Der Hauseigentümerverband liegt falsch mit seinem Fahnen-Verbot

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Der Hauseigentümerverband HEV stört sich an politischen Fahnen, insbesondere an der, die die Befürworter der 1:12 Initiative verteilen.

Er macht die Mieter darauf aufmerksam, dass für den Aushang von Fahnen an Balkonen, Fenstern und Fassaden vom Vermieter oder der Stockwerkeigentümergemeinschaft eine Bewilligung einzuholen sei und rät gleichzeitig davon ab solche Bewilligungen zu erteilen. Begründet wird dieser Ratschlag einerseits ästhetisch:

Solche Bewilligungen führen über kurz oder lang zu einem missliebigen Wildwuchs, der dem optischen Eindruck einer Liegenschaft abträglich ist.

aber auch mit dem Potential den Hausfrieden zu stören: 

Zudem können derartige Bewilligungen zu Streitigkeiten unter Mietern und Stockwerkeigentümern führen, was den Hausfrieden empfindlich stören kann.

Beide Argumente stehen auf schwachen Füssen. Es handelt sich bei politischen Kampagnen in der Regel um begrenzte Zeiträume in welchen diese eine Rolle spielen. Den meisten Liegenschaften ist diese temporäre optische Veränderung durchaus zuzumuten. Es wird niemanden aus ästhetischen Gründen derart schmerzen, dass ein solches Verbot gerechtfertigt wäre. Und was den Hausfrieden betrifft, so sollten wir in einem Land, dass so stolz auf seine direkte Demokratie ist, wohl auch eine politische Streitkultur entwickelt haben, die verschiedene Ansichten in einem Haus zulassen.

Egal was man von der 1:12 Initiative hält, es ist völlig daneben, zu versuchen, den Befürworten ihre öffentliche Bekundung ihrer Unterstützung des Anliegens zu verbieten.

Die eigene politische Haltung zeigen zu können, ohne Repressalien vergegenwärtigen zu müssen, ist eine wichtige Errungenschaft unserer Gesellschaft. Es geht nicht, dass es nur den Land- und Hausbesitzern möglich sein soll, Flagge zu zeigen. Diese Rechte und Möglichkeiten müssen auch Mietern und Mieterinnen zur Verfügung stehen. Unabhängig davon, welcher politischen Richtung sie angehören. 

 

Deliberative Demokratie und Partizipation ermöglichen mit Loomio

Demokratie, die diesen Namen auch verdient, bedeutet mehr als Abstimmungen & Wahlen durchzuführen. Sowohl Repräsentation (durch Wahlen) als auch Mehrheitsentscheide (durch Abstimmungen) bringen das Problem mit sich, dass sich einzelne Individuen und Minderheiten gegen ihren Willen, Entscheiden von anderen unterordnen müssen.

Ich weiss, das Problem ist wohl nie vollständig aus der Welt zu schaffen, aber es ist sehr wohl möglich, demokratische Prozesse so zu gestalten, dass die Anzahl der "Unterdrückten" möglichst klein wird.

Als erstes sollte man natürlich immer fragen, ob es überhaupt einen kollektiven Entscheid zu einem bestimmten Thema braucht. Das ist die beste Möglichkeit den Freiraum des Einzelnen oder der von Minderheiten nicht einzuschränken. Aber natürlilch bleiben trotzdem noch sehr viele Situationen übrig, in welchen gemeinsame Entscheide zu Fällen sind, wir sind ja nicht Inseln, sondern Menschen in Gesellschaft.

Als nächstes sollte die Ebene auf welcher entschieden werden muss, so tief wie möglich gesetzt sein, sodass vor allem diejenigen entscheiden, die vom Entscheid auch betroffen sind (Subsidiaritätsprinzip). Jetzt erst stellt sich die Frage, wie der kollektive Entscheidungsprozess ausgestalltet sein müsste.

Die häufigste Form dabei ist die Abstimmung mit Mehrheitsentscheid nach einer Diskussion der Argumente. Das Problem dabei ist aber, dass meistens nicht alle, die das wollten, an der Diskussion teilnehmen können und dass die Diskussion meistens nur so lange geführt wird, bis sich eine Mehrheit abzeichnet. Die Minderheit hat dann in der Regel das Nachsehen.

Eine besserer demokratischer Prozess würde nicht einen Mehrheitsentsched anvisieren, sondern einen Konsens. Dafür müsste die Diskussion aber besser organisiert werden und sie müsste so lange dauern, bis der Konsens hergestellt ist (Deliberative Demokratie).

Nur bei solchen Entscheiden tragen alle Beteilgten diesen auch wirklich mit und vor allem gibt es keine Minderheit die von der Mehrheit in ihren Freiheiten beschnitten wurden.

Und bevor jetzt jemand aufschreit, schreibe ich hier deutlich, dass ich mit Freiheit nicht Egoismus meine und auch nicht blos "negative" Freiheit im Sinne des Fehlens des Zwangs, sondern insbesondere die Freiheit des Individuums die Kollektive denen es angehört auszuwählen und diese mitzugestalten. Mir ist auch klar, dass gerade das Auswählen der Kollektive nicht radikal implementierbar ist. So haben wir die Familie nicht gewählt, aus der wir entstammen und wir können auch nicht einfach so mal den Staat wechseln in dem wir politisch mitbestimmen. Aber immerhin sollten wir auch die Kollektive, die wir nicht gewählt haben, wenigstens mitgestalten können. 

Die Open-Source Software Loomio aus Neuseeland bietet einen interessanten Ansatz bzw. ein nützliches Werkzeug um deliberative Demoktratie in der Praxis umzusetzen.

Loomio Demo 1 from Enspiral on Vimeo.

Zu einem Thema wird eine Website erstellt, auf welcher dann das Thema eingiebig diskutiert werden kann. Jederzeit kann jeder Teilnehmer eine Lösung vorschlagen, auf welche dann die Teilnehmer verschieden reagieren können. 

  • Sie können sich damit einverstanden erklären.
  • Sie können sich der Stimme enthalten und gleichzeitig deklarieren, dass es ihnen nicht so wichtig ist und sie als Teil des gefunden Konsens betrachtet werden können, auch wenn sie nicht Stellung bezogen haben.
  • Sie können erklären, dass sie nicht unbedingt mit dem Vorschlag einverstanden sind, dass sie aber den Entscheid akzeptieren wollen und somit auch Teil des Konsens sind.
  • Sie können den Entscheid blockieren und denklarieren, dass sie einen solchen Entscheid nicht mittragen können.

Es ist auch jederzeit möglich die Diskussion wieder aufzunehmen und neue oder abgeänderte Vorschläge zu bringen, bis sich ein Konsens eingestellt hat.

Das ist genau die Art und Weise, wie Demokratie funktionieren sollte und zwar möglichst überall. Mit überall meine ich die vielen Bereiche, insbesondere in der Wirtschaft aber auch in der Politik, die von solchen Partizipationsmöglichkeiten noch weit entfernt sind. Fast alle unsere Organisationen funktionieren wenn überhaupt demokratisch, dann nach dem Prinzip der Repräsentation. Ich glaube, dass solche internetbasierten Werkzeuge, auch wenn diese noch sehr rudimentär sind, in Zukunft viel mehr direkte und deliberative Partizipation ermöglichen als bisher und dadurch ein höhere Engagement der Beteilgiten bewirken. 

Ich kann diesen Blogpost natürlich nicht beenden, ohne auch auf die Liquid Democracy Konzepte der Piratenparteien und auf die Plattform Adhoracy.de aufmerskam zu machen, die ähnliches wie Loomio ermöglicht.

Mir ist auch klar, dass es noch viele offenen Fragen zu beantworten und einige Probleme zu lösen gibt. Aber wir müssen uns ja nicht als erstes darauf konzentrieren, warum etwas nicht funktionieren kann, sondern wie es funktionieren könnte, wenn wir es gut und richtig finden, nicht wahr.

(Bild: © intheskies - Fotolia.com)

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Es werden auch nach dem 29.11.2009 weiterhin keine Minderheiten in unserem Land daran gehindert Ihre Religion auszuüben. Es werden weiterhin Moscheen entstehen und es werden auch keine Muslime diskriminiert oder gar verjagt werden.

Wenn Mathieu von Rohr auf Spiegel online schreibt:

"dieses vermeintliche demokratische Musterland missachtet das Menschenrecht der freien Religionsausübung und diskriminiert eine einzelne Religionsgruppe, die Muslime."

dann ist das doch reichlich daneben gegriffen.

Und ja, wir sind ein ein demokratisches Musterland, und zwar ein echtes, kein vermeintliches. Dazu gehört nun mal, dass wir über solche Fragen abstimmen dürfen und dass man nicht einfach nur dann die direkte Demokratie gut finden kann, wenn es einem inhaltlich in den Kram passt.