50 Jahre Kassette - Das Jammern der Musikindustrie

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Vor 50 Jahren hat Philips an der IFA ihre Compact Cassette vorgestellt. Nehmen wir diesen netten Geburtstag doch wieder einmal zum Anlass, uns vor Augen zu führen, wie die Musikindustrie normalerweise auf Innovationen reagiert. Sie jammert und schreit, dann setzt sie ihren Lobby-Apparat in Bewegung und versucht die Technologie, die sie stört, zu verbieten und wenn das nicht geht, wenigstens zu melken.

Lesen wir ein paar Beispiele:

Im Spiegel Nr. 17 von 1977 im Artikel "Klang-Supermarkt zum Nulltarif

Vor allem die Leerkassette stellt die Musikfirmen vor kaum lösbare Probleme: Sie verlieren durch Überspielungen in Westdeutschland pro Jahr rund eine Milliarde Mark. Das Unterhaltungsgewerbe steuert in eine Existenzkrise. 

oder: 

Durch den Vormarsch der Leerkassette werden die Plattenfirmen zu empfindlichen Budget-Kürzungen gezwungen sein. Sie werden qualifizierte Mitarbeiter entlassen und ihr Repertoireangebot drastisch einschränken müssen. Nur noch Spezialitätenprogramme, die der Rundfunk nicht oder selten sendet, sowie attraktive Hit-Koppelungen, die nur mühsam do-it-yourself aufzunehmen sind, haben künftig noch eine nennenswerte Umsatzchance.

Wir wissen es mittlerweile besser. Die Musik-Grossindustrie hat überlebt, was eigentlich schade ist, denn die Musik selbst wäre ja auf keinen Fall untergegangen und wir müssten nicht unsere Zeit damit verbringen, gegen absurde und schädliche Forderungen dieser Überlebenden zu kämpfen.

In einer Bravo von 1977 im Artikel "Hits zum Nulltarif - Sind Leer-Cassetten der Tod der Schallplatte?"

Friedrich Schmidt von der Ariola Geschäftsleitung dazu: "In der Bundesrepublik verursachen die Leer-Cassetten für die Schallplattenindustrie einen Umsatzverlust von mehr als einer Milliarde Mark. Darunter leiden natürlich auch Komponisten, Texter, Verleger und die Künster. Wenn die Umsätze weiter zurückgehen, so wird sich das in erster Linie auf das Suchen nach neuen Wegen in der Musik auswirken. 

Das ist ein wunderbar unverfrorenes Argument. Die Experimentierfreude der Musiker und Musikerinnen und damit die künstlerische Weiterentwicklung der Musik ist direkt von den Umsätzen der Grossindustrie abhängig.  

und in der Zeit Nr. 36 von 1976 - Flop mit Pop wird sogar das Ende der Schallplatte auf die kommenden 1980er Jahre prognostiziert:

Die Cassette“, klagt Phonographie-Funktionär Thurow, „ist ein sehr zweischneidiges Ding.“ Schwarzmaler sehen es simpler: Sie prophezeien bereits für Anfang der achtziger Jahre „die letzten Tage der Schallplatte“ (Deutsche Zeitung).

Natürlich haben sie die CD damals noch nicht kommen sehen, und meinten mit dem Tod der Schlallplatte auch gleich den Tod der Industrie. Das liegt wahrscheinlich an der fehlenden Kreativität und Vorstellungskraft von Managern, die in gesättigten Oligopolstrukturen ihrer langweiligen Verwaltungstätigkeit nachgehen. 

Die Geschichte wiederholt sich immer und immer wieder. Wie wir auch im oben erwähnten Spiegel Beitrag nachlesen können:

Schon einmal, bei der Umstellung von der zerbrechlichen Schellack-Scheibe mit 78 Umdrehungen pro Minute auf die unzerbrechliche 33er PVC-Longplay, leistete die notorisch konservative Musikindustrie verbissen Widerstand.

Auch interessant, dass die Industrie in den 1970er Jahren, so wie sie heute Netzsperren fordern, die Radiostationen dazu zwingen wollten, Störsignale zu senden, damit die Sendungen nicht aufgezeichnet werden können. Man beachte auch hier den Hinweis darauf, dass ein solches System sehr einfach zu umgehen gewesen wäre:

Ein von der Londoner EMI patentiertes, unhörbares Störsignal, das den Radiomitschnitt gesendeter Schallplattenmusik verhindern würde, scheint nicht zum Zuge zu kommen. Die Sender mußten, um Mitschnitte generell zu verhindern, gezwungen werden, alle ausgestrahlte Musik mit dem Störcode zu versehen -- eine unpopuläre Maßnahme. Aber selbst wenn sie gelänge, wäre das Störsignal durch ein billiges Zusatzteil im Empfänger zu knacken.

Das sollte uns allen Mahnung sein, nicht wieder auf das Gejammere der Musikindustrie einzugehen und die Vorschläge der AGUR12 auch unter diesem Blickwinkel zu betrachten. Zum wiederholten Male, will die Musik-Grossindustrie ihre Machstellung sichern. Diesmal allerdings mit gravierenden Folgen für uns alle, wenn sie damit durchkommen, was sie in der AGUR12 vorschlagen.  

Squarespace Note für iPhone - Empfehlenswert

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Als Squarespace Note vor ein paar Monaten vorgestellt wurde, dachte ich mir, die sollten besser ihre Energie in die eigene Plattform investieren, als noch eine weitere Note App in den AppStore zu legen.

Das war falsch gedacht. Squarespace Note ist die beste Notiz-App, die ich bisher gesehen habe, denn sie versucht erst gar nicht selber Speicherort Deiner Notizen zu sein. Die Entwickler von Squarespace haben begriffen, dass wir längstens entschieden haben, wo wir unsere Notizen speichern wollen. Bei Evernote, im Google Drive, in der Dropbox, in Social Media Kanälen, in der E-Mail Inbox, oder im eigenen Blog.

Der Schwerpunkt der App liegt denn auch darin, es uns so einfach wie möglich zu machen, schnell eine Notiz zu schreiben und diese dann an einen der genannten Speicherorte zu senden.

Die App ist also auch dann sehr nützlich, wenn man nicht Nutzer der Squarespace Plattform ist. Ein interessanter Weg, um ganz nebenbei auf die eigene Lösung aufmerksam machen. App-Marketing statt Content-Marketing sozusagen.

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Byby Squarespace 5, welcome Squarespace 6

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Vor etwas mehr als einem Jahr hat Squarespace ihre neue Plattform V6 vorgestellt. Ich habe heute dieses Blog auf das neue System migriert und biete nun auch endlich ein Responsive Design an.

Squarespace V6 bietet viele interessante neue Funktionen, ist aber insgesamt weniger Flexibel als die alte Version. Ich werde wohl früher oder später auch mit dieser Site zu Wordpress wechseln. Heute hat die Zeit dafür nicht gereicht.  

UPDATE: Ich werde wohl doch nicht in absehbarer Zeit zu Wordpress umziehen. Nachdem ich  nun die ersten 24h mit Squarespace V6 gearbeitet habe, steigt meine Begeisterung zunehmen. Insbesondere der Editor ist fantastisch. 

Open Knowledge Conference (OKCon) 2013

Vom 16. bis 18. September findet mit der OKCon 2013 in Genf eine der weltweit wichtigsten Konferenzen zu Open Knowledge und Open Data statt*. 

Organisiert wird der Event dieses Jahr vom Verein opendata.ch der zugleich auch das Swiss Chapter der Open Knowlegde Foundation, der Trägerin der OKCon 2013, repräsentiert. 

3 Tage Vorträge, Workshops, Diskussionen und Meetings mit Open Knowledge Denkern und Innovatoren aus aller Welt. Das vielfältige und spannende Programm ist in folgende Themenbereiche eingeteilt: 

Für die Anreisenden aus der Deutschschweiz gibt es den Open Knowlegde Train, ein Meetup im IC 716 Abfahrt 08:11 ab St.Gallen mit Halt in Winterthur (08:58) , Zürich (09:32), Bern (10:34) , Fribourg (10:56) und Lausanne (10:42), Ankunft in Genf um 12:15. 

Lasst Euch diese Gelegenheit nicht entgehen. Bis die nächste OKCon wieder in der Nähe stattfindet, wird wohl einige Zeit vergehen.

(*Disclosure: Ich bin mit buch & netz Official Supporter der OKCon 2013)

Open Source Möbel

Mozilla hat ihr Büro in Japan mit Open Source Möbel ausstatten lassen, einzelne Designer bieten ihre Arbeiten bereits zum Download an und mit OpenDesk.cc gibt es eine äusserst nützliche Plattform für die Unterstützung der Beteiligten im Produktionsprozess.

Die Pläne der vorgestellten Holzmöbel können entweder downgeloaded und für die eigene Fertigung der Möbelstücke verwendet werden, oder man wählt einen lokalen Schreinereibetrieb, ein FabLab oder eine offene Werkstatt, in welcher die Produkte hergestellt werden können.

Open Source für "Alltags-Hardware" ist nichts neues. Die OpenDesk.cc Plattform zeigt aber sehr schön, wie ein Ökosystem, welches auf offenem Wissen basiert, funktionieren kann.

Die Designs sind unter einer Creative-Commons Non-Commercial Lizenz publiziert. Das bedeutet, für den privaten Gebrauch können diese jederzeit genutzt und weiter kopiert werden. Natürlich kann auch eine Schreinerei damit beauftragt werden, die Möbel nach diesen Plänen herzustellen. Weiterhin ist es möglich, gleich auf der Plattform aus einer Liste von offiziellen Herstellern einen zu wählen, und diesen mit der Produktion zu beauftragen. 

Für Handwerksbetriebe besteht die Möglichkeit eine Wiederverkäufer-Lizenz zu erwerben, um die Möbel lokal herzustellen und verkaufen zu können. Gleichzeitig ist man dann auch in der erwähnten Liste der offiziellen Herstellerbetriebe aufgeführt, die vom User der Plattform direkt als Produktionsbetrieb gewählt werden können.

In der Schweiz gibt es bislang noch keine Schreinerei oder ähnliches, aber die Chancen stehe nicht schlecht, dass es auch hierzulande bald Betriebe geben wird, die sich solchen Initiativen anschliessen.

Das Modell ist in jeder Hinsicht vorbildlich für eine, sowohl in ökologischer, wie auch in sozialer Hinsicht nachhaltiger organisierten Welt. Anstelle ein paar weltweit dominierenden Superherstellern, die die Produktion zentralisieren, das Kapital akkumulieren und den globalen Transport von Materialen anfeuern, werden dereinst solche weltweite dezentrale Netzwerke aus lokalen Herstellern, Designern und Nutzern die Grundlage unserer Wirtschaft darstellen.

Darum ist Open Knowledge in jeder Hinsicht zu unterstützen. Es gehört zu den wichtigsten Konzepten für die Gestaltung unserer Zukunft. Vom 16. bis 18. September findet mit der OKCon 2013 übrigens die wichtigste Konferenz zum Thema Open Knowledge in Genf statt.*

(*Disclosure: Ich bin mit buch & netz offizieller Supporter der OKCon 2013)
(Bilder: Website opendesk.cc)
(via TechCrunch)

Überwachungsstaat: «Das kann ja nicht die Lösung sein»

Der Autor Ilija Trojanow hat 2009 zusammen mit Juli Zeh das Buch «Angriff auf die Freiheit: Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte» veröffentlicht. Gestern hat Simone Fatzer ein kurzes Gespräch mit ihm im Echo der Zeit geführt.

Auf die Frage, ob er denn nun, in Anbetracht der durch Edward Snowden bekannt gewordenen Überwachungsaktivitäten der westlichen Demokratien, auf gewisse Kommunikationsmittel bewusst verzichte, antwortete er:

Nein, das kann ja nicht die Lösung sein. Es kann ja nicht die Lösung sein, dass aufgrund einer perversen staatlichen Dauerüberwachung, ich als Bürger gezwungen werde, irgendein Instrument, irgendeine Kommunikationsform, die mein Leben erleichtert, nicht zu nutzen. Genauso, wie ich es problematisch finde, dass manche Menschen sagen: "Gut, nun werde ich absolut alles verschlüsseln und geheimhalten". Dieser Zwang, dass man selber dann beginnt, solche Paranoiden verhaltensweisen nachzuahmen, ist an sich für mich schon nicht akzeptabel.

Immer wieder wird ja vorgeschlagen, dass wir einfach unsere E-Mails verschlüsseln sollen. Oder auch, dass wer Cloud-Dienste nutze, schlicht selber schuld sei. Das ist eine erstaunliche Haltung. Nur weil es technisch möglich ist, unsere E-Mails und andere Daten zu lesen, ist es noch lange nicht richtig, dass wir das zulassen. Wir hätten früher auch nicht akzeptiert, wenn ähnliches mit der Briefpost geschehen wäre. Wir dürfen nun nicht klein beigeben und uns zurückziehen, sondern müssen von der Politik verlangen, dass sie im Sinne der Bürgerrechte handelt und nicht gegen sie.

Ein Problem der Geheimdienste ist gemäss Trojanow:

...dass gerade im geheimen wirkende Bürokratien, jede technische Möglichkeit und jede rechtliche Grauzone, die sich ihnen bieten, auch ausnutzen. Das heisst, Selbstkontrolle gibt es bei Geheimdiensten nicht. Die einzige mögliche Kontrolle ist die einer demokratischen Transparenz.

Ich würde weiter gehen und sagen, dass überhaupt keine Kontrolle möglich ist. Darum sollten wir in der Schweiz auf jeden Fall darauf verzichten unseren Geheimdienst mit weiteren Werkzeugen auszustatten. Das Beste was man tun kann,  ist, auf solche Organisationen im Staat zu verzichten, oder ihnen wenigstens nur die allernötigsten Rechte zuzugestehen.

Und noch einmal zur Wiederholung für alle, die denken, dass das alles nicht weiter schlimm ist, weil sie ja nichts zu verbergen haben:

Die genaue Lektüre, nicht nur meiner Akte, sondern auch vieler anderen Akten zeigt, dass es eine Irrealität gibt, die entsteht. Aufgrund dessen, dass man alles beobachtet, ist natürlich auch ein Generalverdacht auf alles gelegt, und dieser Generalverdacht trägt in sich eine Ernergie, die bestätigt sein will. Das heisst, es ist geradezu unmöglich, davor unschuldig zu wirken. Auch scheinbar naives oder harmloses verhalten erscheint aufgrund dieser tendenziösen Beobachtung dann als verdächtig.

Das sollte uns in der Schweiz an den Fischenskandal erinnern und diese Erinnerung wäre doch schon Grund genug, ein Nachrichtendienstgestzt wie es geplant ist, gar nicht erst zu diskutieren. Und sollte es trotzdem im Parlament durchkommen, müssen wir uns schon jetzt bereit machen:

Ich glaube dass entscheidende ist, dass man früh und wirklich heftig jetzt Widerstand leistet. Diese wirklich verlogene Schutzbehauptung, es sei zu Sicherheit des Bürgers gedacht, die dürfen die Bürger auf gar keinen Fall akzeptieren.

Hier ist das ganze Gespräch aus dem Echo der Zeit von SRF4 News vom 8. August 2013:

 (Bild: © kebox - Fotolia.com)

Bruno Spoerri - Schweizer Synthesizer-Pionier mit seinem EMS Synthi 100

Bruno Spoerri war wohl einer der ersten Musiker in der Schweiz, der sich der elektronischen Musik verschrieben hat. Das SRF Archiv hat kürzlich diese grossartige Aufzeichnung von 1972 in ihrem YouTube Channel veröffentlicht. Bruno Spoerri erklärt uns anhand der Eurovisions-Erkennungsmelodie von Marc Antoine Charpentier, wie sein EMS Synthi 100 funkioniert.

Der teure, und wie man sieht riesige EMS Synthi 100 war quasi der grosse Bruder des kompakteren EMS VCS-3. Spoerri hatte das Teil ursprünglich zusammen mit Hanns Kennel und Freddy Burger bestellt. Diese sind dann aber noch vor der Lieferung vom Kauf zurückgetreten, was den unerschrockenen Musiktüftler nicht davon abgehalten hat, das Risiko alleine einzugehen und sich das Ding in den Keller zu stellen.

In seinen äusserst lesenswerten «Erinnerungen an fast 50 Jahre Elektronik», lesen wir dazu:

Ich entschied mich todesmutig für das Letztere und entschloss mich, den Keller im Einfamilienhaus in Schlieren in ein Tonstudio umzubauen. Dabei zeigte sich zuerst, dass keine Türe breit genug war, um den Transport des Synthesizers ins Studio zu ermöglichen, also liess ich die Türe verbreitern. Dann kam die Idee, mit dem Synthesizer für grosse Auftritte zu reisen (ich stellte mir das Gewicht des Dings nicht sehr realistisch vor), und so kaufte ich einen neuen Volvo mit erhöhtem Dach. Das war eigentlich ein Krankenwagentyp, der aber auch vom Fernsehen für Reportagewagen gebraucht wurde – mit dem Effekt, dass beim Fernsehstudio die Schranke sofort hochging, wenn ich nur in die Nähe des Studios kam.... (Der Volvo als Transportmittel war natürlich eine Schnapsidee – ich transportierte das Ding später zwar ein oder zwei mal ins Fernsehstudio für eine Sendung, aber mit einem Möbelwagen.)

Im Video sehen wir, dass bereits damals ein Sequenzer integriert war. Spoerri spricht von "programmieren". In den Spezifikationen zum Synthesizer (PDF) steht zum Thema Computer:

The basic software comprises a Text Editor, for the preparation and correction of the MUSYS scores, a Compiler, which translates the scores into lists of numbers to the devices under the control of the clock. There is also a program called Sequencer, which simply uses the storage units of the computer to store data provided by the SYNTHI 100 (from the keyboards, for example).

bzw.

With a solid state storage capacity of 10,240 bits, the new sequencer is capable of precisely controlling 6 different simultaneous parameters over a sequence of 256 successive events. There are several modes of operation and full, easy to operate editing facilities, so that any or all of the 256 stored items and their time relation- ships may be changed without difficulty.

Wenn ich das richtig verstanden habe, sprechen wir von ca. 1 Kbyte Speicherplatz! Ja, die mussten noch sparsam umgehen mit den Ressourcen. 

Bruno Spoerri ist war auch als Musikhistoriker tätig. 2010 ist sein zweites Buch mit dem Titel «Musik aus dem Nichts - Geschichte der elektroakustischen Musik in der Schweiz» im Chronos Verlag erschienen und in der WOZ eine Rezension dazu.

Hier ist noch einmal etwas altes und neueres Spoerri & EMS Synthi 100 Material aus einer Kulturplatz Extra Sendung wahrscheindlich aus dem Jahre 2010 (YouTube Video):

Und wer mehr wissen will, klickt auf diese Links:

Deliberative Demokratie und Partizipation ermöglichen mit Loomio

Demokratie, die diesen Namen auch verdient, bedeutet mehr als Abstimmungen & Wahlen durchzuführen. Sowohl Repräsentation (durch Wahlen) als auch Mehrheitsentscheide (durch Abstimmungen) bringen das Problem mit sich, dass sich einzelne Individuen und Minderheiten gegen ihren Willen, Entscheiden von anderen unterordnen müssen.

Ich weiss, das Problem ist wohl nie vollständig aus der Welt zu schaffen, aber es ist sehr wohl möglich, demokratische Prozesse so zu gestalten, dass die Anzahl der "Unterdrückten" möglichst klein wird.

Als erstes sollte man natürlich immer fragen, ob es überhaupt einen kollektiven Entscheid zu einem bestimmten Thema braucht. Das ist die beste Möglichkeit den Freiraum des Einzelnen oder der von Minderheiten nicht einzuschränken. Aber natürlilch bleiben trotzdem noch sehr viele Situationen übrig, in welchen gemeinsame Entscheide zu Fällen sind, wir sind ja nicht Inseln, sondern Menschen in Gesellschaft.

Als nächstes sollte die Ebene auf welcher entschieden werden muss, so tief wie möglich gesetzt sein, sodass vor allem diejenigen entscheiden, die vom Entscheid auch betroffen sind (Subsidiaritätsprinzip). Jetzt erst stellt sich die Frage, wie der kollektive Entscheidungsprozess ausgestalltet sein müsste.

Die häufigste Form dabei ist die Abstimmung mit Mehrheitsentscheid nach einer Diskussion der Argumente. Das Problem dabei ist aber, dass meistens nicht alle, die das wollten, an der Diskussion teilnehmen können und dass die Diskussion meistens nur so lange geführt wird, bis sich eine Mehrheit abzeichnet. Die Minderheit hat dann in der Regel das Nachsehen.

Eine besserer demokratischer Prozess würde nicht einen Mehrheitsentsched anvisieren, sondern einen Konsens. Dafür müsste die Diskussion aber besser organisiert werden und sie müsste so lange dauern, bis der Konsens hergestellt ist (Deliberative Demokratie).

Nur bei solchen Entscheiden tragen alle Beteilgten diesen auch wirklich mit und vor allem gibt es keine Minderheit die von der Mehrheit in ihren Freiheiten beschnitten wurden.

Und bevor jetzt jemand aufschreit, schreibe ich hier deutlich, dass ich mit Freiheit nicht Egoismus meine und auch nicht blos "negative" Freiheit im Sinne des Fehlens des Zwangs, sondern insbesondere die Freiheit des Individuums die Kollektive denen es angehört auszuwählen und diese mitzugestalten. Mir ist auch klar, dass gerade das Auswählen der Kollektive nicht radikal implementierbar ist. So haben wir die Familie nicht gewählt, aus der wir entstammen und wir können auch nicht einfach so mal den Staat wechseln in dem wir politisch mitbestimmen. Aber immerhin sollten wir auch die Kollektive, die wir nicht gewählt haben, wenigstens mitgestalten können. 

Die Open-Source Software Loomio aus Neuseeland bietet einen interessanten Ansatz bzw. ein nützliches Werkzeug um deliberative Demoktratie in der Praxis umzusetzen.

Loomio Demo 1 from Enspiral on Vimeo.

Zu einem Thema wird eine Website erstellt, auf welcher dann das Thema eingiebig diskutiert werden kann. Jederzeit kann jeder Teilnehmer eine Lösung vorschlagen, auf welche dann die Teilnehmer verschieden reagieren können. 

  • Sie können sich damit einverstanden erklären.
  • Sie können sich der Stimme enthalten und gleichzeitig deklarieren, dass es ihnen nicht so wichtig ist und sie als Teil des gefunden Konsens betrachtet werden können, auch wenn sie nicht Stellung bezogen haben.
  • Sie können erklären, dass sie nicht unbedingt mit dem Vorschlag einverstanden sind, dass sie aber den Entscheid akzeptieren wollen und somit auch Teil des Konsens sind.
  • Sie können den Entscheid blockieren und denklarieren, dass sie einen solchen Entscheid nicht mittragen können.

Es ist auch jederzeit möglich die Diskussion wieder aufzunehmen und neue oder abgeänderte Vorschläge zu bringen, bis sich ein Konsens eingestellt hat.

Das ist genau die Art und Weise, wie Demokratie funktionieren sollte und zwar möglichst überall. Mit überall meine ich die vielen Bereiche, insbesondere in der Wirtschaft aber auch in der Politik, die von solchen Partizipationsmöglichkeiten noch weit entfernt sind. Fast alle unsere Organisationen funktionieren wenn überhaupt demokratisch, dann nach dem Prinzip der Repräsentation. Ich glaube, dass solche internetbasierten Werkzeuge, auch wenn diese noch sehr rudimentär sind, in Zukunft viel mehr direkte und deliberative Partizipation ermöglichen als bisher und dadurch ein höhere Engagement der Beteilgiten bewirken. 

Ich kann diesen Blogpost natürlich nicht beenden, ohne auch auf die Liquid Democracy Konzepte der Piratenparteien und auf die Plattform Adhoracy.de aufmerskam zu machen, die ähnliches wie Loomio ermöglicht.

Mir ist auch klar, dass es noch viele offenen Fragen zu beantworten und einige Probleme zu lösen gibt. Aber wir müssen uns ja nicht als erstes darauf konzentrieren, warum etwas nicht funktionieren kann, sondern wie es funktionieren könnte, wenn wir es gut und richtig finden, nicht wahr.

(Bild: © intheskies - Fotolia.com)

Tageszeitungsproduktion in Brasilien 1942

Dieser kurze und interessante Propaganda-Film des "U.S. Office of Inter-American Affairs" aus dem Jahre 1942, zeigt uns wie eine Zeitung in den 1940er Jahren produziert wurde.

Es ist schon erstaunlich zu sehen, dass eine solch komplexe Prozesskette tatsächlich funkionierte und jeden Tag eine Zeitung erscheinen lies.

Weiterhin zeigt und dieses Video aber auch, dass der grösste Teil der Arbeiten, die früher geleistet werden mussen, damit eine Nachricht vom Ort des Geschehens zum Rezipienten gelangen konnte, heute obsolet sind. Ein Prozess mit dutzenden von Zwischenschritten, der nur unter Einsatz von vielen verschiedenen Arbeitskräften bewältigt werden konnte, ist heute mit ein paar Mausklicks erledigt. Eine Nachricht kann im Internet-Zeitalter ohne grossen Aufwand von fast jedem Ort der Welt ins Netz publiziert und von dort innert Sekunden via Social Media verteilt werden. Natürlich ist damit nicht die jounalistische Arbeit gemeint, sondern, wie hier im Film gezeigt, die möglichst schnelle Verbreitung von relativ "nakten" News.