft organisiert sein soll, auf das Gute oder auf das Schlechte im Menschen ausrichten sollen.

Ich bin klar der Meinung, dass wir uns auf das Gute im  Menschen, auf die Empathiefähigkeit und das Vermögen moralische Urteile fällen zu können, konzentrieren sollten. Das ist nicht naiv, sondern das einzig Richtige. Ohne diese Haltung gäbe es keinen sozialen Fortschritt in der Gesellschaft. Nur weil es immer wieder Menschen gegeben hat, die an das Gute in uns geglaubt haben und die sich eine bessere Gesellschaft haben vorstellen können, sind  wir heute da, wo wir sind. Und bei aller berechtigten Kritik an unserer gesellschaftlicher Situation, in den letzten 300 Jahren wurde viel erreicht.

Es ist wie gesagt einfach, sich zurückzulehnen und zu behaupten, die Welt ist schlecht und wer etwas anderes sieht, ist selber schuld, wenn er daran leidet. Diese Haltung, wenn sie auch von einigen geteilt wird, bringt uns aber in eine moralische Abwärtsspirale. Weil die Menschen schlecht seien, müssen wir sie überwachen und bespitzeln und immer auf der Hut sein. In der Konsequenz heisst diese Haltung, dass wir uns auf einen permanenten Kampf eines jeden gegen jede einrichten müssen, oder den totalen Staat, den Hobbesschen Leviathan, herbeiwünschen sollen, um dies zu verhindern.

Es gibt aber im Leben immer mehrere Alternativen, auch wenn es heute zunehmend en vogue ist, zu behaupten, dass es keine gäbe. Wir können die politischen Strukturen einer Gesellschaft auch so gestalten, dass sie das Gute im Menschen fördern. Die Kommunikationsinfrastruktur kann so reguliert werden, dass sie der Gesellschaft und damit allen Menschen dient, oder so, dass sie nur einer bestimmten Gruppe, z.B. der Kapitalelite, oder der politischen Führungselite dient. Wir haben die Wahl, wir können uns entscheiden, wir können führen, wir können gestalten.

Natürlich ist mir auch klar, dass wir in der Schweiz oder in Deutschland nicht direkt die Politik der USA oder anderer Länder bestimmen können. Und auch ist mir klar, dass wir in einer globalisierten Welt internationalen Rahmenbedingungen ausgesetzt sind.  Doch Rahmenbedingungen gibt es immer. Wir müssen unser Leben und unsere Umgebung immer den Rahmenbedingungen anpassen, bzw. damit leben, dass gewisse Veränderungen lange dauern. Doch das heisst doch nicht, dass wir einfach alles, was falsch läuft, hinnehmen müssen. Wir haben Spielraum und der ist immer auch viel grösser, als wir jeweils annehmen.

In der Schweiz steht derzeit zum Beispiel vieles, was mit der Frage der Gestaltung der Internet-Infrastruktur zu tun hat, auf der politischen Agenda. So sind eine Revision des Gesetztes zur Überwachung des Fernmeldewesens (BÜPF) auf der Traktandenliste , welche den Überwachungsstaat massiv ausbauen will, gleichzeitig wird in einer Arbeitsgruppe zum Urheberrecht (AGUR12) über den Aufbau einer Zensurinfrastruktur diskutiert und der Schweizerische Nachrichtendienst will sich durch ein neues Nachrichtendienstgesetzt (NDG) ähnliche Rechte verschaffen, wie wir sie gerade in den USA kritisieren.

Erstaunlicherweise macht sich nur wenig Opposition zu diesen Vorhaben bemerkbar. Es scheint, als wären wir paralysiert ob der schieren Menge der Angriffe auf unsere Freiheit. Wo sind die liberalen Werte der FDP geblieben, wo sind die freiheitlichen und staatskritischen Ansprüche der SP gelandet? Einzig die Grünen setzen sich derzeit, neben den Piraten, ernsthaft mit dem Thema Netzpolitik auseinander. Wie kann es sein, dass nahezu die komplette politische und wirtschaftliche Elite in diesem Lande, bei solchen Fragen einfach mit Achselzucken reagiert und jeden Gestaltungswillen verloren zu haben scheint. Was ist mit Aktivisten aus der Zeit der Fichen-Affäre geschehen, die heute in den Direktionen der Amtsstuben und den politischen Führungsgremien sitzen? Wo sind all die Hippies nur geblieben?

Nein, wir sind nicht schutzlos ausgeliefert, wie das der Autor des oben erwähnten Essays suggeriert. Wir, die in demokratischen Staaten leben, können, auch wenn sie bereits auf dem Weg zur Postdemokratie sind, anders entscheiden. Wir müssen nur wollen.

Für die Schweiz hiesse dies: Nein zum Überwachungsstaat, und damit komplettes versenken der BÜPF-Revision und des Gesetzes zum Nachrichtendienst. Auflösung der AGUR12, die, wie sich gezeigt hat, nichts anderes vor hat, als eine Netzzensur-Infrastruktur in der Schweiz zu etablieren und deren Glaubwürdigkeit durch die einseitige Zusammensetzung nicht gegeben ist, sowie der Festschreibung der Netzneutralität in der Verfassung, damit wir nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, wie dies in Deutschland und in anderen Ländern der Fall ist.

Diese drei einfachen Punkten könnten jederzeit in der Schweiz umgesetzt werden. Wir hätten zwar dann noch nicht eine bessere Welt geschaffen, aber auf jeden Fall eine schlechtere verhindert.

Derzeit gefordert sind natürlich in erster Linie die politischen Akteure, unsere Vertreter in den Parlamenten und Behörden. Doch diese Fragen gehen uns alle an. Wir sind dazu verpflichtet uns damit auseinander zu setzen und gegenüber unseren gewählten Stellvertretern klar zu machen, was wir von Ihnen erwarten und wenn nötig, unsere direkt demokratischen Mittel zu nutzen.

Nein, wir sind nicht schutzlos ausgeliefert. Lasst uns Hippies sein und die Welt verbessern. Weg mit der BÜPF-Revision und dem NDG, weg mit der AGUR12, Netzneutralität in die Verfassung.

(Bild: © leszekglasner - Fotolia.com)