Schallplatten Testhören als Kunde und als Job

Ein kurzes Video aus dem British Pathé Archiv gibt uns Einblicke in die Schallplatten-Industrie in Grossbritannien in den 1960er Jahren (ab 0:38 bis 1:45). In dem gezeigten Shop gab es Hörkabinen für die potentiellen Käufer.  Aber auch in der Fabrikation wurden offenbar stichprobenweise einzelne Schallplatten vor der Auslieferung von Arbeiterinnen testgehört. Was für ein Job! Ich fürchte allerdings, dass sich die armen Frauen tagelang dieselbe Musik anhören mussten.

Nicht gefunden: Stop F/A-18 CD

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Anlässlich der bevorstehenden Gripen-Abstimmung hat es mich interessiert, ob die Songs des GSOA-Samplers zur Stop F/A-18 Initiative von 1993 im Netz zu finden sind. Insbesondere den "Chaschper" von Eugen habe ich gesucht. Ohne Erfolg. Wenigstens kann der Rap "Kasper(li)theater" von "Freedom of Speech" auf YouTube gehört werden.

Song auf der CD zur F/A-18-Initiative 1993. Als im Frühjahr 1992 beide Kammern des Parlaments der Beschaffung von 34 Kampfflugzeugen des Typs F/A-18 zugestimmt hatten, gelang es der GSoA innert 34 Tagen genügend Unterschriften für eine Initiative gegen dieses Vorhaben zu sammeln. Armeekreise bekämpften auch diese zweite GSoA-Initiative.

 

Aus der Realität der Schweizer Pop-Musik in den 1980er Jahren

«Güggu» nannte sich ein selbstgetipptes Kulturmagazin der frühen 1980er Jahre aus dem Oberaargau. Ich weiss nicht wieviele Ausgaben dieses «Szenenblattes für Musik und Kultur im Oberaargau» erschienen sind, zweieinhalb davon sind auf jeden Fall hier im Netz zu finden. Ein spannendes Quellendokument zur Geschichte der Popmusik in der Schweiz.

Offenbar wurde zu dieser Zeit gerade eine Schweizer Tournee mit «Lazy Poker Blues Band», «Stitch» und «Slapstick» organisiert. Drei Bands, die damals zu den regionalen Bekanntheiten der Pop-und Rockszene in der Schweiz zählten, und an die ich mich auch noch vage erinnern kann. Ein Redaktor des «Güggu» hat zu den Hintergründen und der Organisation dieser, durch einen Deodorant Hersteller gesposorten, Tournee ein Telefoninterview mit Roland Frei, dem Lead Sänger der «Lazy Poker Blues Band», geführt. Dieses Gespräch gibt uns einen interessanten Einblick, in die damalige Realität der Schweizer Pop-Musik Szene (Transkript):

 Güggu Gespräch mit Roli Frei über das 8x4 Rock Festival

Aus einem Telefonspräch mit Roland Frei (Lazy Poker Blues Band) (1982)

Anfang Oktober startet das 8x4-R0CK- FESTIVAL mit den Gruppen SLAPSTICK, 5TITCH und LAZY POKER BLUES BAND zu einer 27-5tationen-Tournee quer durch die 5chweiz.Bereits im letzten Jahr wurde eine ähnliche Tour unter dem Titel TOP- POP 81 organisiert. Ebenfalls gesponsert von der Deodorant-Firma 8x4. Mit von der Partie waren da- mals neben der Lazy Poker Blues Band (LPBB), Beau [sic!] Katzmann, Tickets und die Band von Walther Lietha.

Diese Tour 81 wurde vorzeitig abgebrochen da sie finanziell zum Fiasko wurde. Interessant sind die Gründe für dieses Misslingen, Dazu Roli Frei (LPBB) am Telefon:"Das ganze Unternehmen war überdimensioniert. Wir hatten ein Tour-Management, welches normalerweise kommerzielle Veranstaltungen im grossen Rahmen organisiert, wie bspw. mit Peter, Sue & Marc und Betty Legier. Es wurden Pressekonferenzen abgehalten und eine Menge Geld wurde in die Werbung, vorab in Zeitungswerbung verlocht." Roli meint, er sei zwar nicht gegen Zeitungswerbung generell, nach seinen Erfahrungen bringe aber Plakatwerbung viel mehr. Allerdings sei das Plakat für die TOP-POP 81 ebenfalls viel zu aufwendig gewesen. Diesmal wird das Plakat gratis zur Verfügung gestellt.

Ein weiterer Negativ—Punkt : zu grosse Säle. Das Management hatte durchwegs Säle gemietet, welche über 600 Leute fassen. Roli Frei:"Dies entspricht einfach nicht den Gegebenheiten in der Schweiz. Wir hatten bei den paar Konzerten vor Tour-Abbruch zwischen 40 bis maximal 400 Leute. Alles in allem wurde durch diese Ueber-Organisation mit einem falschen Image die falschen Leute erreicht. Nicht zuletzt waren die beteiligten Bands musikalisch einfach zu verschiedenartig."

Nach der letztjährigen Pleite ist es umso erstaunlicher, dass in diesem Jahr erneut eine solche Tour möglich wurde. Erstaunlich vor allem auch deshalb, weil wieder "8x4" die Initiative dazu ergriffen hat! Laut

Roli Frei ist dies vor allem den Bemüngen von Daniel Tobler zu verdanken. Dani Tobler (ein "hohes Tier" bei "8x4") hat einschlägige Erfahrungen, Er war Mitorganisator bei mehreren Augst-Festivals.

Roli Frei:"Die jetzige Tour ist total konträr zu TOP-POP B1. Wir haben ein ganz anderes Konzept und versuchen, die Kosten so tief wie möglich zu halten." - "Wie sieht das denn konkret aus?" Roli Frei: "Nun, erstens einmal liegt das Management praktisch in unseren Händen. Verantwortlich für die Tour ist Jakob Künzel (Saxer bei LPBB). Ich helfe ihm bei der Organisation, Säle aufreissen beispielsweise. Wir mischein nur noch Säle, welche von 150-600 Leute fassen, daneben Jugendhäuser, Clubs und ähnliches, In den meisten Fällen sind dies Lokale welche von den Bands her- Stitch, Slapstick und LPBB- schon bekannt sind." - "Wie klappt's mit der Zusammenarbeit zwischen den Bands? Wie ist die Stimmung innerhalb der ganzen Tour-Crew?" Roli: "Sehr gut! Die Bühnen-Anlage wird von Stitch zur Verfügung gestellt. Für die Technik sind zwei Leute, der eine von Slapstick, der andere von unserer Band verantwortlich. Die Roadies machen ebenfalls vier Musiker von Stitch und Lazy Poker, welche sich auf diese Weise ein paar Franken (genau 20.- pro Mann und Auftritt) dazuverdienen können. Wir sind insgesamt 22 Leute auf der Tour und ich bin froh, dass es untereinander so gut klappt." - "Wie sieht das Unternehmen "8x4 ROCKFESTIVAL" für Euch Musiker finaziell aus?" - Roli Frei:"Jede Band erhält pro Auftritt und Musiker 100 Franken. Davon geht aber'noch einiges ab für Magagement und Spesen. Netto bleiben zum Schluss pro Nase vielleicht 50 Franken."

Dazu meint dann der Redaktor Andy Gygli in seinem Kommentar:

"Mager, mager", wird nun sicher der eine oder andere GüGGU-Leser denken. Selbst bei einem so kostengünstigen Management ist - auch für national so renommierte Bands wie LPBB, STITCH und SLAPSTICK - "das grosse Geld" nicht zu machen. In jeder anderen Beziehung finde ich das Unternehmen "8x4 ROCKFESTIVAL 82" sehr positiv und beachtenswert. Ein "potenter" Sponsor, der nicht nur mit sich re-den lässt, sondern den gesponserten Bands das Management gleich selber überlässt. Dazu 22 Musiker, 3 Schweizer Top-Acts, welche sich aus eigener Initiative untereinander organisieren. Das kann ich nur loben und zur Nachahmung dringend empfehlen ! Roland Frei (mit bestem Dank für das informative Telefongespräch!) und dem "8x4 ROCKFESTIVAL" wünschen wir vollen Erfolg und viel Spass auf der Bühne und "on the road".

 

50 Jahre Kassette - Das Jammern der Musikindustrie

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Vor 50 Jahren hat Philips an der IFA ihre Compact Cassette vorgestellt. Nehmen wir diesen netten Geburtstag doch wieder einmal zum Anlass, uns vor Augen zu führen, wie die Musikindustrie normalerweise auf Innovationen reagiert. Sie jammert und schreit, dann setzt sie ihren Lobby-Apparat in Bewegung und versucht die Technologie, die sie stört, zu verbieten und wenn das nicht geht, wenigstens zu melken.

Lesen wir ein paar Beispiele:

Im Spiegel Nr. 17 von 1977 im Artikel "Klang-Supermarkt zum Nulltarif

Vor allem die Leerkassette stellt die Musikfirmen vor kaum lösbare Probleme: Sie verlieren durch Überspielungen in Westdeutschland pro Jahr rund eine Milliarde Mark. Das Unterhaltungsgewerbe steuert in eine Existenzkrise. 

oder: 

Durch den Vormarsch der Leerkassette werden die Plattenfirmen zu empfindlichen Budget-Kürzungen gezwungen sein. Sie werden qualifizierte Mitarbeiter entlassen und ihr Repertoireangebot drastisch einschränken müssen. Nur noch Spezialitätenprogramme, die der Rundfunk nicht oder selten sendet, sowie attraktive Hit-Koppelungen, die nur mühsam do-it-yourself aufzunehmen sind, haben künftig noch eine nennenswerte Umsatzchance.

Wir wissen es mittlerweile besser. Die Musik-Grossindustrie hat überlebt, was eigentlich schade ist, denn die Musik selbst wäre ja auf keinen Fall untergegangen und wir müssten nicht unsere Zeit damit verbringen, gegen absurde und schädliche Forderungen dieser Überlebenden zu kämpfen.

In einer Bravo von 1977 im Artikel "Hits zum Nulltarif - Sind Leer-Cassetten der Tod der Schallplatte?"

Friedrich Schmidt von der Ariola Geschäftsleitung dazu: "In der Bundesrepublik verursachen die Leer-Cassetten für die Schallplattenindustrie einen Umsatzverlust von mehr als einer Milliarde Mark. Darunter leiden natürlich auch Komponisten, Texter, Verleger und die Künster. Wenn die Umsätze weiter zurückgehen, so wird sich das in erster Linie auf das Suchen nach neuen Wegen in der Musik auswirken. 

Das ist ein wunderbar unverfrorenes Argument. Die Experimentierfreude der Musiker und Musikerinnen und damit die künstlerische Weiterentwicklung der Musik ist direkt von den Umsätzen der Grossindustrie abhängig.  

und in der Zeit Nr. 36 von 1976 - Flop mit Pop wird sogar das Ende der Schallplatte auf die kommenden 1980er Jahre prognostiziert:

Die Cassette“, klagt Phonographie-Funktionär Thurow, „ist ein sehr zweischneidiges Ding.“ Schwarzmaler sehen es simpler: Sie prophezeien bereits für Anfang der achtziger Jahre „die letzten Tage der Schallplatte“ (Deutsche Zeitung).

Natürlich haben sie die CD damals noch nicht kommen sehen, und meinten mit dem Tod der Schlallplatte auch gleich den Tod der Industrie. Das liegt wahrscheinlich an der fehlenden Kreativität und Vorstellungskraft von Managern, die in gesättigten Oligopolstrukturen ihrer langweiligen Verwaltungstätigkeit nachgehen. 

Die Geschichte wiederholt sich immer und immer wieder. Wie wir auch im oben erwähnten Spiegel Beitrag nachlesen können:

Schon einmal, bei der Umstellung von der zerbrechlichen Schellack-Scheibe mit 78 Umdrehungen pro Minute auf die unzerbrechliche 33er PVC-Longplay, leistete die notorisch konservative Musikindustrie verbissen Widerstand.

Auch interessant, dass die Industrie in den 1970er Jahren, so wie sie heute Netzsperren fordern, die Radiostationen dazu zwingen wollten, Störsignale zu senden, damit die Sendungen nicht aufgezeichnet werden können. Man beachte auch hier den Hinweis darauf, dass ein solches System sehr einfach zu umgehen gewesen wäre:

Ein von der Londoner EMI patentiertes, unhörbares Störsignal, das den Radiomitschnitt gesendeter Schallplattenmusik verhindern würde, scheint nicht zum Zuge zu kommen. Die Sender mußten, um Mitschnitte generell zu verhindern, gezwungen werden, alle ausgestrahlte Musik mit dem Störcode zu versehen -- eine unpopuläre Maßnahme. Aber selbst wenn sie gelänge, wäre das Störsignal durch ein billiges Zusatzteil im Empfänger zu knacken.

Das sollte uns allen Mahnung sein, nicht wieder auf das Gejammere der Musikindustrie einzugehen und die Vorschläge der AGUR12 auch unter diesem Blickwinkel zu betrachten. Zum wiederholten Male, will die Musik-Grossindustrie ihre Machstellung sichern. Diesmal allerdings mit gravierenden Folgen für uns alle, wenn sie damit durchkommen, was sie in der AGUR12 vorschlagen.  

Bruno Spoerri - Schweizer Synthesizer-Pionier mit seinem EMS Synthi 100

Bruno Spoerri war wohl einer der ersten Musiker in der Schweiz, der sich der elektronischen Musik verschrieben hat. Das SRF Archiv hat kürzlich diese grossartige Aufzeichnung von 1972 in ihrem YouTube Channel veröffentlicht. Bruno Spoerri erklärt uns anhand der Eurovisions-Erkennungsmelodie von Marc Antoine Charpentier, wie sein EMS Synthi 100 funkioniert.

Der teure, und wie man sieht riesige EMS Synthi 100 war quasi der grosse Bruder des kompakteren EMS VCS-3. Spoerri hatte das Teil ursprünglich zusammen mit Hanns Kennel und Freddy Burger bestellt. Diese sind dann aber noch vor der Lieferung vom Kauf zurückgetreten, was den unerschrockenen Musiktüftler nicht davon abgehalten hat, das Risiko alleine einzugehen und sich das Ding in den Keller zu stellen.

In seinen äusserst lesenswerten «Erinnerungen an fast 50 Jahre Elektronik», lesen wir dazu:

Ich entschied mich todesmutig für das Letztere und entschloss mich, den Keller im Einfamilienhaus in Schlieren in ein Tonstudio umzubauen. Dabei zeigte sich zuerst, dass keine Türe breit genug war, um den Transport des Synthesizers ins Studio zu ermöglichen, also liess ich die Türe verbreitern. Dann kam die Idee, mit dem Synthesizer für grosse Auftritte zu reisen (ich stellte mir das Gewicht des Dings nicht sehr realistisch vor), und so kaufte ich einen neuen Volvo mit erhöhtem Dach. Das war eigentlich ein Krankenwagentyp, der aber auch vom Fernsehen für Reportagewagen gebraucht wurde – mit dem Effekt, dass beim Fernsehstudio die Schranke sofort hochging, wenn ich nur in die Nähe des Studios kam.... (Der Volvo als Transportmittel war natürlich eine Schnapsidee – ich transportierte das Ding später zwar ein oder zwei mal ins Fernsehstudio für eine Sendung, aber mit einem Möbelwagen.)

Im Video sehen wir, dass bereits damals ein Sequenzer integriert war. Spoerri spricht von "programmieren". In den Spezifikationen zum Synthesizer (PDF) steht zum Thema Computer:

The basic software comprises a Text Editor, for the preparation and correction of the MUSYS scores, a Compiler, which translates the scores into lists of numbers to the devices under the control of the clock. There is also a program called Sequencer, which simply uses the storage units of the computer to store data provided by the SYNTHI 100 (from the keyboards, for example).

bzw.

With a solid state storage capacity of 10,240 bits, the new sequencer is capable of precisely controlling 6 different simultaneous parameters over a sequence of 256 successive events. There are several modes of operation and full, easy to operate editing facilities, so that any or all of the 256 stored items and their time relation- ships may be changed without difficulty.

Wenn ich das richtig verstanden habe, sprechen wir von ca. 1 Kbyte Speicherplatz! Ja, die mussten noch sparsam umgehen mit den Ressourcen. 

Bruno Spoerri ist war auch als Musikhistoriker tätig. 2010 ist sein zweites Buch mit dem Titel «Musik aus dem Nichts - Geschichte der elektroakustischen Musik in der Schweiz» im Chronos Verlag erschienen und in der WOZ eine Rezension dazu.

Hier ist noch einmal etwas altes und neueres Spoerri & EMS Synthi 100 Material aus einer Kulturplatz Extra Sendung wahrscheindlich aus dem Jahre 2010 (YouTube Video):

Und wer mehr wissen will, klickt auf diese Links: