Bligg über die Chancen im Netz, das Auslaufmodell CD und 360° die nur 280 sind

Bligg Pressefoto, Copyright by Alois Jauch, http://bligg.ch/blog/fotos/

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Der erfolgreiche Schweizer Mundart-Rapper Bligg war gestern zu Gast bei Roger Schawinski in dessen Talk-Sendung "Doppelpunkt" auf Radio 1 (MP3 Download).

Es ist eine Freude ihm zuzuhören. Ein Musiker-Unternehmer, der sich nicht von den grossen Majors über's Ohr hat hauen lassen und der im Netz vor allem Chancen sieht:

«Man hört aus der Musikindustrie nur immer "illegale Downloads" und dass die Branche den Bach runter ginge und solches Zeugs, dabei öffnen sich neue Chancen. Jammern bringt nichts!»

und etwas später im Gespräch:

«Wenn man kreativ ist, kann man sich auch im Internet neue Geldquellen erschliessen»

Er erzählt, wie er sein erstes Album in Tschechien pressen liess, finanziert aus eigenen Mitteln natürlich, und wie er mit seinen Kollegen dieses Album in Zürich dann persönlich in die Stores gebracht hat. Wie Universal später bei den Verhandlungen für ein weiteres Album zu hoch gepokert hat und warum er heute eine eigene Firma, die DreamStar Entertainment für seine Aktivitäten führt.

"Die grossen Major-Labels verkaufen allen ihren Künstlern das so genannte 360° Modell, die meisten haben aber höchstens die Kapazitäten und das Know-how um einen Teil der Leistungen erbringen zu können. Die hohle Hand machen Sie für 360°, die Umsetzung findet dann aber eher bei 280° statt."

Musiker können heute viel einfacher direkt mit Unternehmen zusammenarbeiten. So hat Bligg sich durch einen Deal mit der CS eine kleine Pre-Release-Showcase-Tour finanzieren lassen. 

«Solche Modelle muss man in dieser Branche heute an den Start bringen. Es hat zu viele alte Hasen in diesem Gewerbe, die sich krampfhaft an den alten Gegebenheiten festkrallen und einfach nicht wahrhaben wollen, dass das Schiff untergeht. Die CD ist ein Auslaufmodell, damit muss man jetzt einfach klar kommen.»

Zum Schluss noch eine nette Homage an das Schweizer Musikschaffen von Bligg aus dem Jahr 2009 «Musig i de Schwiiz» :-) :

BLIGG - MUSIGG I DÄ SCHWIIZ Hi my name isch George min iPod wiis rot Ich bi Mothers Pride und Grandmothers Funk ...

PS: Wenn es diesen Song im Bligg-Shop als Download zu kaufen gäbe, hätte ich darauf verlinkt.

Aus dem Archiv: Addi, Paolo, Renata und Moritz

Diese EP habe ich vor ein paar Monaten an einem Flohmarkt gefunden. Es handelt sich bei Addi, Paolo, Renata und Moritz um eine Ostschweizer Teenagerband aus den frühen 1970er Jahren, die sich selbst, wie den Songtexten zu entehmen ist, aber eher als Kinderband gesehen hat. Obwohl der Werbetext auf der Rückseite mit dem Satz schliesst: 

Von dieser Band ist noch viel Gutes zu erwarten!

scheint diese Prophezeiung offenbar nicht eingetreten zu sein. Mindestens im Netz ist nichts ausser dieser Schallplatte über die vier Jugendlichen zu finden.  

Aufgenommen und herausgegeben wurde das Werk von Rico Sonderegger, dessen Studio und «Exlusiv» Label auch heute noch zu existieren scheint.

Addi und Paolo, so heisst es auf der Cover-Rückseite seien von den Nielsen Brothers entdeckt worden. Die beiden Songs auf der A-Seite, die im Gegensatz zu den B-Nummern, in Hochdeutsch dargeboten werden, lassen uns diesen Einfluss auch deutlich hören. Der erste Titel «Mein kleines Herz» klingt auch darum wie «Aber Dich gibt's nur einmal für mich» weil er auch aus denselben Federn stammt (Ederer / Gudera).

3 der 4 Songs auf der EP sind von einem Martin Richard komponiert worden, der später mit seinem Martin Richard Quartett selber ein paar Schallplatten veröffentlichten durfte. Was aus den vier Musikern geworden ist, ist im Netz nicht dokumentiert, bzw. habe ich bisher nichts dazu gefunden. Vielleicht schaue ich bei Gelegenheit mal bei Herrn Sonderegger vorbei.

Und hier nun zum reinhören, die letzte Nummer der B-Seite, der «Buebe-Beat», mit einem zugegebenermassen für heutige Ohren etwas grenzwertigen Text.

Der Text auf dem Cover lautet wie folgt: 

Addi, Paolo, Renata und Moritz
Addi und Paolo, die beiden sympathischen Rorschacher Buben, wurden von den Nilsen Brothers entdeckt. Diese berühmten Musiker schrieben Lieder für sie, produzierten mit ihnen zwei Single- Schallplatten („Die Mutter ist Putzfrau bei Lehmann" bei Populär und „Ein Glück, dass wieder mal die Sonne scheint" bei Decca), und sie nahmen die kleinen Sänger auch oft mit auf Reisen. Addi und Paolo wirkten ausserdem in einer Fernsehshow („Betty's Beat Box Haus") und in einem deutschen Spielfilm („Hurra, unsere Eltern sind nicht da") mit.
Addi und Paolo wurden immer wieder von Unterhaltungskapellen gebeten, mit ihnen zu singen, aber schon bald hatten sie das jeweils kurzfristige Proben mit stets anderen Gruppen satt. Inzwischen hatten sie ja gelernt, Gitarre zu spielen, und sie fanden es an der Zeit, eine eigene Band zu gründen! Paolos um ein Jahr ältere Schwester Renata wurde als Organistin und Pianistin gewonnen, und in Moritz, der ebenfalls ein Jahr älter ist, fanden sie einen versierten Schlagzeuger, der zudem noch Gitarre spielen und Trompete blasen kann. Diese vier Kinder nun, die alle ihre Nummern allein und ohne Hilfe von Erwachsenen einstudieren, ergänzen sich musikalisch und gesanglich so ideal, dass der Erfolg einfach nicht ausbleiben konnte: Sie wurden schon bald als Attraktion von einem bekannten „Dance & Show Shop" engagiert, und sie gastierten an ungezählten Orten mit abendfüllendem Programm.
Und nun liegt also die erste Schallplatte von Addi, Paolo, Renata und Moritz vor! Die vier Kinder spielen und singen darauf erfolgreiche Lieder aus ihrem grossen Repertoire, und wer sich diese Platte anhört, wird bestätigen müssen: Von dieser Band ist noch viel Gutes zu erwarten!

Wir warten also...