Billy Cobham - George Duke Band in Montreux 1976

Damals war ich leider noch nicht in Montreux am Jazz Festival, und den kürzlich verstorbenen George Duke habe ich nie live gesehen. Darum freue ich mich umso mehr, über dieses Kqonzert in Montreux aus dem Jahre 1976, welches derzeit auf YouTube verfügbar ist.

Überwachungsstaat: «Das kann ja nicht die Lösung sein»

Der Autor Ilija Trojanow hat 2009 zusammen mit Juli Zeh das Buch «Angriff auf die Freiheit: Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte» veröffentlicht. Gestern hat Simone Fatzer ein kurzes Gespräch mit ihm im Echo der Zeit geführt.

Auf die Frage, ob er denn nun, in Anbetracht der durch Edward Snowden bekannt gewordenen Überwachungsaktivitäten der westlichen Demokratien, auf gewisse Kommunikationsmittel bewusst verzichte, antwortete er:

Nein, das kann ja nicht die Lösung sein. Es kann ja nicht die Lösung sein, dass aufgrund einer perversen staatlichen Dauerüberwachung, ich als Bürger gezwungen werde, irgendein Instrument, irgendeine Kommunikationsform, die mein Leben erleichtert, nicht zu nutzen. Genauso, wie ich es problematisch finde, dass manche Menschen sagen: "Gut, nun werde ich absolut alles verschlüsseln und geheimhalten". Dieser Zwang, dass man selber dann beginnt, solche Paranoiden verhaltensweisen nachzuahmen, ist an sich für mich schon nicht akzeptabel.

Immer wieder wird ja vorgeschlagen, dass wir einfach unsere E-Mails verschlüsseln sollen. Oder auch, dass wer Cloud-Dienste nutze, schlicht selber schuld sei. Das ist eine erstaunliche Haltung. Nur weil es technisch möglich ist, unsere E-Mails und andere Daten zu lesen, ist es noch lange nicht richtig, dass wir das zulassen. Wir hätten früher auch nicht akzeptiert, wenn ähnliches mit der Briefpost geschehen wäre. Wir dürfen nun nicht klein beigeben und uns zurückziehen, sondern müssen von der Politik verlangen, dass sie im Sinne der Bürgerrechte handelt und nicht gegen sie.

Ein Problem der Geheimdienste ist gemäss Trojanow:

...dass gerade im geheimen wirkende Bürokratien, jede technische Möglichkeit und jede rechtliche Grauzone, die sich ihnen bieten, auch ausnutzen. Das heisst, Selbstkontrolle gibt es bei Geheimdiensten nicht. Die einzige mögliche Kontrolle ist die einer demokratischen Transparenz.

Ich würde weiter gehen und sagen, dass überhaupt keine Kontrolle möglich ist. Darum sollten wir in der Schweiz auf jeden Fall darauf verzichten unseren Geheimdienst mit weiteren Werkzeugen auszustatten. Das Beste was man tun kann,  ist, auf solche Organisationen im Staat zu verzichten, oder ihnen wenigstens nur die allernötigsten Rechte zuzugestehen.

Und noch einmal zur Wiederholung für alle, die denken, dass das alles nicht weiter schlimm ist, weil sie ja nichts zu verbergen haben:

Die genaue Lektüre, nicht nur meiner Akte, sondern auch vieler anderen Akten zeigt, dass es eine Irrealität gibt, die entsteht. Aufgrund dessen, dass man alles beobachtet, ist natürlich auch ein Generalverdacht auf alles gelegt, und dieser Generalverdacht trägt in sich eine Ernergie, die bestätigt sein will. Das heisst, es ist geradezu unmöglich, davor unschuldig zu wirken. Auch scheinbar naives oder harmloses verhalten erscheint aufgrund dieser tendenziösen Beobachtung dann als verdächtig.

Das sollte uns in der Schweiz an den Fischenskandal erinnern und diese Erinnerung wäre doch schon Grund genug, ein Nachrichtendienstgestzt wie es geplant ist, gar nicht erst zu diskutieren. Und sollte es trotzdem im Parlament durchkommen, müssen wir uns schon jetzt bereit machen:

Ich glaube dass entscheidende ist, dass man früh und wirklich heftig jetzt Widerstand leistet. Diese wirklich verlogene Schutzbehauptung, es sei zu Sicherheit des Bürgers gedacht, die dürfen die Bürger auf gar keinen Fall akzeptieren.

Hier ist das ganze Gespräch aus dem Echo der Zeit von SRF4 News vom 8. August 2013:

 (Bild: © kebox - Fotolia.com)

Bruno Spoerri - Schweizer Synthesizer-Pionier mit seinem EMS Synthi 100

Bruno Spoerri war wohl einer der ersten Musiker in der Schweiz, der sich der elektronischen Musik verschrieben hat. Das SRF Archiv hat kürzlich diese grossartige Aufzeichnung von 1972 in ihrem YouTube Channel veröffentlicht. Bruno Spoerri erklärt uns anhand der Eurovisions-Erkennungsmelodie von Marc Antoine Charpentier, wie sein EMS Synthi 100 funkioniert.

Der teure, und wie man sieht riesige EMS Synthi 100 war quasi der grosse Bruder des kompakteren EMS VCS-3. Spoerri hatte das Teil ursprünglich zusammen mit Hanns Kennel und Freddy Burger bestellt. Diese sind dann aber noch vor der Lieferung vom Kauf zurückgetreten, was den unerschrockenen Musiktüftler nicht davon abgehalten hat, das Risiko alleine einzugehen und sich das Ding in den Keller zu stellen.

In seinen äusserst lesenswerten «Erinnerungen an fast 50 Jahre Elektronik», lesen wir dazu:

Ich entschied mich todesmutig für das Letztere und entschloss mich, den Keller im Einfamilienhaus in Schlieren in ein Tonstudio umzubauen. Dabei zeigte sich zuerst, dass keine Türe breit genug war, um den Transport des Synthesizers ins Studio zu ermöglichen, also liess ich die Türe verbreitern. Dann kam die Idee, mit dem Synthesizer für grosse Auftritte zu reisen (ich stellte mir das Gewicht des Dings nicht sehr realistisch vor), und so kaufte ich einen neuen Volvo mit erhöhtem Dach. Das war eigentlich ein Krankenwagentyp, der aber auch vom Fernsehen für Reportagewagen gebraucht wurde – mit dem Effekt, dass beim Fernsehstudio die Schranke sofort hochging, wenn ich nur in die Nähe des Studios kam.... (Der Volvo als Transportmittel war natürlich eine Schnapsidee – ich transportierte das Ding später zwar ein oder zwei mal ins Fernsehstudio für eine Sendung, aber mit einem Möbelwagen.)

Im Video sehen wir, dass bereits damals ein Sequenzer integriert war. Spoerri spricht von "programmieren". In den Spezifikationen zum Synthesizer (PDF) steht zum Thema Computer:

The basic software comprises a Text Editor, for the preparation and correction of the MUSYS scores, a Compiler, which translates the scores into lists of numbers to the devices under the control of the clock. There is also a program called Sequencer, which simply uses the storage units of the computer to store data provided by the SYNTHI 100 (from the keyboards, for example).

bzw.

With a solid state storage capacity of 10,240 bits, the new sequencer is capable of precisely controlling 6 different simultaneous parameters over a sequence of 256 successive events. There are several modes of operation and full, easy to operate editing facilities, so that any or all of the 256 stored items and their time relation- ships may be changed without difficulty.

Wenn ich das richtig verstanden habe, sprechen wir von ca. 1 Kbyte Speicherplatz! Ja, die mussten noch sparsam umgehen mit den Ressourcen. 

Bruno Spoerri ist war auch als Musikhistoriker tätig. 2010 ist sein zweites Buch mit dem Titel «Musik aus dem Nichts - Geschichte der elektroakustischen Musik in der Schweiz» im Chronos Verlag erschienen und in der WOZ eine Rezension dazu.

Hier ist noch einmal etwas altes und neueres Spoerri & EMS Synthi 100 Material aus einer Kulturplatz Extra Sendung wahrscheindlich aus dem Jahre 2010 (YouTube Video):

Und wer mehr wissen will, klickt auf diese Links:

Der wichtigste Grund, das geplante Nachrichtendienstgesetz zu beerdigen

Auch in der Schweiz gibt es ja bekanntlich auch einen Nachrichtendienst. Früher nannte man solche Stellen Geheimsdienste. Ihre Tätigkeit ist immer problematisch, denn sie können auch bei noch so vielen vorgesehenen Kontrollinstanzen nicht wirklich in Schach gehalten werden, wie wir aus eigener Geschichte wissen, und wie wir derzeit auch wieder einmal sehr anschaulich vorgeführt bekommen

Das interessante am Geheimdienst schweizerischer Ausprägung ist allerdings, dass er im Inland eigentlich nicht so richtig viel schnüffeln darf wie die Kollegen in anderen Ländern. So steht in der offizellen Broschüre, die man beim VBS downloaden kann auf S. 27:

Für die Beschaffung von Informationen im Ausland nimmt der Gesetzgeber keine explizite Auflistung der zulässigen Beschaffungsmassnahmen vor. Die Möglichkeiten des NDB sind somit weniger eingeschränkt als im Inland. Für die Beschaffung von Informationen nach ZNDG wird auch die Aufklärung von Kommunikationsinhalten und -verbindungen durch elektronische Mittel  eingesetzt. Für Beschaffungen von Informationen im Inland sind zurzeit die Post- und Telefonüberwachung, die Observation in privaten Räumen und das Eindringen in Computer und Netzwerke nicht gestattet.

Na, das ist doch mal eine Ansage. Natürlich ist es heutzutage schwer zu glauben, dass das nicht trotzdem geschieht, aber es gibt doch keinen Grund, diese richtigen und wichtigen Einschränkungen aufzugeben. 

Das geplante Nachrichtendienstgesetz würde die Kompetenzen unseres Geheimdienstes massiv ausweiten und ohne Not einen unkontrollierbaren Überwachungsapparat schaffen. 

Derzeit sind von den Parteien, die im Parlament vertreten sind, nur die Grünen klar gegen das Gesetz:

Die Grünen lehnen das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG), so wie es jetzt vorliegt, klar ab. Die gegenwärtigen Überwachungs-Exzesse im Ausland (Prism und Tempora) zeigen auf erschreckende Weise, was geschieht, wenn die Regeln für Geheimdienste einseitig an deren Bedürfnissen ausgerichtet werden. Eine Aufrüstungsspirale der Geheimdienste bringt nicht mehr Sicherheit, sondern verletzt die Privatsphäre und ist eines freiheitlichen Staates unwürdig.

Besonders tragisch finde ich, dass die SP Schweiz dahinter steht:

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP Schweiz) begrüsst die Schaffung einer zeitgemässen gesetzlichen Grundlage für den zivilen Nachrichtendienst. Der vorliegende Entwurf weitet einerseits die Kompetenzen des Nachrichtendienstes aus, was sich sicherheitspolitisch begründen lässt. 

Ach ja, vielleicht hilft dieser Artikel aus dem Jahre 2010 auch noch etwas auf die Sprünge. Nein, damit ist nicht die grosse Fichen-Affäire aus den 1990er gemeint, aber auch diese könnte uns ja helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Es ist gar nicht nötig, auf die Details im Gesetztesentwurf einzugehen. Derzeit darf unser Geheimdienst im Prinzip nicht einfach bei uns herumschnüffeln und das ist sehr gut so. Jedes Gesetz und sei es noch so abgeschwächt und mit Kontrollmechanismen ausgestattet, würde die Kompetenzen des Nachrichtendienstes ausweiten. Grund genug diesen Gesetzesentwurf ohne lange Rede einfach zu tschüssen.

(Bild: Titelbild aus der Broschüre: Der Nachrichtendienst des Bundes, PDF)

Jeff Bezos als Zeitungsverleger

"Ausgerechnet ein Internetunternehmer" kaufe die Traditionszeitung, verbreitet die Nachrichtenagentur dpa in den deutschen Medien, wie hier z.B. im Handelsblatt. Und aus Sicht des Tagesanzeigers hat sich Jeff Bezos einfach ein persönliches Spielzeug gekauft.

Es macht sich eine Art Schockstarre breit, nachdem die Nachricht die Runde gemacht hat. Man weiss nicht so recht, was davon zu halten ist. Nur eines scheint klar zu sein: ein "Traditionsblatt" wurde an einen der Akteure verkauft, die für die Ratlosigkeit der "Verlegerfamilie", welche die "Watergate-Zeitung" nach 80 Jahren und 4 Generationen einfach nicht mehr halten konnte, mitverantwortlich sind. 

Das subtlile Bild, welches gezeichnet wird, zeigt hier die guten Verlegerfamilien mit ihre wichtigen demokratischen Werten und dort die Internet-Tycoons, die die alte Welt zerstören und nur von einem Wert, dem ihrer Kassen, getrieben zu sein scheinen.

Dabei könnte man die Geschichte natürlich auch andersherum erzählen. Hier die alte Verlegerfamilie, die nach 80 Jahren ihren Unternehmergeist verloren hat und lieber Kasse macht und die 250 Millionen ins Trockene bringt, anstatt sich für ihre ach so wichtigen Werte ins Zeug zu legen, und dort der rastlose Gründer und Visionär, der sieht, dass die Menschen auch in Zukunft hungrig nach News sein werden und guten Journalismus erleben wollen und es halt nun mal zur Aufgabe des Unternehmers gehört, herauszufinden, wie man dieses Bedürfniss befriedigen und die dazu nötigen Prozesse finanzieren kann.

Ich glaube, dass das erst einmal gute Nachrichten sind, dass jemand, der Teil der Internet-Revolution ist, offenbar an eine Zukunft des Geschäftst mit flüchtigen Inhalten glaubt.

Bezos will gemäss eigener Aussage experimentieren lassen. Das lässt hoffen. Mit Amazon hat er gezeigt, dass er die Mechanismen des Netzes versteht und die Vorteile zu nutzen weiss.

Es gibt natürlich auch hier zwei Seiten der Medaille. Einerseits ist in Teilbereichen ein Marktführer mit ungesunder Einkaufsmacht entstanden, andererseits ermöglicht Amazon sowohl im Handel wie auch im Bereich Web-Applikationen unzähligen Klein- und Kleinstunternehmen den Zugang zu seinen Skalengewinnen, indem die Handelsplattform und die Infrastruktur des Unternehmens von allen genutzt werden kann.

Das heisst natürlich nicht, dass Amazon als offenes System zu bezeichnen wäre. Im Gegenteil, die Firma und auch Jeff Bezos selbst stehen nicht im Ruf, sich der Idee eines offenen Netzes verschrieben zu haben, bzw. dort wo er kann, schliesst er die Kunden und die Nutzer ein.

Trotzdem glaube ich, dass es für die Zeitungsbranche und für uns alle erst einmal gut ist, wenn sich mal ein paar andere am Thema Journalismus im Internet versuchen. Eine globale Monopolstellung ist in diesem Bereich vorläufig nicht zu befürchten. Die Chancen stehen gut, dass es befruchtend sein wird, zu sehen, was bei der Washington Post in den nächsten Jahren geschieht.

(Bild: CC-BY 2.0 Wikimedia Commons: Steve Jurvetson)

Deliberative Demokratie und Partizipation ermöglichen mit Loomio

Demokratie, die diesen Namen auch verdient, bedeutet mehr als Abstimmungen & Wahlen durchzuführen. Sowohl Repräsentation (durch Wahlen) als auch Mehrheitsentscheide (durch Abstimmungen) bringen das Problem mit sich, dass sich einzelne Individuen und Minderheiten gegen ihren Willen, Entscheiden von anderen unterordnen müssen.

Ich weiss, das Problem ist wohl nie vollständig aus der Welt zu schaffen, aber es ist sehr wohl möglich, demokratische Prozesse so zu gestalten, dass die Anzahl der "Unterdrückten" möglichst klein wird.

Als erstes sollte man natürlich immer fragen, ob es überhaupt einen kollektiven Entscheid zu einem bestimmten Thema braucht. Das ist die beste Möglichkeit den Freiraum des Einzelnen oder der von Minderheiten nicht einzuschränken. Aber natürlilch bleiben trotzdem noch sehr viele Situationen übrig, in welchen gemeinsame Entscheide zu Fällen sind, wir sind ja nicht Inseln, sondern Menschen in Gesellschaft.

Als nächstes sollte die Ebene auf welcher entschieden werden muss, so tief wie möglich gesetzt sein, sodass vor allem diejenigen entscheiden, die vom Entscheid auch betroffen sind (Subsidiaritätsprinzip). Jetzt erst stellt sich die Frage, wie der kollektive Entscheidungsprozess ausgestalltet sein müsste.

Die häufigste Form dabei ist die Abstimmung mit Mehrheitsentscheid nach einer Diskussion der Argumente. Das Problem dabei ist aber, dass meistens nicht alle, die das wollten, an der Diskussion teilnehmen können und dass die Diskussion meistens nur so lange geführt wird, bis sich eine Mehrheit abzeichnet. Die Minderheit hat dann in der Regel das Nachsehen.

Eine besserer demokratischer Prozess würde nicht einen Mehrheitsentsched anvisieren, sondern einen Konsens. Dafür müsste die Diskussion aber besser organisiert werden und sie müsste so lange dauern, bis der Konsens hergestellt ist (Deliberative Demokratie).

Nur bei solchen Entscheiden tragen alle Beteilgten diesen auch wirklich mit und vor allem gibt es keine Minderheit die von der Mehrheit in ihren Freiheiten beschnitten wurden.

Und bevor jetzt jemand aufschreit, schreibe ich hier deutlich, dass ich mit Freiheit nicht Egoismus meine und auch nicht blos "negative" Freiheit im Sinne des Fehlens des Zwangs, sondern insbesondere die Freiheit des Individuums die Kollektive denen es angehört auszuwählen und diese mitzugestalten. Mir ist auch klar, dass gerade das Auswählen der Kollektive nicht radikal implementierbar ist. So haben wir die Familie nicht gewählt, aus der wir entstammen und wir können auch nicht einfach so mal den Staat wechseln in dem wir politisch mitbestimmen. Aber immerhin sollten wir auch die Kollektive, die wir nicht gewählt haben, wenigstens mitgestalten können. 

Die Open-Source Software Loomio aus Neuseeland bietet einen interessanten Ansatz bzw. ein nützliches Werkzeug um deliberative Demoktratie in der Praxis umzusetzen.

Loomio Demo 1 from Enspiral on Vimeo.

Zu einem Thema wird eine Website erstellt, auf welcher dann das Thema eingiebig diskutiert werden kann. Jederzeit kann jeder Teilnehmer eine Lösung vorschlagen, auf welche dann die Teilnehmer verschieden reagieren können. 

  • Sie können sich damit einverstanden erklären.
  • Sie können sich der Stimme enthalten und gleichzeitig deklarieren, dass es ihnen nicht so wichtig ist und sie als Teil des gefunden Konsens betrachtet werden können, auch wenn sie nicht Stellung bezogen haben.
  • Sie können erklären, dass sie nicht unbedingt mit dem Vorschlag einverstanden sind, dass sie aber den Entscheid akzeptieren wollen und somit auch Teil des Konsens sind.
  • Sie können den Entscheid blockieren und denklarieren, dass sie einen solchen Entscheid nicht mittragen können.

Es ist auch jederzeit möglich die Diskussion wieder aufzunehmen und neue oder abgeänderte Vorschläge zu bringen, bis sich ein Konsens eingestellt hat.

Das ist genau die Art und Weise, wie Demokratie funktionieren sollte und zwar möglichst überall. Mit überall meine ich die vielen Bereiche, insbesondere in der Wirtschaft aber auch in der Politik, die von solchen Partizipationsmöglichkeiten noch weit entfernt sind. Fast alle unsere Organisationen funktionieren wenn überhaupt demokratisch, dann nach dem Prinzip der Repräsentation. Ich glaube, dass solche internetbasierten Werkzeuge, auch wenn diese noch sehr rudimentär sind, in Zukunft viel mehr direkte und deliberative Partizipation ermöglichen als bisher und dadurch ein höhere Engagement der Beteilgiten bewirken. 

Ich kann diesen Blogpost natürlich nicht beenden, ohne auch auf die Liquid Democracy Konzepte der Piratenparteien und auf die Plattform Adhoracy.de aufmerskam zu machen, die ähnliches wie Loomio ermöglicht.

Mir ist auch klar, dass es noch viele offenen Fragen zu beantworten und einige Probleme zu lösen gibt. Aber wir müssen uns ja nicht als erstes darauf konzentrieren, warum etwas nicht funktionieren kann, sondern wie es funktionieren könnte, wenn wir es gut und richtig finden, nicht wahr.

(Bild: © intheskies - Fotolia.com)

Eine Rüge wegen Twitter, die nicht nur Journalisten betrifft.

Ein Journalist der SRG bekundet durch einen Tweet seine Sympathien für ein Kandidatur eines SP-Politikers und wird danach durch seinen Chefredaktor zurecht gewiesen, mit der Begründung, dass private Äusserungen immer auch in den Zusammenhang mit ihm als Berufsperson und damit auch mit seinem Arbeitgeber gebracht werden, was nicht erwünscht sei. Dieser Fall zeigt uns zwei problematische Haltungen, die in unserer Gesellschaft stark verankert sind.

 

  1. Ein Journalist hat objektiv zu sein.
  2. Ein Angestellter soll sich komplett der Organisationsdoktrin unterordnen und innerhalb der Organisation aufhören Individuum bzw. Mensch zu sein.

Der erste Punkt ist schnell erledigt. Es gibt keine Objektivität beim schreiben eines guten Textes. Es mag die Möglichkeit geben, sich selbst in kritischer Distanz zu üben, aber Objektivität im Sinne von Unvoreingenommenheit ist nicht einforderbar. Ein Journalist ist immer auch ein Mensch, der eine innere Haltung zu einem Thema entwickelt. Im besten Falle ist er sich dessen bewusst und analysiert seine eigene Situation und seine Standpunkte, aber er kann unmöglich "aus seiner Haut" schlüpfen und als seelenloses Wesen ohne persönlichen Bezug zum Inhalt einen guten Text schreiben. Es wäre darum viel besser, wir würden das akzeptieren und dafür von den Journalisten verlangen, dass sie transparent auf ihre eigene Haltung aufmerksam machen, so wie wir die Offenlegung von Interessenbindungen von politischen Akteuren erwarten. Damit würden die Vorwürfe der politischen Voreingenommenheit als Antwort auf einen Text keinen Sinn mehr machen, man könnte sich auf den Inhalt konzentrieren und Debatten führen, die uns weiterbringen.

Der zweite Punkt beinhaltet gewissermassen den ersten, geht aber noch viel weiter und betrifft nicht nur Medienschaffende, sondern auch Mitarbeitende der Behörden, Lehrerinnen und Lehrer, sowie Angestellte von grösseren Unternehmen, die unter einer gewissen öffentlichen Beobachtung stehen, sei dies, weil diese Unternehmen stark politisch reguliert werden, oder weil sie berühmte Marken besitzen oder verkörpern.

Alle diese Organisationen erwarten von Ihren Mitarbeitenden, dass sie sich auch im privaten Leben, im Sinne ihres Arbeitgebers verhalten. Das war schon immer so, und war schon immer problematisch, aber dadurch, dass in unserer Zeit durch Social Media, jeder und jede problemlos öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann, wird das Problem erst richtig sichtbar.

Die Grundlage dieses Übels beginnt bei der Unterscheidung zwischen dem privaten Menschen und dem professionellen Arbeitnehmer. Der professionelle Arbeitnehmer, so wird allgemein gefordert, soll in seinem Arbeitsumfeld alle seine privaten Eigenschaften ablegen (ausser denen natürlich, die dem Unternehmen nützen) und auf keinen Fall seine spirituellen, politischen oder gesellschaftlichen Ansichten mit in den Betrieb nehmen. So wird einem schnell gelehrt, dass auch bei Zusammenkünften, die eher dem privaten Leben entlehnt wurden, wie interne Abschiedsfeiern oder Begrüssungsapéros oder ganz allgemein Anlässe an welchem professionelle Arbeitnehmer in informellem Rahmen zusammenkommen, keine politischen Äusserungen erwünscht sind.

Ich bin der Meinung, dass das falsch ist, und dass es zur moralischen Bildung des Menschen gehört, möglichst oft mit anderen Meinungen auch zu kontroversen Themen konfrontiert zu werden. Weiterhin muss es so sein, dass Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Ansichten zusammenarbeiten und zusammenleben können müssen. Dass sollte aber nicht dadurch erreicht werden, indem der eigentliche Mensch, hinter einer "Maske des Haltungslosen" verschwindet, sondern dadurch, dass gegenseitiger Respekt bei gleichzeitiger Kritikfähigkeit gelebt wird. 

Bis vor kurzem, war das Problem des Anspruches auf die totale Unterordnung des eigenen Ichs meistens nur auf die Arbeits- bzw. Anwesensheitszeiten beschränkt. Einzig ein paar wenige prominente Angestellte, wie z.B. Exekutivmitglieder mussten auch aufpassen, was sie in ihrer Freizeit sagten und taten. Durch die Social Media sind nun plötzlich alle Betroffen, die auch einen Twitter oder Google+ Account haben oder gar einen Blog betreiben und gleichzeitig von einer Organisation Lohn beziehen.

Immer öfter wird gefordert, wie in dem hier eingangs geschilderten Fall, dass private Social Media Accounts auch im Sinne des Arbeitgebers zu nutzen sind. Für viele klingt das einleuchtend, doch sollten wir uns klar machen, dass damit gleichzeitig gefordert wird, dass das Individuum keine politische, spirituelle oder gesellschaftliche Haltung mehr zeigen darf, ja ganz allgemein nichts mehr äussern soll, was in irgendeiner Weise für irgendjemanden als kontrovers gelten könnte.

Das Individuum soll im Kollektiv verschwinden. Die öffentliche Diskussion der Social-Media-Bürger soll sich auf das Baby der brittischen Königsfamilie beschränken, aber nicht um Fragen kreisen wie etwa der was gut und was falsch ist oder wie wir unsere Umwelt gestalten wollen.

Dieser Forderung nachzugeben würde bedeuten, dem postdemokratischen Elitismus den roten Teppich auszurollen und die gerade sich entwickelnde neue politische Öffentlichkeit der vernetzten Bürger und Bürgerinnen im Keime zu ersticken. Darum: lasst uns politisch sein, Haltung zeigen und zur Debatte stellen was wir denken, immer und überall.

(Bild: © Rudie - Fotolia.com)

Tageszeitungsproduktion in Brasilien 1942

Dieser kurze und interessante Propaganda-Film des "U.S. Office of Inter-American Affairs" aus dem Jahre 1942, zeigt uns wie eine Zeitung in den 1940er Jahren produziert wurde.

Es ist schon erstaunlich zu sehen, dass eine solch komplexe Prozesskette tatsächlich funkionierte und jeden Tag eine Zeitung erscheinen lies.

Weiterhin zeigt und dieses Video aber auch, dass der grösste Teil der Arbeiten, die früher geleistet werden mussen, damit eine Nachricht vom Ort des Geschehens zum Rezipienten gelangen konnte, heute obsolet sind. Ein Prozess mit dutzenden von Zwischenschritten, der nur unter Einsatz von vielen verschiedenen Arbeitskräften bewältigt werden konnte, ist heute mit ein paar Mausklicks erledigt. Eine Nachricht kann im Internet-Zeitalter ohne grossen Aufwand von fast jedem Ort der Welt ins Netz publiziert und von dort innert Sekunden via Social Media verteilt werden. Natürlich ist damit nicht die jounalistische Arbeit gemeint, sondern, wie hier im Film gezeigt, die möglichst schnelle Verbreitung von relativ "nakten" News.

 

Wie das Urheberrecht die kulturellen Werke des 20. Jahrhunderts zum Verschwinden bringt

Die Befürworter eines strengen Urheberrechtsregimes mit langer Schutzdauer, so wie es sich heute darstellt und weiter verschärft werden soll, bringen neben vielen anderen oft auch folgendes Argument in die Debatte: Nur eine lange Schutzdauer kann sicherstellen, dass Werke auch veröffentlicht bleiben.

Als jemand, der sich mit kulturellen Produktionen beschäftigt, stelle ich allerdings fast täglich fest, dass insbesondere Nichenproduktionen sehr schnell von der Bildfläche verschwinden und dann aufgrund des Urheberrechtsschutzes, der bis 70 Jahre nach dem Tod des Autors anhält, nie mehr publiziert werden. So ist zum Beispiel mehr oder weniger das komplette Filmschaffen der Schweiz des 20. Jahrhunderts für die breite Öffentlichkeit nicht zugänglich. Es gibt offenbar keine oder zuwenige ökonomische Interessen, die Spiel- und Dokumentarfilme, aber auch die Radio- und TV-Produktionen digital zu verwerten, bzw. es ist, aufgrund der Rechtesituation schlicht zu aufwändig. Dasselbe gilt leider auch für die meisten Bücher und Musikaufnahmen.

Ich spreche hier nicht von HD-Läppli Filmen oder von Krokus-Alben, sondern von den vielen kleinen, bei der Erstveröffentlichung vielleicht weniger erfolgreichen Werken, die längst vergessen sind, aber einen unschätzbaren Wert für das Verständnis der jeweiligen Zeit darstellen. Jedes Werk, egal wie intensiv die Rezeption bei der Erstveröffentlichung war, stellt eine erhaltenswürdige Quelle zur Zeitgeschichte dar. Die Früchte menschlicher Kulturarbeit sind das Einzige was übrigbleibt, und bilden damit die wichtigsten Tore zu unserer Vergangenheit.

Erstmals wird nun durch eine interessante Studie auch empirisch belegt, was ich und viele andere seit langem intuitiv wahrnehmen: Das heutige Urheberrecht bringt Werke vor allem schnell wieder zum Verschwinden und sorgt nicht dafür, dass diese möglichst lange verfügbar bleiben. (How Copyright Makes Books and Music Disappear (and How Secondary Liability Rules Help Resurrect Old Songs, Paul J. Heald, 2013)

Heald schreibt im Abstract:

Copyright correlates significantly with the disappearance of works rather than with their availability. Shortly after works are created and proprietized, they tend to disappear from public view only to reappear in significantly increased numbers when they fall into the public domain and lose their owners.

Er zeigt, dass heute mehr als doppelt soviele Bücher aus dem Jahre 1890 verfügbar sind, als Bücher aus dem Jahre 1950, obwohl 1950 viel mehr Buchtitel als 1890 publiziert wurden.

In der Studie wird auch auf die Situation in der Musikbranche eingegangen und er kommt auch dort zum selben Schluss: 

In short, copyright seems to make both books and songs disappear.

Es ist nun natürlich so, dass dieser Effekt, insbesondere von der Content-Industrie, gewollt ist. Es herrscht die Meinung vor, dass es gut ist, wenn "das alte Zeugs" nicht verfügbar ist, denn auch jedes Stück Inhalt aus der Vergangenheit buhlt natürlich auch um das rare Gut Aufmerksamkeit.

Ich denke dagegen, dass es für die Autoren der Werke schleicht ist, wenn ihre Produktionen nicht verfügbar sind und es ist für die Gesellschaft schlecht, wenn sie sich nicht oder nur sehr eingeschränkt mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen kann.

Wir sollten darum die Schutzfristen des Urheberrechtes massiv verkürzen. Von heute 70 Jahre nach dem Tod des Autors, was völlig absurd ist, auf maximal 10 Jahre nach der Erstveröffentlichung des Werkes.

(Bild: © olly - Fotolia.com)