Das «dirty little Secret» der Buchbranche und wer eigentlich Interesse an der Buchpreisbindung hat.

Wir stehen nun also ein paar Tage vor der Entscheidung ob in der Schweiz die Buchpreisbindung eingeführt wird oder nicht. Ich finde dieses Gesetz vor allem falsch, weil es all das, was die Befürworter versprechen, nähmlich die Förderung des Kulturgutes Buch und des Schweizer Literaturschaffens nicht unterstützt, sondern verhindert.

Mir und vielen anderen Gegnern dieses Gesetzes geht es doch nicht darum, dass irgendein Bestseller beim Ex-Libris ein paar Franken günstiger eingekauft werden kann. Nein, man kann auch gegen dieses Gesetz sein, weil man genau das erreichen will, was das Gesetz verspricht. Ich will Vielfalt, Vielfalt der Werke, der Autoren, der Verlage, der Distributionsprozesse, der Buchhändler und der Verkaufsstellen, weil nur eine solche Vielfalt eine reiche Kultur des Buches und der Autoren hervorbringen kann.

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Buchpreisbindung - Stürmische Zeiten für Verlage?

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Ich kann ja noch einigermassen nachvollziehen, dass kleine Buchhandlungen der Meinung sein können, dass Ihnen die Wiedereinführung der Buchpreisbindung etwas mehr Handlungsspielraum gibt. Wenn ich auch davon überzeugt bin, dass dieser Zusatznutzen im Vergleich zu den Herausforderungen, denen diese kleineren Händler gegenüber stehen, viel zu klein ist. Kommt dazu, dass das Buchpreisbindungsgesetz ja den Endverkaufspreis bindet und nicht den Einkaufspreis für den Händler. Die grossen Buchhandelskonzerne werden also auch in Zukunft zu viel tieferen Preisen einkaufen können als die kleinen Geschäfte. 

Eingentlich wollte ich mich ja für eine Weile nicht mehr zu diesem Thema äussern, aber der Beitrag "Stürmische Zeiten für Verlage: Verlagsvielfalt ist bedroht" auf der Website der Befürworter-Kampagne, lässt mich seit gestern nicht mehr los. Es ist eigentlich schade, dass ich dort nicht kommentieren kann, dann würde vielleicht eine Diskussion dort stattfinden, wo sie angestossen wurde. Nun denn...

Es schreibt also der Verleger Daniel Gaberell, dass die Buchpreisbindung für seinen kleinen Verlag "Herausgeber.ch" überlebenswichtig sei. In seinem Argument führt er an, dass er zwar seine Bücher auch mit Zuschüssen finanziert, aber dass es für ihn aufgrund der kleinen Auflage seiner Produktionen eine Rolle spielt, zu welchem Preis ein Buch im Laden verkauft wird. Er spricht dabei klar vom Endverkaufspreis, der ja zukünftig gebunden sein soll. Zitat:

Verkaufen wir 1000 Bücher zum Ladenverkaufspreis von 48 Franken, geht unsere Verlagsrechnung normalerweise auf. Entscheiden sich die Buchhandlungen beim selben Buch für einen Ladenverkaufspreis von 32 Franken, scheint uns das verlegerische Risiko bereits sehr hoch und wir würden von betreffenden Produktionen absehen.

Auf den ersten Blick mag dies für jemanden, der keiner eigenen unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, einleuchten. 1000 Bücher zu 48 Franken verkauft, bringt mehr als 1000 Bücher zu 32 Franken verkauft. Nur, stimmt hier etwas ganz wichtiges nicht! Für den Verlag ist es völlig egal, zu welchem Preis der Händler das Buch verkaut, er nimmt ja nicht den Endverkaufspreis ein, sondern den Händlerpreis.

Wenn der Herr Gaberell also entscheiden will, dass sein Buch im Laden CHF 48 kosten sollte, kann er das auch ohne Buchpreisbindung jederzeit tun. Er gibt dann eine unverbindliche Preisempfehlung ab. Auf diesen Endverkaufspreis gibt es dann für den Buchhändler einen Rabatt, zum Beispiel 35%, zu welchem der Buchhändler das Buch einkauft. Lassen wir hier der Einfachheit halber die Mehrwertsteuer weg, dann kommen wir zu einem Einkaufspreis für den Buchhändler von CHF 31.50.

Ohne Buchpreisbindung ist es so, dass dieses Buch nun, beim Händler A zu CHF 48 verkauft wird, beim Händler B vielleicht zu CHF 45 beim Händler C für CHF 38, weil es schon lange da liegt und er es loswerden möchte, und beim Händler D sogar CHF 55, einfach weil er das so entschieden hat. Dem Verleger kann das, rein monetär gesehen ziemlich egal sein. Er bekommt für jedes Buch einfach CHF 31.50.

Daran ändert auch Buchpreisbindung nichts. Sie hat auf seinen Geschäftsgang überhaupt keinen Einfluss und ich kann einfach nicht nachvollziehen, warum Herr Gabarell hier etwas völlig anderes schreibt.

Es kann natürlich sein, dass ich etwas grundlegendes ausser Acht gelassen habe und ich lasse mich da gerne aufklären. Aber es würde mich stark wundern, wenn die kaufmännischen Grundlagen in der Buchbranche nicht gelten würden.

(Bild: © Mikael Damkier - Fotolia.com) 

SBVV Geschäftsführer bestätigt minimale Auswirkung der Buchpreisbindung

Die Buchpreisbindung wird uns hier in den nächsten Wochen wohl noch öfters beschäftigen.

In einem Interview auf Buchreport.de, publiziert am 16. Dezember 2011, bestätigt Daniel Landolf, der Geschäftsführer des Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverbandes (SBVV) und damit oberster Kampagnenführer der Befürworter der Buchpreisbindung, dass die Annahme des Gesetzes keine grossen Veränderungen mit sich bringen würde. 

Die letzte Frage des Gespräches lautete, ob die Branche einen Plan B vorbereitet hätte, falls das Volk im Referendum am 11. März 2012 das Gesetz ablehnt. Seine Antwort (Auszug):

....Wenn die Volksabstimmung Erfolg hat, verändert sich die Lage gegenüber heute ja nicht dramatisch. Und mit oder ohne Preisbindung, die Branche und damit der Verband stehen sowieso vor vielen großen Herausforderungen, Stichworte dazu sind Digitalisierung oder die für Schweizer Firmen ungünstigen Wechselkurse, um nur zwei zu nennen. Die Preisbindung aber würde Verlagen und Buchhandlungen helfen, diese Schwierigkeiten gestärkt anzugehen. 

Das Gesetz hast also wenig Auswirkungen. Nun, dann würde ich vorschlagen, lassen wir das Gesetz doch bleiben. Denn wenn es nur wenig, also fast nichts bringt, ist es doch völlig übertrieben, einer ganzen Branche ein solches Korsett anzulegen. Dann haben wir zwar ein Gesetz mehr, aber nicht wirklich eine bessere Lage.

Und was in eine Richtung gelten soll, stimmt wohl auch in die andere. Wir können daher am 11. März auch als Freunde des Buches und des Buchhandels guten Gewissens "NEIN" stimmen, denn "die Lage verändert sich ja gegenüber heute nicht dramatisch".

Die Kommunikationstricks der Befürworter der Buchpreisbindung - oder wie ein NZZ Journalist sich einspannen lässt

In der gedruckten NZZ von heute, wie auch bei NZZ Online wird über die bevorstehende Schliessung des allseits beliebten Reisebuchladens "Tavel Book Shop" in der Zürcher Altstadt berichtet. Nun, ich sehe das wie Peter: Es ist immer schade, wenn ein Buchhändler verschwindet, und auch ich kaufe oft und viel beim stationären Buchhandel in Zürich und Bern ein.

Der hier geschilderte Fall hat zwar so ziemlich nichts nicht der Buchpreisbindung zu tun, doch trotzdem wird uns im Artikel genau dies auf subtile Art und Weise zu vermitteln versucht.

Der Beitrag lässt Gisela Treichler, die 69-Jährige Gründerin des Tavel Book Shops zu Wort kommen, die uns im Prinzip einfach sagt, dass die Zeiten für Karten und Reisbücher nicht mehr so rosig sind wie auch schon. Tja, wen wundert das im Zeitalter von Google Earth und Reiseführer-Apps auf Smart Phones und Tablets?

Den geneigten NZZ-Leser und Amazon Kunden, beschleicht langsam ein schlechtes Gewissen, denn bei der Lektüre wird ihm wieder einmal bestätigt, was er längst weiss: die Buchhändler sind in Gefahr. Das Internet und die E-Books sind dabei uralte Branchenstrukturen zu zerstören, und nichts scheint diesen Prozess aufhalten zu können. Nicht einmal die mächtige Orell-Füssli-Gruppe wusste das schlimme Schicksal des Travel Book Shops zu verhindern. Denen geht es nähmlich auch nicht so gut, wie wir denken. Nein, da helfen nur noch Märchen und Mythen: nur ein "weisser Ritter" könnte den Laden, der stellvertretend für alle kleinen und feinen Buchhändler in der Schweiz steht, retten.

Doch halt... da gibt es einen Hoffnungsschimmer am Horizont: Die Buchhandlung Sec 52. Dort wuchsen die Umsätze in den vergangenen drei Monaten, während die Branche einen Rückgang von 7% hinnehmen musste, und sogar "eine junge Generation, zwischen 18 und 25" geht dort Bücher kaufen.

Aber auch dieses zarte Pflänzlein droht schon bald wieder platt gemacht zu werden. Die einzige Rettung, so suggeriert der NZZ Journalist Philipp Meier implizit in seinem Beitrag, ist die Buchpreisbindung.

Natürlich schreibt er das nicht selbst so, sondern er lässt Ricco Bilger, den Buchhändler des Sec 52 sprechen. Und der kann die Propagandasprüche der Kampagne zum unsäglichen Bundesgesetz über die Buchpreisbindung (PDF) unwidersprochen weitergeben, während sich in unserem Bildungsbürger-Kopf allmählich folgende Botschaft bildet:

Wenn wir die Buchpreisbindung nicht einführen, würde der grösste Teil der Buchhändler dem Schicksal von Frau Treichlers Travel Book Shop folgen und schliessen müssen, denn in England gibt es ja schon fast keine Buchhändler mehr. 

Auch das gute Beispiel unseres Hoffnungsträgers Bilger hier im Artikel, ist in Gefahr. Der gute Mann, der es doch schafft der Jugend Bücher zu verkaufen, würde wohl auch wieder untergehen, wenn wir das Gesetz zur Buchpreisbindung nicht annehmen. 

Und zu guter letzt kommt noch das absurdestes aller Argumente: Die Buchpreisbindung würde dazu führen, dass die Preise für Bücher sinken. 

Liebe Buchfreunde, lasst Euch nicht ins Bockshorn jagen! Frau Treichler hätte ihren Shop mit oder ohne Buchpreisbindung geschlossen und Herr Bilger kann der Jugend auch dann noch Bücher verkaufen, wenn wir das Gesetz am 11. März bachab schicken. Und noch etwas ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Kartelle führen nie zu tieferen Preisen. 

Buchpreisbindung - Ein Schutzgesetz für eine Branche die pennt und sowas nicht verdient.

Es sieht nun ganz so aus, als ob wir in der Schweiz tatsächlich eine gesetzlich geregelte Buchpreisbindung erhalten werden.

Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird nach der Differenzbereinigung durch den Nationalrat ein Gesetz in Kraft treten, welches gemäss dem vorläufig formulierten Artikel 1 folgenden Zweck erfüllen soll:

a. die Vielfalt und die Qualität des Kulturgutes Buch fördern;
b. möglichst vielen Leserinnen und Lesern den Zugang zu Büchern zu den bestmöglichen Bedingungen gewährleisten.

Das ist natürliche eine Lachnummer und es wäre ja auch lustig, wenn die Situation nicht so ernst wäre.

Dadurch, dass es den Verlagen ermöglicht wird festzuschreiben zu welchem Preis ein Händler ein Buch verkaufen darf, soll also die Vielfalt und die Qualität des Kulturgutes Buch gefördert werden?

Dadurch, dass den Buchhändlern genau vorgeschrieben wird, dass sie Bibliotheken die nicht mehr als 500’000 CHF bei ihnen ausgeben pro Jahr keinen höheren Rabatt als 10% geben dürfen, soll also gewährleistet werden, dass möglichst viele Leserinnen und Leser den bestmöglichen Zugang zu Büchern haben?

Ich bin fassungslos, wie sich Parlamentarier von Links bis Rechts zu diesem Gesetz entscheiden konnten, dass nichts anderes bringen wird, als den Schutz vor Wettbewerb für ein paar ausländische Grossverlage und Grossbuchhändler.

Vor allem bildet das Gesetz zur Buchpreisbindung die Grundlage für viel weitreichendere Regulierungen, die später unweigerlich folgen werden. Die Ausweitung des Geltungsbereichs auf elektronische Bücher bzw. Medien und auf den Versand aus dem Ausland ist doch nur eine Frage der Zeit, denn die Nutzniesser des geschützten Marktes werden sich kaum mit dem Erreichten zufrieden geben.

Gleichzeitig werden andere Anbieter von Inhalten, wie Zeitungs- und Zeitschriftenverlage in der Folge auch einen besonderen Schutz einfordern, wie das in Deutschland mit dem Leistungschutzrecht ja bereits vorgemacht wird.

Dieses Gesetz ist ein reines Marktschutzgesetz für eine Branche, die die Entwicklung verpennt und die vorhandenen Potentiale nicht nutzt. Die Buchbranche hat einen solchen Schutz nicht verdient.

Durch die Buchpreisbindung werden wir in der Schweiz im Bezug auf innovative Prozesse des Kulturgütervertriebs noch weiter ins Hintertreffen geraten.

Es wird damit weder die Vielfalt noch die Qualtität des Kulturgutes Buch gefördert, sondern einfach das Preisniveau künstlich oben gehalten.

Wenn der Gesetzgeber wirklich ein ernsthaftes Interesse daran hätte möglichst vielen Lesern den Zugang zu Büchern zu den bestmöglichen Bedingungen zu gewährleisten, dann würde dieser Gesetzgeber, die Verlage dazu zwingen ihre Bestände der vergriffenen Bücher von Google scannen zu lassen oder selber ins Netz zu stellen. Oder das Parlament würde dafür sorgen dass jedes veröffentlichte Buch auch online verfügbar und damit x-fach kostengünstiger bereit gestellt wird, usw.

Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, vielleicht gibt es ja bei der Schlussabstimmung im Nationalrat noch eine Kehrtwende…aber ich rechne mal mit dem Schlimmsten.