Kostenloses eBook zum Musikbusiness

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Heute hat uns Simon Schlauri in der Mailingliste der Digitalen Allmend auf dieses äusserst interessante eBook und Online-Buch von Andy Stamm mit dem Titel «Das Musikbusiness - Funktionsweise, Eigenarten und Untergang» aufmerksam gemacht.  Das Buch ist komplett unter einer CC-Lizenz publiziert und kann hier gelesen und geholt werden. Eine ziemlich umfassende Übersicht, die sicher noch zu diskutieren geben wird. Viel Vergügen!

Aus der Realität der Schweizer Pop-Musik in den 1980er Jahren

«Güggu» nannte sich ein selbstgetipptes Kulturmagazin der frühen 1980er Jahre aus dem Oberaargau. Ich weiss nicht wieviele Ausgaben dieses «Szenenblattes für Musik und Kultur im Oberaargau» erschienen sind, zweieinhalb davon sind auf jeden Fall hier im Netz zu finden. Ein spannendes Quellendokument zur Geschichte der Popmusik in der Schweiz.

Offenbar wurde zu dieser Zeit gerade eine Schweizer Tournee mit «Lazy Poker Blues Band», «Stitch» und «Slapstick» organisiert. Drei Bands, die damals zu den regionalen Bekanntheiten der Pop-und Rockszene in der Schweiz zählten, und an die ich mich auch noch vage erinnern kann. Ein Redaktor des «Güggu» hat zu den Hintergründen und der Organisation dieser, durch einen Deodorant Hersteller gesposorten, Tournee ein Telefoninterview mit Roland Frei, dem Lead Sänger der «Lazy Poker Blues Band», geführt. Dieses Gespräch gibt uns einen interessanten Einblick, in die damalige Realität der Schweizer Pop-Musik Szene (Transkript):

 Güggu Gespräch mit Roli Frei über das 8x4 Rock Festival

Aus einem Telefonspräch mit Roland Frei (Lazy Poker Blues Band) (1982)

Anfang Oktober startet das 8x4-R0CK- FESTIVAL mit den Gruppen SLAPSTICK, 5TITCH und LAZY POKER BLUES BAND zu einer 27-5tationen-Tournee quer durch die 5chweiz.Bereits im letzten Jahr wurde eine ähnliche Tour unter dem Titel TOP- POP 81 organisiert. Ebenfalls gesponsert von der Deodorant-Firma 8x4. Mit von der Partie waren da- mals neben der Lazy Poker Blues Band (LPBB), Beau [sic!] Katzmann, Tickets und die Band von Walther Lietha.

Diese Tour 81 wurde vorzeitig abgebrochen da sie finanziell zum Fiasko wurde. Interessant sind die Gründe für dieses Misslingen, Dazu Roli Frei (LPBB) am Telefon:"Das ganze Unternehmen war überdimensioniert. Wir hatten ein Tour-Management, welches normalerweise kommerzielle Veranstaltungen im grossen Rahmen organisiert, wie bspw. mit Peter, Sue & Marc und Betty Legier. Es wurden Pressekonferenzen abgehalten und eine Menge Geld wurde in die Werbung, vorab in Zeitungswerbung verlocht." Roli meint, er sei zwar nicht gegen Zeitungswerbung generell, nach seinen Erfahrungen bringe aber Plakatwerbung viel mehr. Allerdings sei das Plakat für die TOP-POP 81 ebenfalls viel zu aufwendig gewesen. Diesmal wird das Plakat gratis zur Verfügung gestellt.

Ein weiterer Negativ—Punkt : zu grosse Säle. Das Management hatte durchwegs Säle gemietet, welche über 600 Leute fassen. Roli Frei:"Dies entspricht einfach nicht den Gegebenheiten in der Schweiz. Wir hatten bei den paar Konzerten vor Tour-Abbruch zwischen 40 bis maximal 400 Leute. Alles in allem wurde durch diese Ueber-Organisation mit einem falschen Image die falschen Leute erreicht. Nicht zuletzt waren die beteiligten Bands musikalisch einfach zu verschiedenartig."

Nach der letztjährigen Pleite ist es umso erstaunlicher, dass in diesem Jahr erneut eine solche Tour möglich wurde. Erstaunlich vor allem auch deshalb, weil wieder "8x4" die Initiative dazu ergriffen hat! Laut

Roli Frei ist dies vor allem den Bemüngen von Daniel Tobler zu verdanken. Dani Tobler (ein "hohes Tier" bei "8x4") hat einschlägige Erfahrungen, Er war Mitorganisator bei mehreren Augst-Festivals.

Roli Frei:"Die jetzige Tour ist total konträr zu TOP-POP B1. Wir haben ein ganz anderes Konzept und versuchen, die Kosten so tief wie möglich zu halten." - "Wie sieht das denn konkret aus?" Roli Frei: "Nun, erstens einmal liegt das Management praktisch in unseren Händen. Verantwortlich für die Tour ist Jakob Künzel (Saxer bei LPBB). Ich helfe ihm bei der Organisation, Säle aufreissen beispielsweise. Wir mischein nur noch Säle, welche von 150-600 Leute fassen, daneben Jugendhäuser, Clubs und ähnliches, In den meisten Fällen sind dies Lokale welche von den Bands her- Stitch, Slapstick und LPBB- schon bekannt sind." - "Wie klappt's mit der Zusammenarbeit zwischen den Bands? Wie ist die Stimmung innerhalb der ganzen Tour-Crew?" Roli: "Sehr gut! Die Bühnen-Anlage wird von Stitch zur Verfügung gestellt. Für die Technik sind zwei Leute, der eine von Slapstick, der andere von unserer Band verantwortlich. Die Roadies machen ebenfalls vier Musiker von Stitch und Lazy Poker, welche sich auf diese Weise ein paar Franken (genau 20.- pro Mann und Auftritt) dazuverdienen können. Wir sind insgesamt 22 Leute auf der Tour und ich bin froh, dass es untereinander so gut klappt." - "Wie sieht das Unternehmen "8x4 ROCKFESTIVAL" für Euch Musiker finaziell aus?" - Roli Frei:"Jede Band erhält pro Auftritt und Musiker 100 Franken. Davon geht aber'noch einiges ab für Magagement und Spesen. Netto bleiben zum Schluss pro Nase vielleicht 50 Franken."

Dazu meint dann der Redaktor Andy Gygli in seinem Kommentar:

"Mager, mager", wird nun sicher der eine oder andere GüGGU-Leser denken. Selbst bei einem so kostengünstigen Management ist - auch für national so renommierte Bands wie LPBB, STITCH und SLAPSTICK - "das grosse Geld" nicht zu machen. In jeder anderen Beziehung finde ich das Unternehmen "8x4 ROCKFESTIVAL 82" sehr positiv und beachtenswert. Ein "potenter" Sponsor, der nicht nur mit sich re-den lässt, sondern den gesponserten Bands das Management gleich selber überlässt. Dazu 22 Musiker, 3 Schweizer Top-Acts, welche sich aus eigener Initiative untereinander organisieren. Das kann ich nur loben und zur Nachahmung dringend empfehlen ! Roland Frei (mit bestem Dank für das informative Telefongespräch!) und dem "8x4 ROCKFESTIVAL" wünschen wir vollen Erfolg und viel Spass auf der Bühne und "on the road".

 

Aus dem Archiv: Die «Do it yourself-Bewegung» als Werbezielgruppe (1957)

In einer Ausgabe der Zeitschrift "Populäre Mechanik" aus dem Jahre 1957 macht der Herausgeberverlag auf der zweiten Seite Werbung für seine Zielgruppe, Die «Do it yourself-Bewegung»:

Im Zuge der Zeit liegt es, dass viele Männer ihrem Wagen den «letzen Schliff» selbst geben, ihr Schwimmbassin selbst anlegen, ihr Radio selbst reparieren und ihre Filme selbst entwickeln. Eine Folge der verkürzten Arbeitszeit, der 40- und 45-Stunden Woche. 
Schon vor Jahren erwuchs daraus in Amerika - dieselbe Entwicklung nahm das Wirtschaftsleben dort - die sogenanten «Do it yourself-Bewegung». Diese Evolution wird auch in Deutschland durch die POPULÄRE MECHANIK und ihre redaktionelle Gestaltung in intensiver Weise unterstützt. Für viele Industriezweige ist es die Chance, die Ausdehnung dieser Idee durch entsprechende Angebote noch weiter zu fördern. 
In naher Zulunft wird aus diesem Trend ein gutes Geschäft erblühen.  
BLEIBEN SIE AM MANN: WERBEN SIE IN PM

Wir stellen fest: Obi, Hornbach und Konsorten waren schon vor 55 Jahren angelegt.  3D-Printer, Arduino und Raspberry Pi sind nur Ersatz für Radios, Funkgeräte und Film-Entwicklungslabors.

Und was auch noch auffällt. Frauen kommen hier (noch) nicht vor. Im Heft Inhalt dann allerdings schon, wenn es darum geht, neues für das Heim vorzustellen oder dass der Mann ihr etwas bastelt. Ein schwenkbares Doppelbett zum Beispiel:

Das J. Paul Getty Museum gibt über 4500 Bilder komplett frei

Das J. Paul Getty Museum in Los Angeles gibt mehr als 4500 digitale Reproduktionen aus ihrer Kunstsammlung in hoher Auflösung und ohne Restriktionen unter einem sogenannten Open Content Programm frei. Und das ist erst der Anfang. Wie das Museum mitteilte, sollen möglichst alle Kunstwerke, die nicht mehr durch das Urheberrecht geschützt sind, auf diese Weise im Netz zur Verfügung gestellt werden.

Begründet wird dieser Schritt in den FAQ damit, dass es immer schon Aufgabe und Ziel des Museums war, Kunst und Kultur einer möglichst breiten Bevölkerungsschicht zur Verfügung zu stellen.  

The Getty was founded to promote "the diffusion of artistic and general knowledge." The Open Content Program is an important step toward making our work more freely accessible to the public to we serve. 

Die Bilder sind in hoher Auflösung in bis 100 Mbyte grossen Files und mit eingebetteten Metadaten verfügbar und können für jeden Zweck eingesetzt werden. Auch die kommerzielle Nutzung ist erlaubt. Denn das Museum macht keine Copyright-Ansprüche auf digitale Reproduktionen von Werken, deren Urherreberreschtsschutz ausgelaufen ist, geltend.

The Getty does not claim copyright in digital images of public domain artworks.

Dieser Schritt und die Begründungen des J.Paul Getty Museums sind in jeder Hinsicht vorbildlich. Hoffen wir, dass unsere öffentlichen Museen auch endlich erkennen, dass es ihre Pflicht wäre, ihre Schätze zu digitalisieren und ohne Einschränkungen in bestmöglicher Auflösung uns allen zur Verfügung zu stellen.

Hier geht's zur Liste aller Open Content Inhalte des J. Paul Getty Musems.

(Bild: La Promenade, Pierre-Auguste Renoir, 1870, Sammlung J. Paul Getty Museum)

Seid Kumpel und helft den «The bianca Story» Stollen zur freien Musik zu bauen

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The bianca Story ist eine aussergewöhnliche Band aus Basel, und zwar sowohl musikalisch als auch im Bezug auf ihre Experimentierfreude im Internet. Ihr neues Album soll frei sein, darum bieten sie uns an, ihre Zahlen offen zu legen und bitten uns ihnen via Crowdfunding auf wemakeit.ch zu helfen, die Produktion zu finanzieren.

Tim Renner der Geschäftsführer ihres Plattenlabels Motor Music erklärt hier im Video, warum die Band diesen Weg geht. Es geht um Liebe und um den Berg der Musikindustrie, der nun untertunnelt werden muss. 

Professor Tim Renner erklärt das Prinzip hinter der #bistdukumpel Crowdfunding Kampagne von The | bianca | Story. Ermöglicht das neue Album von The bianca Story gratis für alle! Sei ein Kumpel! http://www.thebiancastory.com/bistdukumpel Über Crowdfunding möchten wir es jeder und jedem ermöglichen, kostenlos an unser neues Album zu kommen.

Wir können helfen, indem wir die Band dabei unterstützen den Tunnel zu graben und die nötigen 90'000 Euro zusammen zu bekommen, um das nächste Album zu produzieren und die CD den Konzertbesuchern zu verschenken, sowie den kostenlosen Download und das Kopieren der Musik zu ermöglichen.

Als ob das nicht schon Grund genug wäre, das Projekt zu unterstützen, hat sich The Bianca Story ein paar besondere Geschenke für die Kumpel ausgedacht. So kann man sich bereits ab 15 Euro einen persönlichen Brief von den Bandmitgliedern schreiben lassen, für 50 Euro ein Gitarren-Solo an einem Konzert der Band bestellen, oder sich für 500 Euro ein persönliches Skype-Konzert organisieren. 

Dieses Projekt ist unterstützungswürdig, vor allem auch weil die Musik grossartig ist. Hier noch eine Aufnahme des SRF des Songs "Not The Sun" aus dem Jahre 2012 und hier ein kurzes Portrait sowie ein Gespräch mit dem Sänger und der Sängerin von The Bianca Story aus derselben Sendung. 

Alors, seid Kumpel, helft den Tunnel zu graben und spread the word! 

Free Music Archive - 10'000 Künstler - keine SUISA Mitglieder

Das Free Music Archive gibt es bereits seit vier Jahren. Aus den 5000 Songs des Launches wurden mittlerweile mehr als 60'000 Titel von über 10'000 Künstlern. Die Website wurde vom US-Radio Sender WFMU gegründet und bietet  Songs zum freien Streaming und Download an, die meisten unter Creative-Commons-Lizenz.

Ich habe die Liste zwar nicht systematisch nach SUISA Mitgliedern durchforstet. Aber gemäss der Antwort der SUISA auf die Fragen der Digitalen Allmend* im Zusammenhang mit der Kompatibilität der Creative-Commons-Lizenzen und der SUISA Mitgliedschaft, dürften hier wohl keine Schweizer Musiker, die auch SUISA Mitglied sind, dabei sein. 

In den Kommentaren zu meinem letzten Blogpost zu diesem Thema wurde argumentiert, dass jemand, der bei der SUISA Mitglied sei, seine Musik kommerziell verwerten lassen will, und jemand der Creative-Commons einsetze, eben nicht. 

Das ist nicht richtig. Gerade der Einsatz von Creative-Commons-Lizenzen kann helfen, den Umsatz zu steigern. Es gibt auf Freemusicarchive.org unzählige Musiker und Musikerinnen, die dort einige Songs unter Creartive-Commons anbieten und trotzdem ihre Musik auch verkaufen. Der Einsatz von Creative-Commons-Lizenzen steht einer kommerziellen Verwertung des Werkes nicht im Wege, sondern ist dieser in vielen Fällen sogar noch förderlich. Übrigens auch dann, wenn auf die Non-Commercial-Einschänkung verzichtet wird. 

Es ist m.E. nicht im Interesse der Musikschaffenden, und auch nicht der Schweizer Musikförderung, wenn die SUIA diese Möglichkeit des Online-Marketings ihren Mitgliedern verwehrt. 

(*Disclosure: Ich bin Präsident des Vereins Digitale Allmend und führe mit buch & netz einen Verlag der unter Creative-Commons Lizenzen publiziert)  

Oranger Garten - Online Archiv der Migros

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Seit kurzem ist unter der Website orangergarten.ch ein umfangreiches Dokumentenarchiv der Migros* online. Es wird eine ausgeklügelte Suchfunktion angeboten und es besteht die Möglichkeit aus den Fundstücken ein individuelles PDF zu generieren. Leider fehlt noch eine Option um einfach ein wenig stöbern zu können, und ein Button "Zufälliges Dokument" würde mein Herz auch noch erfreuen. Schade auch, dass das Material nicht unter Creative-Commons-Lizenz publiziert wurde. Trotzdem, freuen wir uns, dass die Migros, diese Dokumente der Zeitgeschichte im Netz verfügbar macht.

(Disclosure: Meine Lebenspartnerin ist Mitarbeiterin der Migros) 

50 Jahre Kassette - Das Jammern der Musikindustrie

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Vor 50 Jahren hat Philips an der IFA ihre Compact Cassette vorgestellt. Nehmen wir diesen netten Geburtstag doch wieder einmal zum Anlass, uns vor Augen zu führen, wie die Musikindustrie normalerweise auf Innovationen reagiert. Sie jammert und schreit, dann setzt sie ihren Lobby-Apparat in Bewegung und versucht die Technologie, die sie stört, zu verbieten und wenn das nicht geht, wenigstens zu melken.

Lesen wir ein paar Beispiele:

Im Spiegel Nr. 17 von 1977 im Artikel "Klang-Supermarkt zum Nulltarif

Vor allem die Leerkassette stellt die Musikfirmen vor kaum lösbare Probleme: Sie verlieren durch Überspielungen in Westdeutschland pro Jahr rund eine Milliarde Mark. Das Unterhaltungsgewerbe steuert in eine Existenzkrise. 

oder: 

Durch den Vormarsch der Leerkassette werden die Plattenfirmen zu empfindlichen Budget-Kürzungen gezwungen sein. Sie werden qualifizierte Mitarbeiter entlassen und ihr Repertoireangebot drastisch einschränken müssen. Nur noch Spezialitätenprogramme, die der Rundfunk nicht oder selten sendet, sowie attraktive Hit-Koppelungen, die nur mühsam do-it-yourself aufzunehmen sind, haben künftig noch eine nennenswerte Umsatzchance.

Wir wissen es mittlerweile besser. Die Musik-Grossindustrie hat überlebt, was eigentlich schade ist, denn die Musik selbst wäre ja auf keinen Fall untergegangen und wir müssten nicht unsere Zeit damit verbringen, gegen absurde und schädliche Forderungen dieser Überlebenden zu kämpfen.

In einer Bravo von 1977 im Artikel "Hits zum Nulltarif - Sind Leer-Cassetten der Tod der Schallplatte?"

Friedrich Schmidt von der Ariola Geschäftsleitung dazu: "In der Bundesrepublik verursachen die Leer-Cassetten für die Schallplattenindustrie einen Umsatzverlust von mehr als einer Milliarde Mark. Darunter leiden natürlich auch Komponisten, Texter, Verleger und die Künster. Wenn die Umsätze weiter zurückgehen, so wird sich das in erster Linie auf das Suchen nach neuen Wegen in der Musik auswirken. 

Das ist ein wunderbar unverfrorenes Argument. Die Experimentierfreude der Musiker und Musikerinnen und damit die künstlerische Weiterentwicklung der Musik ist direkt von den Umsätzen der Grossindustrie abhängig.  

und in der Zeit Nr. 36 von 1976 - Flop mit Pop wird sogar das Ende der Schallplatte auf die kommenden 1980er Jahre prognostiziert:

Die Cassette“, klagt Phonographie-Funktionär Thurow, „ist ein sehr zweischneidiges Ding.“ Schwarzmaler sehen es simpler: Sie prophezeien bereits für Anfang der achtziger Jahre „die letzten Tage der Schallplatte“ (Deutsche Zeitung).

Natürlich haben sie die CD damals noch nicht kommen sehen, und meinten mit dem Tod der Schlallplatte auch gleich den Tod der Industrie. Das liegt wahrscheinlich an der fehlenden Kreativität und Vorstellungskraft von Managern, die in gesättigten Oligopolstrukturen ihrer langweiligen Verwaltungstätigkeit nachgehen. 

Die Geschichte wiederholt sich immer und immer wieder. Wie wir auch im oben erwähnten Spiegel Beitrag nachlesen können:

Schon einmal, bei der Umstellung von der zerbrechlichen Schellack-Scheibe mit 78 Umdrehungen pro Minute auf die unzerbrechliche 33er PVC-Longplay, leistete die notorisch konservative Musikindustrie verbissen Widerstand.

Auch interessant, dass die Industrie in den 1970er Jahren, so wie sie heute Netzsperren fordern, die Radiostationen dazu zwingen wollten, Störsignale zu senden, damit die Sendungen nicht aufgezeichnet werden können. Man beachte auch hier den Hinweis darauf, dass ein solches System sehr einfach zu umgehen gewesen wäre:

Ein von der Londoner EMI patentiertes, unhörbares Störsignal, das den Radiomitschnitt gesendeter Schallplattenmusik verhindern würde, scheint nicht zum Zuge zu kommen. Die Sender mußten, um Mitschnitte generell zu verhindern, gezwungen werden, alle ausgestrahlte Musik mit dem Störcode zu versehen -- eine unpopuläre Maßnahme. Aber selbst wenn sie gelänge, wäre das Störsignal durch ein billiges Zusatzteil im Empfänger zu knacken.

Das sollte uns allen Mahnung sein, nicht wieder auf das Gejammere der Musikindustrie einzugehen und die Vorschläge der AGUR12 auch unter diesem Blickwinkel zu betrachten. Zum wiederholten Male, will die Musik-Grossindustrie ihre Machstellung sichern. Diesmal allerdings mit gravierenden Folgen für uns alle, wenn sie damit durchkommen, was sie in der AGUR12 vorschlagen.  

Für die SUISA ist Creative-Commons Einsatz unsozial!

Der Verein Digitale Allmend*, der auch den Lead für Creative Commons Schweiz führt, hat sich bei der SUISA wieder einmal kundig gemacht, ob es denn für deren Mitglieder möglich sei, einzelne Werke unter Creative Commons zu lizenzieren. (Hier sind die Fragen an und die Antworten von der SUISA)

Ich habe schon im Anschluss an meinen Vortrag am Parlamentarier-Dinner der Gruppe Digitale Nachhaltigkeit darauf aufmerksam gemacht, dass sich unsere Verwertungsgesellschaften, insbesondere die SUISA als Verhinderer einer grösseren Verbreitung der Creative-Commons Lizenzen gebärden. Damals wurde diese Aussage aus dem Publikum von den Vertetern ebendieser Gesellschaften lautstark dementiert und es stand Aussage gegen Aussage. (Hier ist das Video, ab 14:25 kommt meine Aussage und ab 15:26 kommt die Erwiderung von Herrn Läubli). Es ist leider ein beliebtes, wenn auch unfaires, rhetorisches Mittel, unliebsame Aussagen einfach zu neutralisieren, indem wider bessern Wissens behauptet wird, sie stimmen nicht. 

Wie wir nun aus den offiziellen Antworten der SUISA lesen können, ist es aber, wie ich damals gesagt habe, tatsächlich so, dass Mitglieder dieser Verwertungsgesellschaft keine Creative-Commons Lizenzen einsetzen können. Und weil mehr oder weniger, jeder, der in der Schweiz Musik produziert bzw. komponiert, bei der SUISA Mitglied ist,  kann sich diese Lizenzierungsform für Musik in der Schweiz auch nicht etablieren.

Ein Musiker oder eine Musikerin, die bei der SUISA Mitglied wird, muss alle Werke exklusiv über diese Gesellschaft verwerten lassen: 

Der Wahrnehmungsvertrag mit der SUISA hält fest, dass der Urheber alle seine Werke anmelden muss, bzw. die von der SUISA wahrzunehmenden Rechte an allen seinen (auch zukünftigen) Werken abtritt. 

Völlig Absurd ist dann aber die Begründung, warum die SUISA ihren Mitgliedern die Nutzung der Creative-Commons Lizenzen nicht erlauben will:  Es würden der Organisation durch die Unterstützung dieser Lizenzierungsform zusätzliche Aufwände entstehen, diese müssten alle Mitglieder, auch die, die keine CC-Lizenzen verwenden, zu gleichen Teilen mittragen und darum wäre eine solche Lösung unsozial [sic!].

Es zeigt sich einmal mehr, dass die Verwertungsgesellschaften nicht bereit sind, auch nur im geringsten auf die neuen Möglichkeiten und Veränderungen der vernetzen Welt einzugehen.  

Das IGE bzw. der Bund müsste hier m.E. aktiv werden und die Verwertungsgesellschaften dazu zwingen, ihren Mitgliedern die Verwendung von Creative-Commons  zu ermöglichen, ohne dass sie sich dabei im Bezug auf die anderen Services Nachteile vergegenwärtigen müssen.

Es ist einfach ein Witz, wenn eine Verwertungsgesellschaft auf der einen Seite zusammen mit ihren Kollegen in der AGUR12 drakonische Massnahmen fordert, die, wenn sie umgesetzt würden, das Internet, so wie wir es heute kennen, verschwinden lassen würde, gleichzeitig als Verhinderer eines Konzeptes auftritt, welches zumindest ein paar gute Antworten auf die Herausforderungen der Digitalisierung bereit hält.

(*Disclosure: Ich bin Präsident des Vereins Digitale Allmend und führe mit buch & netz einen Verlag der unter Creative-Commons Lizenzen publiziert)