Das «dirty little Secret» der Buchbranche und wer eigentlich Interesse an der Buchpreisbindung hat.

Wir stehen nun also ein paar Tage vor der Entscheidung ob in der Schweiz die Buchpreisbindung eingeführt wird oder nicht. Ich finde dieses Gesetz vor allem falsch, weil es all das, was die Befürworter versprechen, nähmlich die Förderung des Kulturgutes Buch und des Schweizer Literaturschaffens nicht unterstützt, sondern verhindert.

Mir und vielen anderen Gegnern dieses Gesetzes geht es doch nicht darum, dass irgendein Bestseller beim Ex-Libris ein paar Franken günstiger eingekauft werden kann. Nein, man kann auch gegen dieses Gesetz sein, weil man genau das erreichen will, was das Gesetz verspricht. Ich will Vielfalt, Vielfalt der Werke, der Autoren, der Verlage, der Distributionsprozesse, der Buchhändler und der Verkaufsstellen, weil nur eine solche Vielfalt eine reiche Kultur des Buches und der Autoren hervorbringen kann.

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Apple iBooks Author - Es geht doch nicht um Schulbücher, es geht um Amazon und den ganzen Buchmarkt

Gesten hat Apple, wie wir alle wissen, die neuen Produkte iBooks2 mit iBooks Textbooks, den iBooks Author und das erneuerte iTunesU vorgestellt. Der Schwerpunkt der Präsentation lag auf der Betonung dieser neuen Anwendungen und Funktionen für die Aus- und Weiterbildung. Es gehe darum, das Schulbuch neu zu erfinden und Lehreren und Ausbildungsstätten weltweit neue Instrumente in die Hand zu geben, um das Lehren und Lernen zu vereinfachen und wirksamer zu gestalten und zu organisieren. 

Es ist sicher richtig, dass sowohl iTunes U wie auch diese neue Form der digitalen Lehrbücher einen grossen Schritt vorwärts für den Bildungssektor bedeuten könnten. Aber eigentlich geht es Apple um viel mehr.

Es geht darum Amazon mit ihrer Kindle Publishing Plattform und der Buchbranche insgesamt ein alternatives Modell entgegen zu stellen. Apple will den Erfolg des App Stores im iBookstore wiederholen und muss unbedingt gegenüber Amazon Terrain wettmachen. Dafür reichen die "Schulbücher" sicherlich nicht aus.

Mit dem kostenlosen E-Book Autorenwerkeug iBooks Author wird das erstellen von professionellen E-Books und das Publizieren und Verkaufen im iBookstore zum Kinderspiel. Richard Gutjahr beschreibt auf seinem Blog sehr schön, wie einfach und schnell das alles funktionert.

Dabei geht es keinesfalls nur darum, dass nun ein paar Hobbyautoren, wie sie da und dort abschätzig genannt werden, ihre Werke aufgepeppen und in den iBookstore stellen können.

Mit dem iBooks Author können auch die professionellen Verlage und Autoren arbeiten und ihre Inhalte mit viel weniger Aufwand als bisher, multimedial aufbereiten und über eine funktionierende E-Commerce Plattform verteilen. So wurde ja während der Keynote gezeigt, dass auch die Schulbücher von Pearson, McGraw-Hill, usw damit erstellt wurden. Ich bin ziemlich sicher, dass wir rasch eine explosionsartige Zunahme von grossartigen Inhalten im iBookstore sehen werden.

Der Goldrausch-Stimmung, die sich nun vielleicht ausbreitet, möchte ich allerdings einen kleinen Dämpfer aufsetzen. Gerade weil es so einfach wird, im iBookstore zu publizieren, wird es noch ein viel grösseres Überangebot an Inhalten, als im Markt für gedruckte Bücher geben. Viele, auch gute Inhalte werden kostenlos angeboten werden. Und dort wo man noch etwas Geld verlangen kann, werden die Preise um den Faktor 5-10 tiefer liegen, als beim gedruckten Buch. Das sieht man auch bei den angebotenen Schulbüchern wie dem Biologie Buch aus  dem Pearson Verlag, das im iBookstore für 15 USD angeboten wird, während die gedruckte Variante bei uns im Buchhandel ca. 130 CHF kostet. Es wird weiterhin viele gute Ideen brauchen, um die Bücher zum Leser zu bringen, und damit Geld zu verdienen. So wie es kein Perpetuum Mobile gibt, wird es keine Gelddruckmaschine im Internet geben.

Dann gibt es da auch noch den einen oder anderen Wermutstropfen. So braucht man eine Amerikanische Tax ID um im iBookstore Bücher verkaufen zu können. Der Aufwand, sich eine solche zu besorgen hält sich zwar in Grenzen, aber es ist halt doch eine Hürde, die zu nehmen ist. Als weitere Bedingung will Apple eine ISBN Nummer für jedes Buch, dass verkauft werden soll. Auch das ist eigentlich kein grosses Problem, aber man muss sich darum kümmern. Diese Bedingungen gelten nicht, wenn die Bücher kostenlos angeboten werden. Apple nimmt 30% des Verkaufspreises, was im Vergleich zu Amazon nicht unattraktiv ist. Ein weiterer negativer Punkt ist auch, dass die E-Books, die mit dem iBooks Author erstellt werden, zwar als PDF exportiert werden können, dann aber alle interaktiven Elemente verlieren. Das eigentliche Format der Apple iBooks ist natürlich ein proprietäres Format, und nicht etwa das als zukünftiger Standard vorgesehene EPUB3. Kommt dazu, dass die Nutzungsbedingungen von Apple verbieten, die E-Books, die mit dem iBooks Author erstellt werden auf andere Weise als durch den iBookstore von Apple zu verkaufen.

Doch alle diese Hindernisse werden die Inhalteanbieter nicht davon abhalten damit E-Books zu entwickeln und in den iBookstore zu publizieren. Der Grund ist ganz einfach. Es gibt im Moment noch keine Alternative. Es gibt keinen anderen internationalen Vertriebskanal für solche Bücher. Denn die klassischen E-Books sind damit nicht zu vergleichen.

Ich finde es zwar auch schade, dass Apple ihre Politik des geschlossenen Systems offenbar weiter führt, aber wir konnten ja nicht wirklich etwas anderes erwarten. Das ganze ist auch viel weniger problematisch als es auf den ersten Blick scheint. Denn Apple hat vor allem mal wieder gezeigt, wie es eigentlich sein sollte. Sie haben eine neue Benchmark gesetzt und der Markt wird uns bald Alternativen bescheren. Die Zukunft des E-Books liegt klar im HTML5 bzw. EPUB3 Format. Es wird Anwendungen wie den iBook Author geben, die im Browser als Service laufen und die E-Books in offenen Formaten exportieren und publizieren und die Bücher wieder aus ihren proprietären Silos befreien.

Bücher gehören ins offene Netz und nicht in irgendeine geschlossene Wolke und ich bin zuversichtlich, dass wir dahin kommen werden. Bis es soweit ist, ist der Apple iBookstore mit dem iBooks Author seit gestern eine interessante und definitiv disruptive Geschichte. Die Content-Welt bleibt spannend und die Möglichkeiten unendlich. 

Abschliessend möchte ich noch darauf hinweisen, wie absurd sich mir auch in diesem Kontext wieder die Diskussion um die Buchpreisbindung präsentiert. Dass ein Branchenfremder wie Apple ein solches Produkt und einen Vertriebskanal dazu aufbaut, zeigt doch, dass die Buchbranche es bis jetzt ganz einfach verpennt hat, die digitale Welt für sich zu nutzen. Während wir hier darum streiten, ob die gedruckten Bücher einen festen Preis haben sollen oder nicht, wird in grossen Schritten die digitale Buchwelt entwickelt. Es wäre gescheiter die Branchverbände würden sich um die Internet-Weiterbildung ihrer Mitglieder kümmern als Geld in solche Kampagnen zu buttern.

Buchpreisbindung - Stürmische Zeiten für Verlage?

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Ich kann ja noch einigermassen nachvollziehen, dass kleine Buchhandlungen der Meinung sein können, dass Ihnen die Wiedereinführung der Buchpreisbindung etwas mehr Handlungsspielraum gibt. Wenn ich auch davon überzeugt bin, dass dieser Zusatznutzen im Vergleich zu den Herausforderungen, denen diese kleineren Händler gegenüber stehen, viel zu klein ist. Kommt dazu, dass das Buchpreisbindungsgesetz ja den Endverkaufspreis bindet und nicht den Einkaufspreis für den Händler. Die grossen Buchhandelskonzerne werden also auch in Zukunft zu viel tieferen Preisen einkaufen können als die kleinen Geschäfte. 

Eingentlich wollte ich mich ja für eine Weile nicht mehr zu diesem Thema äussern, aber der Beitrag "Stürmische Zeiten für Verlage: Verlagsvielfalt ist bedroht" auf der Website der Befürworter-Kampagne, lässt mich seit gestern nicht mehr los. Es ist eigentlich schade, dass ich dort nicht kommentieren kann, dann würde vielleicht eine Diskussion dort stattfinden, wo sie angestossen wurde. Nun denn...

Es schreibt also der Verleger Daniel Gaberell, dass die Buchpreisbindung für seinen kleinen Verlag "Herausgeber.ch" überlebenswichtig sei. In seinem Argument führt er an, dass er zwar seine Bücher auch mit Zuschüssen finanziert, aber dass es für ihn aufgrund der kleinen Auflage seiner Produktionen eine Rolle spielt, zu welchem Preis ein Buch im Laden verkauft wird. Er spricht dabei klar vom Endverkaufspreis, der ja zukünftig gebunden sein soll. Zitat:

Verkaufen wir 1000 Bücher zum Ladenverkaufspreis von 48 Franken, geht unsere Verlagsrechnung normalerweise auf. Entscheiden sich die Buchhandlungen beim selben Buch für einen Ladenverkaufspreis von 32 Franken, scheint uns das verlegerische Risiko bereits sehr hoch und wir würden von betreffenden Produktionen absehen.

Auf den ersten Blick mag dies für jemanden, der keiner eigenen unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, einleuchten. 1000 Bücher zu 48 Franken verkauft, bringt mehr als 1000 Bücher zu 32 Franken verkauft. Nur, stimmt hier etwas ganz wichtiges nicht! Für den Verlag ist es völlig egal, zu welchem Preis der Händler das Buch verkaut, er nimmt ja nicht den Endverkaufspreis ein, sondern den Händlerpreis.

Wenn der Herr Gaberell also entscheiden will, dass sein Buch im Laden CHF 48 kosten sollte, kann er das auch ohne Buchpreisbindung jederzeit tun. Er gibt dann eine unverbindliche Preisempfehlung ab. Auf diesen Endverkaufspreis gibt es dann für den Buchhändler einen Rabatt, zum Beispiel 35%, zu welchem der Buchhändler das Buch einkauft. Lassen wir hier der Einfachheit halber die Mehrwertsteuer weg, dann kommen wir zu einem Einkaufspreis für den Buchhändler von CHF 31.50.

Ohne Buchpreisbindung ist es so, dass dieses Buch nun, beim Händler A zu CHF 48 verkauft wird, beim Händler B vielleicht zu CHF 45 beim Händler C für CHF 38, weil es schon lange da liegt und er es loswerden möchte, und beim Händler D sogar CHF 55, einfach weil er das so entschieden hat. Dem Verleger kann das, rein monetär gesehen ziemlich egal sein. Er bekommt für jedes Buch einfach CHF 31.50.

Daran ändert auch Buchpreisbindung nichts. Sie hat auf seinen Geschäftsgang überhaupt keinen Einfluss und ich kann einfach nicht nachvollziehen, warum Herr Gabarell hier etwas völlig anderes schreibt.

Es kann natürlich sein, dass ich etwas grundlegendes ausser Acht gelassen habe und ich lasse mich da gerne aufklären. Aber es würde mich stark wundern, wenn die kaufmännischen Grundlagen in der Buchbranche nicht gelten würden.

(Bild: © Mikael Damkier - Fotolia.com)