«Der Untergang des Buches wird nicht stattfinden», hört man allenthalben, und meistens werden dann grossartige Buchliebhaber wie Umberto Eco bemüht, um diese Aussage zu untermauern. Haptik und überhaupt das Buch, wer will schon Pixel lesen! Dem Buch verdanken wir unsere Freiheit. Wir schulden ihm darum auch die Rettung.
Nun, ich kann guten Gewissens entwarnen und Ihnen mitteilen, dass das E-Book das gedruckte Buch wohl nicht überleben wird. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das gedruckte Buch in ferner Zukunft viel mehr als ein Nischendasein für eine kleine Zahl von älteren Herren, die abends gerne an vermodertem Papier riechen, zu denen ich mich übrigens auch zähle, fristen wird. Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, wir können es bedauern und beweinen, wir können gen Himmel schreien und die Ungerechtigkeit beklagen: die Tage des gedruckten Buchs als Massenmedium sind gezählt.
Die elektronische Publikation von Inhalten bietet derart viele Vorteile, dass das gebundene Papier keine Chance haben kann. Evolution findet auch in der Kulturproduktion statt. Aber, und das ist vielleicht das Tröstliche, das E-Book ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Das E-Book, so wie wir es heute vorfinden, ist eine kurze Episode der Informatikgeschichte. Es bietet zwar bereits einige der Vorteile, die ein digitaler Text aufgrund seiner – Papierfreunde entschuldigen bitte den Ausdruck – «Beschaffenheit» von Haus aus mitbringt. So können wir das E-Book nach Stichworten durchsuchen, wir können Textstellen markieren und Begriffe nachschlagen. Diese Merkmale alleine sind schon beachtlich, wenn wir sie mit denen des gedruckten Buches vergleichen, welches wir ja gerade mal durchblättern können. Und wenn die meisten Buchverlage nicht so unverfroren wären, uns Buchliebhaber, Buchkäuferinnen und Buchleser wie potentielle Verbrecher zu behandeln, so könnten wir die markierten Textstellen kopieren und in andere Texte einbinden, wir könnten uns jeden Text vorlesen lassen, wir könnten alle E-Books, egal wo wir sie gekauft haben, zusammen abspeichern und eine Volltextsuche über alle Titel laufen lassen, wir könnten einzelne Stellen ausdrucken, und wir könnten den einen oder anderen Ausschnitt per Email an eine Freundin schicken, um darüber zu diskutieren. Das alles würde funktionieren, wenn die Verlage endlich damit aufhören würden, ihre E-Books mit einem technischen Kopierschutz zu versehen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass allmählich ein Umdenken stattfindet und einzelne Verlage gelernt haben, dass es nicht gerade sinnvoll ist, die Fehler der Musikbranche zu wiederholen, die notabene mittlerweile komplett auf derartige Kopierschutzmechanismen verzichtet.
Nun denn, es ist eigentlich egal, denn das elektronische Buch wird nicht als E-Book die Welteroberung antreten, sondern als Website, als Online-Buch. Erst wenn das Buch im World Wide Web integriert ist, hat es den Platz in der digitalen Welt erhalten, der ihm gebührt. das Online-Buch kann alles, was das E-Book kann, und etwas ganz Entscheidendes mehr. Seine Inhalte können mit anderen Inhalten verlinkt werden, sie können jederzeit im richtigen Kontext gefunden werden, und sie können über Socialmediakanäle verteilt werden. Die Zukunft des Buchs liegt im offenen und freien Internet, nicht im Kindle, nicht im iBook Store und nicht im Tolino, denn nur im Netz wird dem Buch ein ewiges Leben beschieden sein.