Einer offenen Gesellschaft unwürdig
/Die gestrige Verhaftung der demonstrierenden Exil-Tibeter in Bern ist definitiv keine Auszeichnung für die Schweiz. Es geht hier überhaupt nicht um die Frage, wie jeder Einzelne die Menschenrechtslage in China und das Verhalten der sogenannten Volksrepublik gegenüber dem Tibet, einschätzt. Es geht darum, dass die Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit in unserem Lande gewährleistet sein muss.
Ich war selber nicht vor Ort und muss mich auf das veröffentlichte Bild- und Textmaterial verlassen. Die verfügbaren Videos und Fotos (zum Beispiel auf der SF DRS Website oder auf Tagesanzeiger.ch) zeigen uns eine kleine Gruppe von Menschen, die hinter einer Abschrankung ohne Anzeichen von Gewalt, ihre Sicht der Dinge äusserten. Eine solche Versammlung mit dem Argument der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch Verhaftungen aufzulösen, ist einer offenen Gesellschaft unwürdig.
Es zeigt sich einmal mehr, wie sehr wir Vorsichtig mit der Ausweitung der Rechte der Staatsgewalt sein sollten. Wegweisungsartikel, wie wir sie erst seit einigen Jahren in verschiedenen Kantonen kennen, sollten am besten wieder abgeschafft werden, bzw. am 8.2.2009 in Luzern gar nicht erst angenommen werden. Der Gesetzestext des entsprechenden Artikels 29 im Berner Polizeigesetz ist zum Beispiel so formuliert, dass auf dieser Grundlage jede Art von Versammlung beliebig aufgelöst werden kann. Wohin das führen kann, haben wir wieder einmal eindrücklich erleben können.
Es mag ja Gründe geben, warum man mit Ländern wie China, Iran, Kuba, usw. den Dialog im Bezug auf die Menschenrechte führen muss und die Menschenrechtsentwicklung als Prozess verstehen soll. Aber es fehlen mir die Begründungen vollständig, warum die Repräsentanten solcher Länder, wenn sie bei uns zu Gast sind, Ihre Vorstellung von Menschenrechten bei uns realisiert sehen sollen.