Qualitätsjournalismus: Der Röntgenmann-Bullshit in der NZZ am Sonntag vom 7.7.2013

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Nur weil ein Bund einer sogenannten Qualitäts-Zeitung den Titel "Gesellschaft" trägt, bedeutet das noch lange nicht, dass man in jenem Teil der Zeitung jeden Anspruch an diese Qualität ablegen darf. 

Was die "NZZ am Sonntag" heute am 7. Juli 2013 auf der Seite 69 zum Besten gab (Webpaper Guest Link), kann wohl nur damit erklärt werden, dass niemand hingeschaut hat, oder dass es allen egal ist, was gedruckt wird. Beides wäre mit den eigenenen Ansprüchen des Herausgeberhauses m.E. nicht vereinbar.

Eine ganze Seite komplett unkritisches Porträit, ja ein eigentlicher Werbebeitrag über einen sogenannten "Heiler", der einen Röntgenblick habe, damit durch Wände und vor allem in Menschenkörper hineinsehen und danach kranke Menschen heilen könne, dürfte doch in einer Zeitung, die den Namen NZZ im Titel trägt, auch am Sonntag nicht möglich sein.

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Ich will gar nicht weiter auf all den Blödsinn, der da vermittelt wird, eingehen. Es mache sich jede und jeder selber ein Bild. Nur zu einem Punkt eine kurze Bemerkung, weil dieser immer im Zusammenhang mit Wunderheilern und anderen Scharlatanerien auftaucht.

Die Aussage, dass die Wissenschaft, diese Phänomene nicht erklären könne, ist falsch. Die Naturwissenschaft kann erst zu erklären versuchen, wenn ein Phämomen tatsächlich beobachtbar ist. Erst einmal müssten Labortests unter wissenschaftlichen Bedigungen zeigen, dass der Herr tatsächlich durch Wände "sehen" kann, danach könnte man zu untersuchen beginnen, was hier genau geschieht. Die Behauptung jemand könne durch Wände sehen, ist ein starkes Stück und jeder Naturwissenschaftler ist grundsätlich daran interessiert ein solches Phänomen zu untersuchen, denn es würde uns, wenn es wirklich existierte, neue Erkenntnisse über die Art und Weise, wie die Welt funktioniert liefern. Es ist also kaum so, dass die Wissenschaft nicht erklären kann, warum jemand durch Wände sehen kann, sondern dass sie nicht beobachten kann, dass das stimmt, was er behauptet. So einfach ist das.

(Bild: © Erica Guilane-Nachez - Fotolia.com) 

Wir sind nicht schutzlos ausgeliefert - Lasst uns Hippies sein!

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Eines der vielen Essays, die derzeit die Welt überziehen, und davon erzählen, dass die Utopie des freien und offenen Netzes naiv gewesen sei und dass diese nach den Enthüllungen von Edward Snowden nun endgültig begraben werden können, schliesst mit der Aussage, dass wir "der Aufmerksamkeit der Datensammler" schutzlos ausgeliefert sind (Dr. Tilman Baumgärtel, NZZ print/epaper, 3. Juli 2013, S. 45, Webpaper Guest-Link).

Diese Aussage ist schlicht falsch und zeugt von einem staatsbürgerlichen Selbstverständnis, welches uns weiterhin Sklaven halten liesse, wäre eine solche Grundhaltung die letzten 300 Jahre von allen Bürgern geteilt worden.

Erstens ist es nicht falsch, sich eine bessere Welt vorzustellen und diese gestalten zu wollen, auch im Wissen darüber, dass es Ansichtssache sein kann, was denn eine bessere Welt sein soll.

Zweitens ist es immer noch so, auch wenn es zunehmend schwieriger wird, daran zu glauben, dass wir, die Menschen in demokratischen Ländern, die Möglichkeit haben, die Politik zu gestalten.

Es wäre ein grosser Fehler, die Ideale des offenen Netzes aufzugeben, nur weil sich die Überwachungsfanatiker in den letzten Jahren klammheimlich haben durchsetzen können. Und deswegen das Netz zu verteufeln und sich quasi davon zu verabschieden, oder sich in Alternativ-Netze zu verkrichen, käme einer vorzeitigen Kapitualtion gleich.

Denen, die im Netz eine noch nie dagewesene Möglichkeit zur Emanzipation der Menschen und zur Schaffung einer freieren und gerechteren Welt sehen, vorzuwerfen, sie seien naive Hippies, ist ziemlich einfach, aber leider oft sehr wirksam. Es braucht allerdings nicht viel rhetorisches Geschick, andere lächerlich zu machen, doch deutet dies meistens auf fehlende Argumente und moralische Schwäche hin.

Es mag zwar so sein, dass die Welt und die Menschen nicht einfach "nur" gut sind, was den Netz- und anderen Hippies aller Zeiten als elementare Fehleinschätzung vorgeworfen wird. Aber das Gegenteil trifft auch nicht zu. Die Welt und die Menschen sind nicht "nur" schlecht. Wir können eben beides sein. Wir können uns entscheiden. Wir können für unser Handeln Verantwortung übernehmen. Darum ist es absolut legitim, sich die Frage zu stellen, ob wir unsere Politik, sprich die Art und Weise wie die Gesellschaft organisiert sein soll, auf das Gute oder auf das Schlechte im Menschen ausrichten sollen.

Ich bin klar der Meinung, dass wir uns auf das Gute im  Menschen, auf die Empathiefähigkeit und das Vermögen moralische Urteile fällen zu können, konzentrieren sollten. Das ist nicht naiv, sondern das einzig Richtige. Ohne diese Haltung gäbe es keinen sozialen Fortschritt in der Gesellschaft. Nur weil es immer wieder Menschen gegeben hat, die an das Gute in uns geglaubt haben und die sich eine bessere Gesellschaft haben vorstellen können, sind  wir heute da, wo wir sind. Und bei aller berechtigten Kritik an unserer gesellschaftlicher Situation, in den letzten 300 Jahren wurde viel erreicht.

Es ist wie gesagt einfach, sich zurückzulehnen und zu behaupten, die Welt ist schlecht und wer etwas anderes sieht, ist selber schuld, wenn er daran leidet. Diese Haltung, wenn sie auch von einigen geteilt wird, bringt uns aber in eine moralische Abwärtsspirale. Weil die Menschen schlecht seien, müssen wir sie überwachen und bespitzeln und immer auf der Hut sein. In der Konsequenz heisst diese Haltung, dass wir uns auf einen permanenten Kampf eines jeden gegen jede einrichten müssen, oder den totalen Staat, den Hobbesschen Leviathan, herbeiwünschen sollen, um dies zu verhindern.

Es gibt aber im Leben immer mehrere Alternativen, auch wenn es heute zunehmend en vogue ist, zu behaupten, dass es keine gäbe. Wir können die politischen Strukturen einer Gesellschaft auch so gestalten, dass sie das Gute im Menschen fördern. Die Kommunikationsinfrastruktur kann so reguliert werden, dass sie der Gesellschaft und damit allen Menschen dient, oder so, dass sie nur einer bestimmten Gruppe, z.B. der Kapitalelite, oder der politischen Führungselite dient. Wir haben die Wahl, wir können uns entscheiden, wir können führen, wir können gestalten.

Natürlich ist mir auch klar, dass wir in der Schweiz oder in Deutschland nicht direkt die Politik der USA oder anderer Länder bestimmen können. Und auch ist mir klar, dass wir in einer globalisierten Welt internationalen Rahmenbedingungen ausgesetzt sind.  Doch Rahmenbedingungen gibt es immer. Wir müssen unser Leben und unsere Umgebung immer den Rahmenbedingungen anpassen, bzw. damit leben, dass gewisse Veränderungen lange dauern. Doch das heisst doch nicht, dass wir einfach alles, was falsch läuft, hinnehmen müssen. Wir haben Spielraum und der ist immer auch viel grösser, als wir jeweils annehmen.

In der Schweiz steht derzeit zum Beispiel vieles, was mit der Frage der Gestaltung der Internet-Infrastruktur zu tun hat, auf der politischen Agenda. So sind eine Revision des Gesetztes zur Überwachung des Fernmeldewesens (BÜPF) auf der Traktandenliste , welche den Überwachungsstaat massiv ausbauen will, gleichzeitig wird in einer Arbeitsgruppe zum Urheberrecht (AGUR12) über den Aufbau einer Zensurinfrastruktur diskutiert und der Schweizerische Nachrichtendienst will sich durch ein neues Nachrichtendienstgesetzt (NDG) ähnliche Rechte verschaffen, wie wir sie gerade in den USA kritisieren.

Erstaunlicherweise macht sich nur wenig Opposition zu diesen Vorhaben bemerkbar. Es scheint, als wären wir paralysiert ob der schieren Menge der Angriffe auf unsere Freiheit. Wo sind die liberalen Werte der FDP geblieben, wo sind die freiheitlichen und staatskritischen Ansprüche der SP gelandet? Einzig die Grünen setzen sich derzeit, neben den Piraten, ernsthaft mit dem Thema Netzpolitik auseinander. Wie kann es sein, dass nahezu die komplette politische und wirtschaftliche Elite in diesem Lande, bei solchen Fragen einfach mit Achselzucken reagiert und jeden Gestaltungswillen verloren zu haben scheint. Was ist mit Aktivisten aus der Zeit der Fichen-Affäre geschehen, die heute in den Direktionen der Amtsstuben und den politischen Führungsgremien sitzen? Wo sind all die Hippies nur geblieben?

Nein, wir sind nicht schutzlos ausgeliefert, wie das der Autor des oben erwähnten Essays suggeriert. Wir, die in demokratischen Staaten leben, können, auch wenn sie bereits auf dem Weg zur Postdemokratie sind, anders entscheiden. Wir müssen nur wollen.

Für die Schweiz hiesse dies: Nein zum Überwachungsstaat, und damit komplettes versenken der BÜPF-Revision und des Gesetzes zum Nachrichtendienst. Auflösung der AGUR12, die, wie sich gezeigt hat, nichts anderes vor hat, als eine Netzzensur-Infrastruktur in der Schweiz zu etablieren und deren Glaubwürdigkeit durch die einseitige Zusammensetzung nicht gegeben ist, sowie der Festschreibung der Netzneutralität in der Verfassung, damit wir nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, wie dies in Deutschland und in anderen Ländern der Fall ist.

Diese drei einfachen Punkten könnten jederzeit in der Schweiz umgesetzt werden. Wir hätten zwar dann noch nicht eine bessere Welt geschaffen, aber auf jeden Fall eine schlechtere verhindert.

Derzeit gefordert sind natürlich in erster Linie die politischen Akteure, unsere Vertreter in den Parlamenten und Behörden. Doch diese Fragen gehen uns alle an. Wir sind dazu verpflichtet uns damit auseinander zu setzen und gegenüber unseren gewählten Stellvertretern klar zu machen, was wir von Ihnen erwarten und wenn nötig, unsere direkt demokratischen Mittel zu nutzen.

Nein, wir sind nicht schutzlos ausgeliefert. Lasst uns Hippies sein und die Welt verbessern. Weg mit der BÜPF-Revision und dem NDG, weg mit der AGUR12, Netzneutralität in die Verfassung.

(Bild: © leszekglasner - Fotolia.com) 

Wir brauchen keine Leitblogger und Leitbloggerinnen

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Eine ziemlich erfolgreiche aber weitgehend sinnfreie Kostenlos-Boulevardzeitung stellte kürzlich offenbar fest, dass es in der Schweiz keine Leitblogger und Leitbloggerinen gibt. Claude Longchamp behauptet das Gegenteil, und listet einige solche auf, Clemens Schuster stellt auch eine Liste zusammen und setzt noch die Definition des A-Bloggers aus der Wikipedia dazu, Philippe Wampfler, einer der genannten Superblogger, widerspricht wiederum und stellt einmal mehr fest, dass es in der Schweiz keine relevanten Blogs gäbe. Ausgelöst hat diese Diskussion, die alle paar Monate irgendwo im Netz auftaucht, diesmal die Berichterstattung zu einem ein Marketing-Event für Blogger, was der Geschichte doch eine hübsche Note verpasst

Es ist völlig unnötig im Social Web, und dazu zählen auch die Blogs, nach Leitmedien Ausschau zu halten. Der wesentliche Aspekt des Netzes ist eben, dass es ein Netz ist, ein Kollektiv, welches als System zu analysieren und zu interpretieren ist. Die Konzentration auf die einzelnen Knoten führt auf die falsche Fährte. Nicht einzelne Blogger oder Blogs sind Relevant, sondern das World Wide Web mit dem Social Layer.

Das wesentliche Element des Netzes ist das Mem, die Informationseinheit, die sich durch die Netzwerkknoten (unsere Gehirne) kopiert und mutiert, und nicht ein Individuum, das das Mem weitergibt. (Buchempfehlun dazu: The Meme Machine von Susan Blackmore) Die Mutationen, sind dann die individuellen Zugaben, die wir so hochschätzen oder eben vielleicht auch etwas überschätzen. Damit wir uns allerdings nicht falsch verstehen: Auch ich finde die individuelle Leistung einzelner Menschen grossartig und erfreue mich daran. Diese will ich im Einzelnen auf keinen Fall herabsetzen, aber wenn es um die Frage geht, ob ein Thema gesellschaftliche Relevanz erhält oder nicht, geht es eben nicht  um die Einzelleistung, sondern um ein Systemphänomen.

Wir können uns ganz einfach bei jedem Thema der letzten paar Wochen, welches wir als Relevant einstufen, überlegen, ob das Thema trotzdem öffentlich diskutiert worden wäre, wenn das Individuum oder das Medium von dem dieses vermeintlich ausgegangen war, nicht existiert hätte, oder umgekehrt, wenn nicht viele andere dieses Thema aufgenommen hätten?

Natürlich gibt es auch in einem Netzwerk aktivere und mächtigere Knoten, aber über das Ganze gesehen bleiben auch die wichtigsten  A-Bloggerinnen ohne die anderen Beteiligen, die vielen kleinen Blogs und Social Media Accounts, relativ unbedeutend.

Das was den stärkeren Knoten von den schwächeren Unterscheidet, sind die Anzahl Netzwerkverbindungen die zu und von ihm wegführen. Und diese spielen natürlich eine Rolle, wenn es darum geht eine Botschaft zu verbreiten. Aber auch diese starken Knoten sind in den meisten Fällen einfach Verstärker für Signale die bereits im Netzwerk umher schwirren.

Dieser Suche nach dem Blogger-Superhero, dem die Öffentlichkeit zu Füssen liegt, dieser Idee, dass es Einzelne sind, die Relevanz herstellen, liegt die tief in unserer Kultur verankerte Verherrlichung der Schöpfungskraft des Individuums zugrunde.

Dabei ist es immer der Zeitgeist, sind es die vielen Signale des kollektiven kulturellen Daseins, die das Neue Hervorbringen. Durch die effizientere Vernetzung der Individuen durch das Sozial Web, wird dieser kollektive Schöpfungsprozess nun viel klarer sichtbar.

Das liegt vor allem daran, das das Menschennetz durch diese effizientere Verknüpfungsinfrastruktur viel dynamischer geworden ist. Die Knoten und ihre Verbindungen sind dauernd in Veränderung und die Meme flutschen in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit durch unsere Gehirne.

Darum kann wer heute gemäss den genannten Merkmalen des Leitbloggers ein Niemand ist, morgen bereits einen Post oder Tweet geschrieben haben, der zu einer wochenlangen Diskussion in der Öffentlichkeit führt, um dann wieder zurück in das umspektakuläre Daseins des einfachen Netzwerknotens zu gelangen.

Es ist nicht die Leitbloggerin die ein Thema besetzt, sondern das Thema emergiert im Netz und die Leitblogger und die Massenmedien vertärken zusammen mit allen anderen Knoten deren Verbreitung.

Einer der Aspekte, die immer wieder vorgebracht werden, ist der, dass alle "relevanten" Themen entweder von den klassischen Massenmedien lanciert wurden, oder erst durch diese eine gewisse "Relevanz" erhalten haben.

Die Massenmedien waren früher die grossen Verstärker und weil die kommunikativen Verbindungsmöglichkeiten der Individuen noch nicht so effizient waren wie heute, war das wohl auch die sinnvollste Konfiguration des öffentlichen Netzes der Gedanken und Ideen.

Doch diese Struktur wird derzeit, wie wir alle wissen, umgebaut. Und genau dies bereitet den etablierten Medien ja so viel Mühe. Das System, welches früher aus viel weniger Verbindungen zwischen den Individuen bestand und durch mächtige Netzwerkknoten (den einzlenen Medien) von welchen viele einzelne und einseitige Verbindungen ausgegangen sind, dominiert wurde, wird jetzt um ein Vielfaches dichter verknüpft. Und die heute sehr grossen Knoten, die ja fast schon als Geschwüre gesehen werden können, müssen den vielen kleineren weichen und absterben, oder selber kleiner werden.

Das macht es auch für die Massenmedien immer schwieriger ein Thema aktiv und bewusst zu setzen. Interessanterweise behaupten ja gerade auch die Protagonisten dieser Medien, immer dann wenn sie in Kritik stehen, dass sie die Gesellschaft mit Themensetzungen manipulieren würden, dass sie ja nichts anderes tun, als das, was bereits in der Gesellschaft brodelt aufzunehmen.

Womit meine Behauptung, dass es eben nicht ein einzelner Verstärker ist, und sei er noch so laut, der dafür verantwortlich ist, dass ein Mem zu einem öffentlichen Thema wird, sondern die Häufigkeit in der das Mem kopiert und weiter geben wird. In diesem Prozess ist jeder Knoten manchmal wichtiger, manchmal weniger wichtig. Hauptsache er kopiert.

Mit "kopieren" meine ich natürlich nicht einfach, das simple duplizieren von Inhalten, sondern verstehe jede kreative Schöpfung als Kopierprozess mit mehr oder weniger Mutationen.

Wir brauchen also nicht nach Leitblogger und Leitbloggerinnen zu suchen, aber wir brauchen möglichst viele, die via Social Media kommunizieren. Dabei ist nicht so wichtig, wie viele regelmässige Leser diese aufweisen können, oder wie oft sie bloggen, solange sie eine minimale Anzahl an Netzwerkverbindungen aufrecht erhalten, die es einem Mem ermöglichen sich zu verbreiten.

(Bild © ova - Fotolia.com)

Absurde und unverschämte Sperrliste der Content-Industrie

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Nun ist sie also da, die Wunschliste der Websites, die die US-Amerikanische Unterhaltungsindustrie und ihre Schweizer Handlanger in der AGUR12 gerne gesperrt hätten. Der Chaos Computer Club Zürich hat die sogenannte Sperrliste der SAFE (Schweizerischen Vereinigung zum Kampf gegen die Piraterie )veröffentlicht. Sie wurde den Providern anlässlich eines Branchenevents, der kürzlich stattgefunden hat, ausgehändigt und kann hier eingesehen werden.

Es ist traurig zu sehen, dass wir überhaupt über solche unglaublichen Vorhaben diskutieren müssen. Die schlimmsten Befürchtungen haben sich leider klar und deutlich bestätigt. Durch die Netzsperren soll einfach alles, was der Industrie nicht passt, und zwar völlig unabhängig von der tatsächlichen rechtlichen Situation, gesperrt werden. Ich mache ein paar Beispiele.

Auf der Liste befindet sich Grooveshark, mit der zusätzlichen Bezeichnung "Illegal Streaming". Nun, Grooveshark wurde zwar in den USA von den grossen Majors verklagt, aber der Rechtsstreit ist noch nicht entschieden, und die Betreiberfirma die ganz offiziell in Florida und New York sitzt, darf die Website nach wie vor betreiben. Es kann zwar sein, dass am Ende die Content-Industrie ihre Prozesse gewinnt, aber derzeit sind die Würfel noch nicht gefallen. Trotzdem soll die Site, wenn es nach dem Gusto von SAFE ginge, in der Schweiz gesperrt werden, ohne rechtliche Grundlage, einfach weil sie es so wollen. 

Weiterhin befinden sich Websites auf der Liste, die es ermöglichen z.B. aus einem YouTube Video den Soundtrack zu extrahieren (sogenannte Stream-Ripper), also eine Art Aufnahmefunktion zur Verfügung stellen. Nun ist es sicher so, dass es dadurch möglich ist, zu einem MP3 File eines Songs zu kommen, der ja in der Regel legal auf YouTube verfügbar ist. Doch das verstößt nicht gegen geltendes Recht, höchstens gegen die Nutzungsbedingungen von YouTube. Nur der Umstand, dass ein solcher Service der Unterhaltungsbranche nicht genehm ist, kann doch kein Grund für eine Zugrifssperre für eine Website darstellen. Genausogut müssten dann Links zu Browsererweiterungen, die dasselbe ermöglichen, oder Links zu Anwendungen die die Aufnahme des Audiosystems es Computers ermöglichen, gesperrt werden. Dieser Logik folgend hätten man in den 1960er Jahren den Zeitungen auch verbieten müssen Anzeigen für Tonbandgeräte zu drucken.

Auch auf dieser Liste sind Websites zu finden, die zum weitaus grössten Teil legale Inhalte anbieten. Beispielsweise das Argentinische Forum "Taringa". Da dort die User aber über die Foren auch Links zu urheberrechtlich Geschützen Inhalte posten können, soll gleich die ganze Site gesperrt werden. Auch hier ist die Industrie im Betreiberland Argentinien rechtlich gegen die Site vorgegangen. Der Prozess wurde mit einem Vergleich beendet und die Website ist auf der ganzen Welt nach wie vor verfügbar und in der Spanisch sprechenden Community äusserst beliebt. Nun soll diese Website für die Schweizer Internet-Nutzer trotzdem einfach gesperrt werden.

Diese Liste zeigt ganz klar, wohin eine solche Regelung führt. Websites die einer kleinen Gruppe von Vertretern der Unterhaltungsindustrie nicht genehm sind und die in den Betreiberländern völlig legal verfügbar sind, sollen bei uns einfach gesperrt werden. Und bitte, wir sprechen hier nicht von sogenannten "Failed-States" ohne Rechtssystem, sondern von Ländern wie den USA, Argentinien oder Schweden.

Diese Sperrliste, die den Providern ausgehändigt wurde, dürfte ja nur einen kleinen Teil der Sites darstellen, die die Unterhaltungs-Industrie tatsächlich sperren lassen will.  Man stelle sich vor, wieviele Websites, die diesen Leuten nicht passen, vor uns verborgen werden sollen, wenn ein solches Regime erst einmal eingerichtet ist und diese Listen dann ja geheim sind. Willkür und Zensur sind Tür und Tor geöffnet. Wir dürfen das auf keinen Fall zulassen.

(Bild: © djama - Fotolia.com) 

Arbeitsgruppe AGUR12 schlägt Überwachung der Internet-Nutzer und Zensur der Netzinhalte vor.

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Die NZZ am Sonntag schreibt unter dem Titel "Bund schiebt Raubkopieren einen Riegel" (Online wurde der Titel bereits geändert), dass sich eine Arbeitsgruppe des Bundes auf verschiedene Massnahmen zur Bekämpfung illegaler Anbieter von urheberrechtlich geschütztem Material im Internet geeinigt hätten. Es wird zwar im Artikel nicht wirklich ersichtlich, aber wir können wohl davon ausgehen, dass die Autorin dieses Beitrages sich dabei auf den Zwischenbericht des IGE zur letzten Sitzung der AGUR12 beruft, der hier auf der IGE Website nachzulesen ist.

Die AGUR12 ist eine Arbeitsgruppe, die von Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Spätsommer letzten Jahres einberufen wurde und die den Auftrag erhalten hat, "bis Ende 2013 Möglichkeiten zur Anpassung des Urheberrechts an die technische Entwicklung aufzuzeigen. Besonderes Augenmerk sei dabei auf die Entwicklung von Verwertungsmodellen zu legen, die den heutigen Internetnutzungen gerecht werden." Das Mandat ist online verfügbar (PDF).

In dieser Arbeitsgruppe sind verschiedene Interessen vertreten, wobei diejenigen, die am alten System der Rechteverwertung festhalten wollen und denen jedes Mittel recht ist, um ihre Monopolrente zu sichern, krass übervertreten sind. Vor allem haben die Hardliner, die eine eigentliche Zensurifrastruktur aufbauen wollen, grossen Einfluss auf die Diskussionen innerhalb der AGUR12, während moderate Stimmen und solche die sich ernsthaft mit den neuen Möglichkeiten und Herausforderungen der digitalen Gesellschaft auseinander setzen überhaupt nicht vertreten sind. Die Einzigen die sich gegen die permanente Überwachung der Netzuser wehren, sind die Zugangsanbieter, allerdings auch nicht mehr geschlossen, wie die Aussage des Swisscom-Sprechers Sepp Huber im erwähnten NZZ am Sonntag Artikel zeigt. Ich bin ziemlich sicher, dass Cablecom, Sunrise usw. diese Sache etwas anders sehen. Dass Swisscom hier ausschert, hat wohl vor allem damit zu tun, dass sie ja auch immer mehr zum Inhalteanbieter wird. Eine Entwicklung notabene, der der Bund als Eigentümer der Swisscom eigentlich einen Riegel  vorschieben müsste, aber das ist eine andere Baustelle.

Es wundert darum nicht, dass die Zwischenergebnisse nicht Gutes erahnen lassen. Die Massnahmen, die die Arbeitsgruppe vorschlägt, führen allesamt zu einem massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Internet-Nutzer und würden, wenn sie umgesetzt werden, vor allem hohe Kosten für den Staat und die Provider, und keinen einzigen Franken mehr für die Kulturschaffenden einbringen.

Der einzige Lichtblick in diesem Zwischenbericht ist die Aussage, dass die Verhältnismässigkeit und die Finanzierbarkeit der Massnahmen berücksichtigt werden sollen. Eine Forderungen, die ich sehr wichtig finde und die eigentlich dazu führen müsste, wenn wir sie ernst nehmen, dass endlich die Zahlen auf den Tisch kommen, die uns sagen, wieviel Geld die Schweizer Kulturschaffenden, insbesondere die lautesten von ihnen, die Musikschaffenden Schweiz durch die sogenannte Piraterie verlieren. Erst dann können wir seriös darüber diskutieren, wie verhältnismässig die vorgeschlagegen Massnahmen wirklich sind.

Schauen wir uns nun die verschiedenen Massnahmen im Detail an:

Es wird davon gesprochen, dass die Internet-Zugangsanbieter den Nutzern von P2P-Netzen, welche in "schwerwiegender Weise Urheberrechte verletzen", Warnhinweise zustellen soll. Das ist so eine Art abgeschwächtes Loi Hadopie aus Frankreich. Dass der Begriff "schwerwiegend" erst einmal definiert werden müsste, ist dabei nur ein Nebenaspekt. Das viel grössere Problem ist natürlich, dass damit eine Überwachung der Inhalte, die jemand im Netz nutzt einher geht, denn nur so, könnte ja festgestellt werden, ob es sich dabei überhaupt um eine Verletzung des Urheberechts handelt. Das wäre etwas dasselbe, wie wenn jeder Paketpost-Anbieter dazu angehalten würde, jedes Paket zu öffnen und zu schauen, ob sich darin eventuell Material befindet, welches eventuell im Zusammenhang mit einer Verletzung des Urheberrechtes steht und darüber Buch zu führen, damit er feststellen kann, wann der Messwert für die Definition von "schwerwiegend" erreicht ist. Stellen wir uns doch einmal eine solche Forderung vor. Dann wird uns klar, wie absurd diese ist und vor allem wie gefährlich.

Als zweites wird gefordert, dass die sich in der Schweiz befindlichen Hosting-Provider dazu verpflichtet werden, auf Anzeige hin, urheberrechtlich geschütztes Material zu entfernen. Ein Notice-und-Take-Down-Verfahren wie es in den USA praktiziert wird. Grundsätzlich könnte man sich ja durchaus auf eine solche Massnahme einlassen, wenn wir aufgrund der Erfahrungen aus den USA nicht wüssten, dass solche Regelungen von der Content-Industrie massiv ausgenützt werden um sich Inhalte, an denen sie gar keine Rechte besitzen, anzueignen und zu monetarisieren. Martin Steigers Beispiel ist nur eines von sehr vielen, die zeigen, wie schlecht diese Lösung funktioniert. Ein weiteres Problem wird sein, dass die Content-Konzerne die Schweizer Provider mit solchen Anzeigen überschwemmen werden. Sie schiessen mit einer riesigen Schrotkannone einfach wild um sich, weil es sie nichts kostet, zu behaupten ein Song, ein Text oder ein Film gehört ihnen. Sobald sie das gemacht haben, muss der Provider handeln und weil er logischerweise keinen Ärger will, nimmt er das File sicherheitshalber mal vom Netz. Gerade die kleinen Provider werden sich hüten, sich auf juristische Streitigkeiten mit den Grosskonzernen der Medienindustrie einzulassen. Das Nachsehen haben die User, die nichts illegales tun und sich trotzdem dauernd gegen falsche Anschuldigungen wehren werden müssen.

Die dritte Forderung besteht darin, dass die Internet-Zugangsanbieter auf Anzeige der KOBIK oder einer anderen zu schaffenden Behörde, in schwerwiegenden Fällen den Zugang zu offensichtlich illegalen Quellen sperren sollen. Hier haben wir es also mit dem Lösungsansatz zu tun, der in Deutschland unter dem Namen "Zensursula" phänomenal gescheitert ist. Mit dieser Idee wird nun definitiv der Aufbau und Betrieb einer Zensurinfrastruktur gefordert. Websites, die einer bestimmten Industrie nicht genehmen sind, sollen gesperrt werden. Es wird behauptet, dass es ja nur ein paar sogenannte "Linksites" seien, die eben Links auf unlizenzierte Kopien von urheberrechtlich geschütztem Material anbieten. Doch welche Sites sollen das denn sein? Solche die ausschliesslich Links zu bestimmten Files bieten? Oder reichen schon einige Links, neben solchen die unproblematisch sind? Oder nur einer? Müsste Google gesperrt werden? Was ist eine Sucherergbnisseite anderes als eine Linksseite? Was ist überhaupt eine Linksite? Hier ist der Willkür Tür und Tor geöffnet. Kommt dazu, dass diejenigen, die sich wirklich Zugang zu Inhalten verschaffen wollen, die die Content-Industrie nicht oder noch nicht ermöglichen wollen, dies immer schaffen werden.

Wir können also festhalten, dass das was die AGUR12 vorschlägt, das schlimmste aus Frankreich, den USA und Deutschland kombiniert und wenn dieser Strauss an Forderungen umgesetzt würde, die Schweiz wohl bald den Spitzenplatz in der Rangliste der westlichen Länder mit den stärksten Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte im Internet belegen würde.

Es ist wahrlich dreist, wie die internationalen Mediengrosskonzerne über lokale Verbände in der AGUR12 und auch über diesen Runden Tisch des SECO versuchen die Freiheits- und Persönlichkeitsrecht der Schweizer Bürgerinnen und Bürger einzuschränken, nur damit sie ihre alten Gelddruckmaschinen weiter betreiben können. Man stelle sich vor, diese Leute hätten bereits früher gemerkt, was das Internet mit ihren Geschäftsmodellen anstellt. Wir würden wohl immer noch Faxen, statt E-Mails verschicken und Leserbriefe statt Blogposts schreiben und vor allem würden wir weiterhin all den Schrott auf Datenträgern kaufen müssen, den sie uns während Jahrzehnten vorgelegt haben.

Wir müssen genau hinschauen, ob und auf welche Weise die aktuellen Vorschläge der AGUR12 tatsächlich umgesetzt werden sollen und uns vehement dagegen wehren. Hier geht es nicht um ein paar Jugendliche, die sich ihre Musik und Filme irgendwo im Netz holen, ohne dafür zu bezahlen. Es geht um das Weiterbestehen einer Internet-Infrastruktur die frei ist von Zensur, Überwachung und Willkür und damit einen erheblichen Beitrag zur Prosperität unserer Geschellschaft leistet, und das geht uns alle an.

(Bild: © burak çakmak - Fotolia.com) 

Notiz zur Geschichte der Radionachrichten

Volksempfänger - CC-BY-SA 3.0 (Wikimedia Commons)Heute im Tagesgespräch auf SRF1 war Kurt Witschi zu Gast. Er hat 43 Jahre lang in der Nachrichtenredaktion des Schweizer Radios gearbeitet. Das Gespräch bietet uns interessante Einblicke in die Geschichte der Radionachrichten in der Schweiz.

Kurt Witschi erzählt unter anderem davon, wie er seine Karriere im Radio gerade in der Zeit begann, als die SRG sich langsam vom Gängelband der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) abzunabeln begann.

Die Radionachrichten wurden jahrzehntelang exklusiv von der Depeschenagentur gelesen und geliefert. In der offiziellen Geschichtsschreibung der SDA wird dieser Umstand als innovative Ausdehnung des eigenen Geschäftsmodells verklärt. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit.

Die Presseverleger, denen die Depeschenagentur damals alleine gehörte, haben sich von Beginn an vehement gegen das neue Medium Radio gewehrt. Sie wollten auf keinen Fall, dass eine Konkurrenz zu ihrem eigenen Nachrichtenverbreitungsmonopol auf Papier entsteht und sie haben letzendlich erfolgreich erreicht, dass das Radio dazu verknurrt wurde, die Nachrichten nicht nur von der SDA zu beziehen, sondern diese gleich auch durch sie produzieren zu lassen. Die Presseverleger konnten von 1924 bis 1971, also während fast 50 Jahren, weitgehend bestimmen, welche Nachrichten über das Radio verbreitet wurden. Natürlich konnten sie sich dafür via SDA schon damals aus dem Topf der Gebührengelder bedienen.

Die Situation ähnelt stark der heutigen Diskussion um die Inhalte der SRG im Netz. Bald 100 Jahre nach Einführung des Radios in der Schweiz, tun sich die Presserverleger immer noch schwer mit der Vorstellung, dass es neben ihnen auch noch andere Quellen für Nachrichten gibt.

Das Bananen-Experiment.

Ausschnitt aus dem Video: Das Bananen-Experiment von Severin Bruhin

Wenn ich einen Tweet wie diesen lesen, werde ich natürlich sofort aufmerksam:

 

 

Da hat also ein Student der ZHdK ein Video produziert, welches der Frage nachgeht, warum wir für Bananen freiwillig bezahlen würden, während dies für Musik nicht der Fall sei, wie wir in einem Beitrag bei NZZ Campus lesen können.

Der NZZ Campus Beitrag und das Video sollten nicht unkommentiert im Netz stehen bleiben.

 

  1. Es ist nicht wahr, dass für Musik im Internet nichts bezahlt wird. Gestern haben wir zum Beispiel lesen dürfen, dass via iTunes 25 Milliarden Songs verkauft wurden. Verkauft, nicht gratis heruntergeladen!
  2. Es ist erst recht nicht richtig, dass für Musik grundsätzlich nicht bezahlt wird. Die Menschen gehen an Konzerte, sie kaufen CD's, sie kaufen Songs und Alben online, sie geben Geld aus für Fan-Artikel.
  3. In der Schweiz gibt es keine illegalen Downloads. Der Download ist bei uns legal. Wobei ich damit nicht sagen will, dass er auch moralisch gerechtfertigt sei, doch dazu kommen wir später.
  4. Das Problem der allermeisten Musiker ist nicht, dass ihre Songs kostenlos heruntergeladen werden, sondern dass niemand deren Musik kopiert, weil sie bedeutunglos ist, oder zuwenig bekannt.
  5. Bananen und Musikaufnahmen sind nicht auf diese Weise miteinander vergleichbar. Wenn ich Deine Banane esse, ist sie weg und Du hast keine mehr, wenn ich Deinen Song herunterlade, ist er immer noch da.
  6. Es gibt noch einen zweiten Grund, warum die Metapher falsch ist. Im Netz ist es leider nicht so, dass ich zwischen der Möglichkeit des kostenlosen und des kostenpflichtigen Angebotes so einfach wählen kann, wie hier bei den beiden Bananenschalen. So einfach 50 Rp. auszugeben um einen Song zu bekommen, geht bei uns eben leider meistens noch nicht. In Zukunft wird das Möglich sein. Erste Services, die den Musiker ermöglichen den einfachen Kaufprozess mit einem Link einzuleiten sind bereits da oder im Anflug (z.B. Gumroad, Sellfy, BandCamp)
  7. Das teure Studio aus den 1980er Jahren, wie es am Anfang des Videos gezeigt wird, ist doch Geschichte. Einen Song zu produzieren ist um ein vielfaches günstiger und einfacher geworden. Darum gibt es ja unter anderem heute so viel mehr Musik zu konsumieren als vor 20 Jahren. Ich will ja nicht behaupten, dass es nichts kostet, Musik zu produzieren, aber ein Vermögen wie früher kostet es eben auch nicht mehr.
  8. Gleich nach dem Studio sehen wir eine Single abgebildet, während der Sprecher von Album spricht. Das ist zwar eine Nebensache, aber sagt uns vielleicht etwas über die Beliebigkeit des Projektes. Und auch hier sei angemerkt, dass gerade dadurch, dass man Musik heute online verkaufen kann, für junge und unbekannte Musiker viel mehr Chancen für die Verbreitung bestehen, als damals, als es nur den Weg über die Single oder das Album gab. Damals war man auf die Gnade der Vertriebsinsdustrie angewiesen, heute nicht mehr.
  9. Das Video suggeriert, dass jedes Album mit hohen Kosten produziert und dann im Internet kostenlos heruntergeladen würde, der Musiker ginge dabei leer aus. Nicht jedes Album wird kostenlos herunterladen und selbst wenn das so stattfindet, bedeutet das auch noch nicht, dass der Musiker dabei leer ausgeht. Es ist ganz einfach: Wenn er bekannt und beliebt ist, wird viel kostenlos heruntergeladen, aber auch viel gekauft. Wenn er unbekannt und unbeliebt ist, wird weder gekauft noch kostenlos herunter geladen. Um bekannt und beliebt zu werden, ist die Verbreitung von kostenloser Musik das effizientes Marketingmittel für das kleine Budget.
  10. Dann kommt die Frage: "Weshalb  bezahlt man nicht?". Noch einmal: Diese Grundthese ist völlig falsch. Darum kann auch das Experiment keinen Erkenntnisgewinn bringen und das sieht man dann auch im Video.
  11. Von den 7 befragten Studenten haben fünf angegeben, dass sie zwar Musik auch gratis herunterladen, doch dass sie auch Musik kaufen. Nur 2 haben gesagt, dass sie nie bezahlen. Die Ausgangsfrage: "Warum bezahlen Studies freiwillig für Bananen, nicht aber für Musik" kann so als nicht gestellt werden.
  12. Am Schluss des Videos wird noch einer der Befragten mit dem Statement gezeigt, dass er kein schlechtes Gewissen habe, was sehr schön zeigt, dass das Video mit einer These im Kopf produziert wurde, und nicht mit einer offenen Frage. Und dass diese These unter allen Umständen bestätigt werden soll. Ein Experiment sieht anders aus.

Soviel zum Video, nur noch kurz ein paar weitere Bemerkungen.

Es ist sicher richtig, dass es viele Menschen gibt, die viel Musik auf Ihren digitalen Abspielgeräten haben, für die sie nicht bezahlt haben. Es ist aber absurd anzunehmen, dass für diese Musk bezahlt worden wäre, wenn es die Möglichkeit des kostenlosen downloads nicht gegeben hätte. In den meisten Fällen, würde einfach darauf verzichtet, den besagten Song im Player zu haben. Es gibt mehrere Gründe warum kostenlos heruntergeladen wird. 

  • Der Musikkonsument hat ein sehr kleines Einkommen zur freien Verfügung. Das ist meistens bei Jugendlichen und Studierenden der Fall. Aus demselben Grund hat man früher LP's von Freunden oder Radiosendungen getaped. Wenn das Geld knapp ist, setzt man Prioritäten. Das heisst aber nicht, und das sieht man auch im Video sehr schön, dass nie bezahlt würde. Es ist eher so, dass gezielt Musik gekauft wird. Weiterhin wird viel mehr von dem verfügbaren Geld in Clubs und an Konzerten ausgebeben als früher. Das ist eine indirekte Bezahlung von Musik.
  • Die Musik ist einfacher kostenlos herunterzuladen als zu kaufen. Solange die Labels und Künstler ihre Songs nur via iTunes, Amazon und Google Play anbieten, statt einfache Mögichkeiten im Web bereitzustellen. Solange ein Song, wenn ich nach ihm oder der Band im Web suche nicht als erstes auftaucht und ich dort so einfach bezahlen kann, wie im Video für die Banane, solange wird auch kostenlos downloaded. Und statt zu versuchen, die kostenlosen Download-Angebote zum verschwinden zu bringen, was eh nicht gehen wird, ohne massiven Schaden an der Gesellschaft, sollten sich die Labels und die Künstler darauf konzentieren, wie sie im Web ihre Songs einfach an den Fan verkaufen können, ohne dass sie den grössten Teil der Einnahmen an irgendwelche Zwischenhändler abgeben müssen. Noch einmal z.B. mit GumroadSellfyBandCamp, usw.
  • Die Songs sind zu teuer. Das kommt auch einmal im Video vor. CHF 1.60 für einen Song ist vielleicht einfach zuviel verlangt? Das ist ja auch ein völlig willkürlich festgelegter Preis. Vielleicht sollte der Preis eher bei CHF 0.50.-- liegen, oder nich tiefer? Ich weiss es nicht, der Musiker ist hier angehalten, auszuprobieren, was der Konsument für seine Musik zu bezahlen bereit ist. Sicher ist nicht für jeden Konsumten jeder Song gleich viel wert, warum auch?
  • Und dann gibt es noch den Jäger und Sammler, der alles auf seinem Computer abspeichert, was er kriegen kann. Doch auch hier gilt, das es sich nicht um entgangegen Umsatz handelt. Dieser Mensch würde schlicht darauf verzichten, wenn er die Songs nicht mehr kriegen würde.

Dann die moralische Frage, die immer wieder in den Raum gestellt wird, ob es fair sei, für Musik nicht zu bezahlen. Ich werde diesen Aspekt in mehreren Blogposts behandeln müssen, denn es ist eine sehr komplexe Frage. Wer die Welt und den Prozess der Musikverbreitung als einfachen Interaktionsprozess zwischen Musiker und Musikkonsument sieht, kann schon auf die Idee kommen, dass es unfair sei, wenn jemand etwas kostenlos herunterlädt, aber die Welt ist nun mal nicht so simpel. Es sind viele Protagonisten, Aspekte und Wertvorstellungen zu berücksichtigen um die moralische Frage zu beantworten. Fairness ist ein sehr unscharfer Begriff. Wir könnten auch fragen, ob es fair sei, dass Stundenten, die kein Geld haben, für Musik bezahlen müssen? Oder ob es fair sei, dass Leute, die ein Speichermeidum kaufen, um dort ihre eigenen Dokumente abzuspeichern, für Musik bezahlen müssen, die sie nie anhören? usw. Aber wie gesagt, heben wir uns die moralischen Fragen in diesem Zusammenhang für später auf.

Das Problem der meisten Musikschaffenden ist nicht, dass ihre Songs entgegen ihrem Willen kostenlos heruntergeladen werden, sondern dass sie ihre potentiellen Fans gar nicht erst erreichen. Es gibt einfach sehr viel Konkurrenz um die wenigen verfügbaren Aufmerksamkeitsminuten der Musikhörer. Nur wer einigermassen erfolgreich ist, hat auch das Problem, dass seine Songs im Netz dort zu finden sind, wo er das nicht möchte. Dann aber, ist es kein Problem mehr. Oder anders gesagt, wer 100'000 Songs verkauft, kann sich über die 100'000 kostenlos Downloads, die es vielleicht auch noch gibt, freuen, denn das sind offenbar Fans, die seine Kunst weiterbringen. Wer nur 100 Downloads verkauft, der hat ein anderes Problem, aber bestimmt nicht, dass es dazu noch 100 kostenlos Downloads gibt. Und wer nichts verkauft, wird kaum unter kostenlosen Downloads leiden, denn offenbar interessiert sich niemand für seinen Songs.

Passend zu diesem Thema wäre vielleicht wieder einmal das Buch "Freie Kultur" von Lawrence Lessig zu lesen, welches man übrigens auf Wunsch von Autor und Verlag auch kostenlos downloaden kann. 

Eine neue SRG mit CC-Inhalten und ohne Sender

Es wird wieder einmal darüber diskutiert, was die SRG im Internet publizieren dürfen soll, und was nicht. Die Presseverleger möchten ihre Inhalte in Zukunft im Internet gerne kostenpflichtig anbieten, da käme ihnen ein durch Zwangsgebühren finanziertes und ausgebautes SRG-Online-Angebot ziemlich in die Quere, finden sie. Sie schlagen unter anderem vor, dass die SRG ihre Angebote den Verlegern zur Online-Verwertung zur Verfügung stellen soll und sie dafür im Gegenzug einen Teil der Einnahmen abliefern würden (PDF).

Das ist ein interessanter Ansatz, allerdings sollten wir noch viel weiter gehen. Denn es darf nicht soweit kommen, dass die durch unsere Gebühren finanzierten Inhalte am Ende von den Presseverlegern hinter ihren Paywalls weggesperrt werden.

  1. Die SRG betreibt keine Sender mehr, weder Fernsehen noch Radio, sondern produziert nur noch Inhalte und zwar in allen sinnvollen Formaten, ja auch Texte.
  2. Die Produktionen werden vollständig durch die Radio- und TV Empfangsgebühren finanziert, die wir in derselben Höhe wie bisher beibehalten.
  3. Alle Produktionen, die die SRG publiziert, werden unter einer Creative Commons BY-SA Lizenz ins Netz gestellt inkl. den Raw-Formaten, sowie allen Meta-Daten und den Daten und Dokumenten, die bei der Produktion angefallen sind (Footage, usw.).
  4. Alle Personen und Organisationen weltweit dürfen diese Produktionen und Daten in ihren eigenen Kanälen beliebig einsetzen, verwerten und damit Geld verdienen, solange sie sich an die Bedingungen der CC-BY-SA Lizenz halten. Sprich, solange die, unter Beizug dieser Inhalte erstellten, neuen Produktionen mit den korrekten Quellenangaben versehen sind und  auch wieder unter dieser Lizenz verfügbar gemacht werden.
  5. Welche Inhalte die SRG produziert, bleibt im ähnlichen Rahmen des bestehenden Leistungsauftrages ihr, bzw. ihren Redaktionen überlassen. Sie soll sich aber hauptsächlich auf das konzentrieren, was die privaten Anbieter nicht produzieren wollen. Hintergundsendungen, Recherchen, Reportagen zu Politik, Kultur und alles was an den Rändern der Gesellschaft geschieht und gefördert werden soll.
  6. Das komplette Archiv der SRG wird unter denselben CC-BY-SA Lizenzbedingugen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Eine solche SRG würde der Service-Public-Idee am ehesten gerecht werden und alle Beteiligten würden davon profitieren. Die privaten Medienanbieter, weil sich ihnen durch den Verzicht der SRG auf eigene Sender neue Möglichkeiten bieten und weil sie die SRG-Inhalte nutzen können, wenn sie wollen. Der SRG weil damit der Kampf mit den privaten Anbietern um Werbegelder und Quoten ein Ende hätte und sie sich auf alles das konzentrieren könnte, was in der Medienlandschaft fehlt. Und natürlich das Publikum, das sich einer neuer Vielfalt von Inhalten und Zugangsmöglichkeiten erfreuen könnte.

Gleichzeitig müsste man natürlich die Konzessionspflicht für Radio- und TV-Anbieter komplett aufgeben.

Im Zusammenhang mit dem Gebührensplitting sähe ich zwei Szenarien. Entweder wir verzichten volltändig auf diese Subventionierung privater Medienhäuser, oder ein Teil der Gebühreneinnahmen wird über einen Medienfonds bereitgestellt, aus welchem Produktionen finanziert werden, die von jedem Journalisten und jeder Journalistin eingereicht werden können. Es soll ja darum gehen, Inhalte zu fördern, nicht Institutionen.

Die trügerischen Argumente für das Leistungsschutzrecht der Presseverleger in der Schweiz

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin der Meinung, dass das Leistungschutzrecht für Presseverleger in der Schweiz mit allen Mitteln verhindert werden muss. Wir dürfen auf keinen Fall auf den von einigen Befürwortern eines solchen Maulkorb-Gesetztes neu eingeschlagenen konzilianten Ton hereinfallen. Es wäre völlig falsch hier auch nur die kleinste Kompromissbereitschaft zu signalisieren. Ein solches Gesetz kann nur schlecht sein für die Gesellschaft, denn es wird immer darauf hinauslaufen, dass grosse Konzerne mehr Macht erhalten und die Vielfalt der Kommunikationskanäle eingeschränkt wird. Auch wenn die Verleger in der Schweiz nun etwas "Kreide gegessen" haben, werden sie bei der konkreten Umsetzungsdiskussion eines solchen Gesetzes alles, was Grösse stärkt und ihnen Wettweberb vom Halse schafft, einbringen.

Bis vor kurzem gab es ja nur Äusserungen einzelner Exponenten der Schweizer Mediengrosskonzerne. Seit heute haben wir so etwas wie eine offizielle Stellungnahme des Verbandes Schweizer Medien. In der NZZ vom 15. Januar 2013 äussert sich deren Geschäftsführer Urs F. Meyer zum Thema und legt dar, warum ein solches Leistungschutzrecht gefordert wird. Der wichtigste Kampf um den Erhalt und den Ausbau der Medienvielfalt in der Schweiz seit Jahrzehnten ist damit offiziell eingeläutet.

Ich werde hier nur kurz auf die trügerischen Metaphern und Argumente, die im heutigen NZZ Beitrag von Urs F. Meyer verwendet werden eingehen.

Das Internet ist kein Wochenmarkt

Meyer beginnt mit einem beschaulichen Bild um uns einzulullen:

"Vergleichen wir das Internetangebot doch einmal mit einem traditionellen Wochenmarkt: Da kommen die regionalen Bauern, mieten einen Marktstand, bezahlen die Marktgebühr und bieten ihre Produkte an." (Urs F. Meyer, Geschäftsführer Verband Schweizer Medien, NZZ Online)

Doch das Internet bzw. was World Wide Web sind keineswegs mit einem Wochenmarkt vergleichbar. Ein Wochenmarkt liegt an einer Strasse oder an einem Platz. Alle Besucher des Wochenmarktes versammeln sich entlang dieser Strasse oder dieses Platzes. Das Netz ist völlig anders gebaut. Es gibt zwar die Maktstände, wenn wir dieses Bild schon bemühen wollen, aber es gibt keine feste Strasse und keinen festen Markt. Die Wege zu den Martkstandbetreibern sind dynamisch, werden jede Sekunde tausendfach neu gebaut. Es sind die Links, die die Strassen darstellen und die Klicks die Laufkundschaft; und diese Links werden fortwähren neu gesetzt und neu geklickt. Es gibt zwar solche Marktplatzstrukturen auch im Web. Das wären dann aber eher die Aktionsplattformen wie eBay und Ricardo. Der weitaus grösste Teil der Internet-Umsätze wird aber nicht an diesen Marktplätzen generiert, sondern direkt an den Marktständen. Die Aufgabe des Standbetreibers ist dauernd dafür zu sorgen, dass die Links zu ihm gebaut und geklickt werden, und nicht den Märkten entlang zu fahren.

Dann kommt die böse Google ins Spiel:

"Die Beschaulichkeit wird dann jedoch massiv gestört, wenn ein aussenstehender Anbieter ohne eigene Marktware einen riesigen Marktstand mietet, sich bei einzelnen Bauern, ohne zu fragen, geschweige denn gar zu bezahlen, Produkte von der Auslage nimmt und sie bei sich, nach eigener, nicht transparenter Rangordnung, mit dem Hinweis ausstellt, man könne sie beim jeweils genannten Bauern kaufen gehen. " (Urs F. Meyer, Geschäftsführer Verband Schweizer Medien, NZZ Online)

Ich hoffe, es ist bereits klar, warum dieses Bild völlig daneben ist. Es gibt wie gesagt, den Marktplatz im Netz so nicht. Die verwendete Metapher hier ist aber gleich doppelt falsch. Google und andere Aggregatoren nehmen den Presseverlegern nichts weg aus der Auslage. Das würde ja bedeuten, dass wir den Artikel dessen Anriss Google anzeigt, nicht mehr in der Originalquelle lesen könnten. Wenn ich einen Apfel aus der Auslage nehme und ihn bei mir einstelle, ist er beim Bauern weg und damit wertlos. Wenn ich einen Artikel-Anriss nehme, diesen im Netz woanders darstelle, und einen Link zur Quelle baue, dann ist der Artikel bei der Quelle noch vorhanden und durch den Link wertvoller geworden.

Warum wollen denn die Presseverleger sowas nicht, wenn ich behaupte, dass die Links der Aggregatoren ihnen etwas bringt? Die sind ja auch nicht blöd, oder?

Richtig. Sie sind überhaupt nicht blöd. Das Problem für die Verleger ist, dass sie viel stärkerer Konkurrenz ausgesetzt sind, weil es viel einfacher ist, eine "Strasse" aus Links zu bauen und wieder abzubauen. Sprich, weil die Linkwelt eben ausserordentlich dynamisch ist, und jeder Mensch mit einfachen Mitteln jederzeit die beste Quelle sein kann, und deswegen die Verleger zu recht um ihre Vormachtstellung bangen, wollen sie das Leistungsschutzrecht. Das Problem für die Presseverleger ist, dass die neue Medienwelt, die am entstehen ist, viel mehr Diversität bieten wird. Die Marken der Zukufnt sind Journalisten und kleine Journalistenkollektive, die ohne dass sie sich bei den Verlagen versklaven müssen, direkt an Ihr Publikum gelangen können und auch direkt monetarisieren werden können. Die grossen Medienkonzerne wissen genau, dass die von Ihnen als Internet-Idealisten und Träumer betittelten Menschen recht haben. Ihre Zeit nähert sich dem Ende und entgegen den Behauptungen ihrer Protagonisten und Lakaien, ist das gut so. 

Das heisst nicht, dass die Zeit des Journalismus zu Ende wäre, im Gegenteil. Es heisst auch nicht, dass es keinen Platz für gute Verlage gäbe, im Gegenteil. Es wird wieder Vielfalt herrschen und es wird viele kleine Inhaltenabieter geben, die hervorragenden Journalismus bieten werden. Dieser Journalismus wird vielleicht etwas anders aussehen als heute, aber er wird wohl seiner Rolle des Watchdogs der Gesellschaft und des Raumes für die öffentliche Debatte gerechter werden, als der den wir heute haben - sofern wir das Leistungschutzrecht verhindern. In der Schweiz können wir das zum Glück und darauf müssen wir uns vorbereiten. Aber ich schweife ab...

Nochmal zu diesem unsäglichen Marktplatz / Bauern Bild: Google ist in dieser Situation sicher nicht derjenige, der einen eigenen, nur viel grösseren, Marktstand aufgestellt hat, um den armen lieben Bauern aka Meidenkonzerne wie Ringier, Tamedia, usw. die Apfel weg zu nehmen. Wenn schon ist Google die Firma, die viel dazu beiträgt, dass immer wieder neue Strassen mit Laufkundschaft gebaut werden und dass diese Strassen zu den Bauern führen. Und hier gleich noch angefügt: Wir könnten ja denken, dass Herr Meyer mit den Apfeln, die ihm weggenommen werden, die Journalistischen Inhalte meint. Das ist nur oberflächlich so, er sagt Apfel damit wir glauben es gehe ihm um Inhalte, aber er mein Rosinen, nähmlich die Inserate, die ihm weggenommen wurden.

Es ist eben nicht so, dass in dem Bild, welches Herr Meyer verwendet, die Presseverlage die Bauern auf dem Marktplatz darstellen. Die Bauern sind die Journalisten, die Äpfel sind die Inserate; die Verlage hatten früher einfach den Martkplatz für sich gepachtet und konnten für den Zutritt zu diesem dafür verlangen, was sie wollten. Das ist das Problem der Presseverleger: es braucht keine solchen Marktpläzte mehr.

Halten wir also fest, dass diese Metapher vom Marktplatz und den Bauern absolut trügerisch ist und überhaupt nichts mit dem Problem des Leistungschutzrechtes zu tun hat. Oder anders gesagt: Lassen wir uns nicht veräppeln.

Es geht weiter:

"Im obenstehenden Beispiel aber tritt der aussenstehende Anbieter machthaberisch auf, nimmt, ohne zu fragen, und diktiert, wem das nicht passe, der solle zusätzliche Arbeit leisten, indem er seine Angebote entsprechend markiere, damit sie von der Marktschau nicht berücksichtigt werden." (Urs F. Meyer, Geschäftsführer Verband Schweizer Medien, NZZ Online)

Diesmal will der Schreiber uns weismachen, dass es Arbeit bedeute, in einem einzigen File ein Attribut zu setzen. Ja, stimmt: 10 Min. Wenn es nur dieses Problem ist, welches die Presseverlage gelöst haben möchten, werden wir eine Spendestelle einrichten, um das Geld zu sammeln, welche für die Bezahlung der Arbeit, die dafür notwendig ist, zu bezahlen. Wir werden wohl nicht mehr als 10'000 CHF zusammenbringen müssen, um allen Presseverlagen in der Schweiz anzubieten, ihre robots.txt kostenlos so einzurichten, damit sie aus dem Google Index verschwinden.

Der Witz ist eben, dass die Verlage nicht möchten, dass sie aus dem Index verschwinden, denn es ist ja in der Tat wertvoll dort zu sein, sondern sie möchten, dass Google und Co. dazu gezwungen werden sie zu indizieren und dafür zu bezahlen. Das zeigt der Aufschrei, der durch den Blätterwald (ja, vor allem dort) ging, als Google angekündigt hat, in Frankreich die Presseverlage aus dem Index zu nehmen, wenn dort ein Leistungschutzrecht eingeführt würde. Manchmal wird auch das Beispiel Belgien genannt, wo Google das auch tatsächlich gemacht hat. Da hiess es allenorten, dass dies Erpressung sei. Kann es noch absurder gehen? Das würde ja bedeuten, dass der grosse böse Marktplatzhirsch, der den mächtigen Stand aufgestellt und die Äpfel geklaut hat, nun plötzlich die Äpfel nicht mehr zurückgeben darf, sondern jeden Tag neue kaufen muss, auch wenn er gar nicht will?

Wichtig sind auch die Äusserungen zum Kartellrecht, die immer wieder gemacht werden. Es heisst dann jeweils von Seite der Presseverlage, sie könnten nicht einfach ihre Inhalte aus dem Index löschen. Dies müssten alle gleichzeitig machen, was sie aber aus kartellrechtlichen Gründen nicht dürften. Ich kann das nicht beurteilen, aber diese Aussage steht dann natürlich im krassen Gegensatz zu der Behauptung von Herrn Meyer im Artikel:

"Will ein Verlag seine Produkte verkaufen, sollen sie entsprechend im Internet erscheinen. Will jemand seine Zeitungen gratis publizieren, so soll er das können, ..." (Urs F. Meyer, Geschäftsführer Verband Schweizer Medien, NZZ Online)

Wenn das so wäre, dann würde ja, sofort nach Einführung des Gesetzes jemand, oder mehrere Anbieter ihre Angebote ohne das Leistungsschutzrecht zu bemühen ins Netz stellen. Diese hätten dadurch einen enormen Trafficvorteil gegenüber allen anderen die dafür Geld verlangen wollen. Die Presserverleger müssen also ein Leistungschutzrecht einrichten, welches unliebsame Konkurenz, die darauf verzichten will, verhindert, denn sonst wäre es völlig nutzlos.

Wenn das aus Opportunitätsgründen nicht von Anfang an gefordert wird, müssen wir damit rechnen, dass bald nach der Einführung eines solchen Leistungsschutzrechtes, weitere Wünsche lautbar werden. Es wird dann gejammert werden, dass es da draussen im Netz von Google und Co. finanzierte (früher war es der Kommunist) Unternehmen gäbe, die das Leistungsschutzrecht nicht nutzen, sondern einfach so, ohne zu fragen journalistische Erzeugnisse ins Netz stellen, was ihr Geschäftsmodell tropiere und dass sie untergehen werden, wenn die Politik nicht eingreife. Das Ergebniss wäre dann wohl eine Bewilligungspflicht für journalistische Erzeugnisse, wie wir es absurderweise ja schon im RTVG kennen (Art. 3 RTVG) und deswegen wohl auch kein YouTube in der Schweiz haben.

Ach, ich könnte noch lange weiter machen, aber lasse es für heute mal gut sein. Das Thema wird uns wohl die nächste Zeit beschäftigen. Es gilt nun wachsam zu sein, und zu schauen, welche Vorschläge aus der AGUR12 hervorgehen. Es hat ja mit dieser Arbeitsgruppe eigentlich ganz harmlos begonnen. Aber ich hege grösste Befürchtungen, dass wir uns für einen heftigen Kampf gegen eine URG Revision rüsten müssen, die das Netz, wie wir es heute kennen, zur Geschichte machen will.

Musikschaffende Schweiz und Piraten wollen öffentlich debattieren.

Wie der Sonntag am 23. September gemeldet hat, ist seit letztem Freitag die Website futureofmusic.ch online. Die Diskussionsplattform wird gemeinsam vom Verein Musikschaffende Schweiz und der Piratenpartei Schweiz in Deutsch und Französich betrieben.

Das Ziel wäre, das je 10 Vertreter der Musikschaffenden und der Piraten auf der deutschprachigen Version und je 5 auf der französischsprachigen Version Beiträge zur Debatte posten und dann von jedem der Mitmachen will, Statements und Kommentare dazu publiziert werden können.

Zurzeit fehlen auf Seiten der Musikschaffenden noch je 4 Namen für die beiden Sprachversionen um die Listen voll zu haben und bisher hat erst Andy Prinz das eine oder andere Wort ergriffen. Ich hoffe, dass in den nächsten Tagen und Wochen die Lücken noch gefüllt werden können und auch die anderen Musikschaffenden ihre Beiträge zur Debatte auf futureofmusic.ch publizieren, damit wir uns ersthaft mit den Argumenten auseinander setzen können.