Nicht dem E-Book, sondern dem Online-Buch gehört die Zukunft

Dieser Beitrag ist ursprünglich im Heft Nr. 220, Februar 2013 des Ostschweizer Kulturmagazins Saiten erschienen. 

«Der Untergang des Buches wird nicht stattfinden», hört man allenthalben, und meistens werden dann grossartige Buchliebhaber wie Umberto Eco bemüht, um diese Aussa­ge zu untermauern. Haptik und überhaupt das Buch, wer will schon Pixel lesen! Dem Buch verdanken wir unsere Freiheit. Wir schulden ihm darum auch die Rettung.

Nun, ich kann guten Gewissens entwarnen und Ihnen mitteilen, dass das E-­Book das gedruckte Buch wohl nicht überleben wird. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das gedruckte Buch in ferner Zukunft viel mehr als ein Nischen­dasein für eine kleine Zahl von älteren Herren, die abends gerne an vermodertem Papier riechen, zu denen ich mich übrigens auch zähle, fristen wird. Wir können es dre­hen und wenden wie wir wollen, wir können es bedauern und beweinen, wir können gen Himmel schreien und die Ungerechtigkeit beklagen: die Tage des gedruckten Buchs als Massenmedium sind gezählt.

Die elektronische Publikation von Inhalten bietet der­art viele Vorteile, dass das gebundene Papier keine Chance haben kann. Evolution findet auch in der Kulturproduktion statt. Aber, und das ist vielleicht das Tröstliche, das E-­Book ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Das E-­Book, so wie wir es heute vorfinden, ist eine kurze Episode der Informa­tikgeschichte. Es bietet zwar bereits einige der Vorteile, die ein digitaler Text aufgrund seiner – Papierfreunde entschuldigen bitte den Ausdruck – «Beschaffenheit» von Haus aus mitbringt. So können wir das E­-Book nach Stichworten durchsuchen, wir können Textstellen markieren und Begri­ffe nachschlagen. Diese Merkmale alleine sind schon beacht­lich, wenn wir sie mit denen des gedruckten Buches ver­gleichen, welches wir ja gerade mal durchblättern können. Und wenn die meisten Buchverlage nicht so unverfroren wären, uns Buchliebhaber, Buchkäuferinnen und Buchleser wie poten­tielle Verbrecher zu behandeln, so könnten wir die markier­ten Textstellen kopieren und in andere Texte einbinden, wir könnten uns jeden Text vorlesen lassen, wir könnten alle E­-Books, egal wo wir sie gekauft haben, zusammen abspei­chern und eine Volltextsuche über alle Titel laufen lassen, wir könnten einzelne Stellen ausdrucken, und wir könn­ten den einen oder anderen Ausschnitt per E­mail an eine Freundin schicken, um darüber zu diskutieren. Das alles würde funktionieren, wenn die Verlage endlich damit aufhören würden, ihre E-­Books mit einem technischen Kopierschutz zu versehen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass allmählich ein Umdenken stattfindet und einzelne Verlage gelernt haben, dass es nicht gerade sinnvoll ist, die Fehler der Musikbran­che zu wiederholen, die notabene mittlerweile komplett auf derartige Kopierschutzmechanismen verzichtet.

Nun denn, es ist eigentlich egal, denn das elektronische Buch wird nicht als E-­Book die Welteroberung antreten, sondern als Website, als Online-­Buch. Erst wenn das Buch im World Wide Web integriert ist, hat es den Platz in der digitalen Welt erhalten, der ihm gebührt. das Online-Buch kann alles, was das E-Book kann, und etwas ganz Entscheidendes mehr. Seine Inhalte können mit anderen Inhalten verlinkt werden, sie können jederzeit im richtigen Kontext gefunden werden, und sie können über Socialmedia­kanäle verteilt werden. Die Zukunft des Buchs liegt im offenen und freien Internet, nicht im Kindle, nicht im iBook­ Store und nicht im Tolino, denn nur im Netz wird dem Buch ein ewiges Leben beschieden sein.

Philosophische Audiothek

Eine Gruppe von Mitarbeitern und Studierenden des Institutes für Philosophie an der Universität Wien betreibt unter der Bezeichung "Philosophische Audiothek" seit über 10 Jahren eine reichhaltige Plattform mit Aufzeichnungen von Vorlesungen, Vorträgen, Kongressen und anderen Beiträgen zur Philosophie. 

Neverending Playlist

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neverendingplaylist.com erstellt automatische Wiedergabelisten von Künstlern, deren Songs auf Youtube verfügbar sind. The Echo Nest, die Anbieterin der Website betreibt eine Datenbank mit Informationen zu mehr als 30 Mio Songs, die wiederum vielen Musikdiensten wie Rdio, Spotify und unzähligen anderen als Basis für Ihre Services dient. Ob neverendingplaylist.com dereinst auch auf der Sperrliste der Musikindustrie stehen wird, falls diese ihre Forderung nach Netzsperren in der Schweiz durchbringen sollte?

Vintage Computer Festival Europe 14.1 am 5. & 6. Oktober 2013 in Winterthur

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Wie ich soeben via Twitter von @wortgefecht über seinen Retr0geek Blog erfahren habe, wird am 5. & 6. Oktober 2013 das Vintage Computer Festival Europe 14.1 in Winterthur durchgeführt. Den TI99/4A von Michael würde ich gerne sehen. Wenn ich es zeitlich schaffe, werde ich einen Sharp MZ80 mitbringen. Eine perfekte Einstimmung übrigens auch für die Retro-Technica in Fribourg 3 Wochen später. 

(Bild: Public Domain, WIkimedia Commons

Die Europeana Cloud für digitalisierte Kulturgüter Europas

Slide aus dem Vortrag von Jil Cousins an der OKCon 2013, CC BY

Slide aus dem Vortrag von Jil Cousins an der OKCon 2013, CC BY

An der OKCon 2013 hat die Geschäftsführerin der Europeana Foundation Jill Cousins erklärt, wie die Zukunft der Europeana aussehen soll. Nicht mehr nur die Metadaten sollen von den Partner-Organisationen zur Verfügung gestellt werden, sondern möglichst die eigentlichen Werke, wie das derzeit bereits bei immerhin 6 Mio von insgesamt 29 Mio Objekten der Fall ist. Dazu soll eine Cloud Infrastruktur aufgebaut werden, die den Partner-Organisationen ermöglicht, sofern sie das wünschen, ihre Werke dort zu speichern, zu publizieren und zu lizenzieren. Hier ist der ganze Vortrag, im Livestream Account der OKCon 2013:

 

Re:Public Domain Veranstaltungen

Am kommenden Donnerstag 19. September findet in Genf im Rahmen der OKCon2013 mit dem Re:Public Domain Walk, die erste von vier Veranstaltungen statt, die sich der künstlerischen Auseinandersetzung mit Werken widmet, die seit Anfang dieses Jahres nicht mehr Urheberrechtlich geschützt sind und damit zum öffentlichen kulturellen Allgemeingut wurden. Weitere Events sind, die Re:Public Domain Night in Zürich in der Roten Fabrik am 27. September, die Re:Public Domain Matinee im Forum Schlossplatz in Aarau am 20. Oktober und die Re:Public Domain Show am 23. November im Grand Palais Bern. Weitere Informationen zu den interessanten Programmen findet Ihr hier im Blog der Digitalen Allmend und natürlich bei republicdomain.ch

(Disclosure: Ich bin mit buch & netz Official Supporter der OKCon2013 und Präsident des Vereins Digitale Allmend, der wiederum Unterstützer der Re:Public Domain Veranstaltungen ist. Tja, vernetzte Welt :-) 

Fotoalbum eines Schweiz-Reisenden von 1891 in der Boston Public Library

Die öffentliche Bibliothek in Boston betreibt seit 2008 ein flickr Konto, welches sie benützt um dort Scans ihres Bildmaterials zu veröffentlichen. 86'385 Bilder verteilt auf 373 Alben (Sets) sind zur Zeit auf diesem Weg verfügbar. Auch die Scans aus einem Schweiz-Fotoalbum eines Herrn William Vaughn Tupper, der zwischen 1891 und 1894 scheinbar auf Weltreise war, und dabei auch unser Land bereiste, sind dort zu finden.

(Bild: Swiss milkman von William Vaughn Tupper, aufgenommmen wahrscheinlich zwischen 1891 und 1894, aus der Online Sammlung der Boston Public Library auf flickr, wohl keine Schutzrechte mehr, dort allerdings unter CC-BY 2.0 veröffentlicht)

Urheberrechte behaupten, wo es keine gibt, am Beispiel e-manuscripta.ch

Eigentlich wollte ich darüber schreiben, dass es grossartig ist, dass mehr als 10'000 Bilder aus der Sammlung des berühmten Schweizer Kunsthistorikers Jacob Burckhardt, nun online verfügbar sindMeine Freude darüber wurde aber getrübt, als ich mich wie immer, darüber informierte, unter welchen Bedingungen diese Bilder im Netz frei gegeben werden. 

Vor kurzem durften wir ja erfahren, wie vorbildlich das Getty Musuem in Los Angeles ihre Bilder ins Netz stellt, als Open Content nämlich, ohne irgendwelche Bedingungen, und in höchstmöglicher Auflösung, wie es sich für Digitalisate von Werken deren Urheberrechtsschutz schon längstens abgelaufen ist gehört.

Nicht so beim Portal e-manuscripta.ch, einer Plattform die von der Zentralbibliothek Zürich, der Universitätsbibliothek Basel und der ETH Bibliothek betrieben wird. 

Dort steht in den Nutzungsbedingungen

Die auf der Plattform e-manuscripta.ch zugänglichen Digitalisate sind Reproduktionen von Dokumenten, die Eigentum der genannten Institutionen oder Dritter sind. Die Digitalisate sind Eigentum der jeweiligen Institutionen. ...Jede Form von Publikation (Print und online) oder kommerzieller Nutzung bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der jeweiligen Institution, die ggf. an weitere Rechteinhaber verweist.

Und etwas weiter unten können wir dann allerdings lesen: 

Die auf e-manuscripta.ch präsentierten Werke sind Digitalisate von in der Regel gemeinfreien Werken. 

Ja, was sollen wir denn nun damit anfangen. Die abgebildeten Werke sind also in der Regel gemeinfrei, während die Digitalisate, also die Abbildungen dieser Werke, es nicht sind?  

Ich bin zwar kein Jurist, aber meines Wissens reicht die Schöpfungshöhe einer einfachen Abbildung eines Werkes der bildenden Kunst nicht aus, um ein Urheberrecht zu begründen. Und ein Leistungschutzrecht, welches das Abfotografieren oder Scannen von gemeinfreien Werken schützt, gibt es zum Glück in der Schweiz (noch) nicht. Das heisst, eine Fotografie, bzw. ein Scan eines Werkes, das keinen Schutz mehr geniess, ist selbst auch nicht geschützt. Es wird zwar nirgends vom Urheberrecht geschrieben aber es wird behauptet, dass die Digitalisate Eigentum der jeweiligen Institutionen seien. Doch wie manifestiert sich das Eigentum an digitalen Daten? Ich denke schon, dass hier der Eindruck erweckt werden soll, dass es sich um eine Art Urheber- oder Leistungsschutz handelt, der hier geltend gemacht wird. Ich kann mir nicht vorstellen, mit welchen rechtlichen Argumenten, die hier angeführten Einschränkungen in der Schweiz durchgesetzt werden sollten. 

Es ist schade, dass die Schweizer Institutionen, die mit öffentlichen Mitteln unsere Schätze verwalten, uns diese nicht einfach so zur Verfügung stellen, wie es korrekt wäre und wie es private Organisationen, wie das Getty Museum in den USA vormachen

Aber trotzdem ist es natürlich toll, das es e-manuscripta.ch gibt und schön, dass dort nun auch Burckhardts Bilder zu finden sind

 

Autoren Gruppe "Fiktion" präsentiert zukunftsorientierte Deklaration

Die Autoren-Gruppe "Fiktion", der unter anderem auch die Trägerin des Nobelpreises für Literatur Elfriede Jelinek angehört, hat sich Gedanken zur Zukunft der Literatur bzw. des Literaturbetriebes in der vernetzten Welt gemacht und die Ergebnisse dieser Arbeit in Form einer erstaunlich und erfreulich zukunftsorientierten Deklaration veröffentlicht. 

Auch den Autoren, die statt auf Self-Publishing auf den klassischen Weg setzen ist nun klar geworden: 

Sich diesem Medium zu verweigern kann darum nicht die Lösung sein, sondern wir müssen neue Methoden entwickeln, mit denen wir unsere Literatur den Lesern digital vermitteln.

Ernüchterung im Bezug auf die Verlage macht sich breit:

Viele ältere Titel werden nicht einmal als E-Book angeboten. Die kommerziellen Verlage haben auf die Herausforderungen durch das digitale Zeitalter vor allem defensiv reagiert: ihr Programm verkleinernd, fusionierend, Mitarbeiter einsparend und sich auf Bestseller konzentrierend.

Darauf folgt der richtige Gedanken, dass die Autoren und Autorinnen sich selbst auch mit diesen Fragen auseinandersetzen müssen (was viele ja auch schon tun, so ist es ja nicht :-):

Es ist an der Zeit, dass wir nicht länger nur zusehen, wie sich die Bedingungen für unsere Literatur verschlechtern, sondern selbst nachzudenken und zu erproben, welche Chancen die Digitalisierung auch für die Verbreitung unserer Werke bietet.

Es folgen dann Aussagen, die mich ungemein hoffnungsfroh stimmen. Aussagen wie die, dass das eBook im Netz Zeit hat, sich den Markt zu erarbeiten, und dass eBooks nicht zwingend verkauft werden müssen. 

Hier gerne noch einmal der Link zur Deklaration

Fehlt nur noch die Erkenntnis, dass Bücher neben allen anderen Formaten auch im HTML Format ins Netz gehören, damit sie dort verlinkt und gefunden werden können, aber ich denke, da brauche ich nicht mehr lange zu warten. 

Ansgar Werner und  Wolfgang Tischer haben sich dazu noch ausführlicher geäussert.