Autoren Gruppe "Fiktion" präsentiert zukunftsorientierte Deklaration

Die Autoren-Gruppe "Fiktion", der unter anderem auch die Trägerin des Nobelpreises für Literatur Elfriede Jelinek angehört, hat sich Gedanken zur Zukunft der Literatur bzw. des Literaturbetriebes in der vernetzten Welt gemacht und die Ergebnisse dieser Arbeit in Form einer erstaunlich und erfreulich zukunftsorientierten Deklaration veröffentlicht. 

Auch den Autoren, die statt auf Self-Publishing auf den klassischen Weg setzen ist nun klar geworden: 

Sich diesem Medium zu verweigern kann darum nicht die Lösung sein, sondern wir müssen neue Methoden entwickeln, mit denen wir unsere Literatur den Lesern digital vermitteln.

Ernüchterung im Bezug auf die Verlage macht sich breit:

Viele ältere Titel werden nicht einmal als E-Book angeboten. Die kommerziellen Verlage haben auf die Herausforderungen durch das digitale Zeitalter vor allem defensiv reagiert: ihr Programm verkleinernd, fusionierend, Mitarbeiter einsparend und sich auf Bestseller konzentrierend.

Darauf folgt der richtige Gedanken, dass die Autoren und Autorinnen sich selbst auch mit diesen Fragen auseinandersetzen müssen (was viele ja auch schon tun, so ist es ja nicht :-):

Es ist an der Zeit, dass wir nicht länger nur zusehen, wie sich die Bedingungen für unsere Literatur verschlechtern, sondern selbst nachzudenken und zu erproben, welche Chancen die Digitalisierung auch für die Verbreitung unserer Werke bietet.

Es folgen dann Aussagen, die mich ungemein hoffnungsfroh stimmen. Aussagen wie die, dass das eBook im Netz Zeit hat, sich den Markt zu erarbeiten, und dass eBooks nicht zwingend verkauft werden müssen. 

Hier gerne noch einmal der Link zur Deklaration

Fehlt nur noch die Erkenntnis, dass Bücher neben allen anderen Formaten auch im HTML Format ins Netz gehören, damit sie dort verlinkt und gefunden werden können, aber ich denke, da brauche ich nicht mehr lange zu warten. 

Ansgar Werner und  Wolfgang Tischer haben sich dazu noch ausführlicher geäussert.

 

50 Jahre Kassette - Das Jammern der Musikindustrie

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Vor 50 Jahren hat Philips an der IFA ihre Compact Cassette vorgestellt. Nehmen wir diesen netten Geburtstag doch wieder einmal zum Anlass, uns vor Augen zu führen, wie die Musikindustrie normalerweise auf Innovationen reagiert. Sie jammert und schreit, dann setzt sie ihren Lobby-Apparat in Bewegung und versucht die Technologie, die sie stört, zu verbieten und wenn das nicht geht, wenigstens zu melken.

Lesen wir ein paar Beispiele:

Im Spiegel Nr. 17 von 1977 im Artikel "Klang-Supermarkt zum Nulltarif

Vor allem die Leerkassette stellt die Musikfirmen vor kaum lösbare Probleme: Sie verlieren durch Überspielungen in Westdeutschland pro Jahr rund eine Milliarde Mark. Das Unterhaltungsgewerbe steuert in eine Existenzkrise. 

oder: 

Durch den Vormarsch der Leerkassette werden die Plattenfirmen zu empfindlichen Budget-Kürzungen gezwungen sein. Sie werden qualifizierte Mitarbeiter entlassen und ihr Repertoireangebot drastisch einschränken müssen. Nur noch Spezialitätenprogramme, die der Rundfunk nicht oder selten sendet, sowie attraktive Hit-Koppelungen, die nur mühsam do-it-yourself aufzunehmen sind, haben künftig noch eine nennenswerte Umsatzchance.

Wir wissen es mittlerweile besser. Die Musik-Grossindustrie hat überlebt, was eigentlich schade ist, denn die Musik selbst wäre ja auf keinen Fall untergegangen und wir müssten nicht unsere Zeit damit verbringen, gegen absurde und schädliche Forderungen dieser Überlebenden zu kämpfen.

In einer Bravo von 1977 im Artikel "Hits zum Nulltarif - Sind Leer-Cassetten der Tod der Schallplatte?"

Friedrich Schmidt von der Ariola Geschäftsleitung dazu: "In der Bundesrepublik verursachen die Leer-Cassetten für die Schallplattenindustrie einen Umsatzverlust von mehr als einer Milliarde Mark. Darunter leiden natürlich auch Komponisten, Texter, Verleger und die Künster. Wenn die Umsätze weiter zurückgehen, so wird sich das in erster Linie auf das Suchen nach neuen Wegen in der Musik auswirken. 

Das ist ein wunderbar unverfrorenes Argument. Die Experimentierfreude der Musiker und Musikerinnen und damit die künstlerische Weiterentwicklung der Musik ist direkt von den Umsätzen der Grossindustrie abhängig.  

und in der Zeit Nr. 36 von 1976 - Flop mit Pop wird sogar das Ende der Schallplatte auf die kommenden 1980er Jahre prognostiziert:

Die Cassette“, klagt Phonographie-Funktionär Thurow, „ist ein sehr zweischneidiges Ding.“ Schwarzmaler sehen es simpler: Sie prophezeien bereits für Anfang der achtziger Jahre „die letzten Tage der Schallplatte“ (Deutsche Zeitung).

Natürlich haben sie die CD damals noch nicht kommen sehen, und meinten mit dem Tod der Schlallplatte auch gleich den Tod der Industrie. Das liegt wahrscheinlich an der fehlenden Kreativität und Vorstellungskraft von Managern, die in gesättigten Oligopolstrukturen ihrer langweiligen Verwaltungstätigkeit nachgehen. 

Die Geschichte wiederholt sich immer und immer wieder. Wie wir auch im oben erwähnten Spiegel Beitrag nachlesen können:

Schon einmal, bei der Umstellung von der zerbrechlichen Schellack-Scheibe mit 78 Umdrehungen pro Minute auf die unzerbrechliche 33er PVC-Longplay, leistete die notorisch konservative Musikindustrie verbissen Widerstand.

Auch interessant, dass die Industrie in den 1970er Jahren, so wie sie heute Netzsperren fordern, die Radiostationen dazu zwingen wollten, Störsignale zu senden, damit die Sendungen nicht aufgezeichnet werden können. Man beachte auch hier den Hinweis darauf, dass ein solches System sehr einfach zu umgehen gewesen wäre:

Ein von der Londoner EMI patentiertes, unhörbares Störsignal, das den Radiomitschnitt gesendeter Schallplattenmusik verhindern würde, scheint nicht zum Zuge zu kommen. Die Sender mußten, um Mitschnitte generell zu verhindern, gezwungen werden, alle ausgestrahlte Musik mit dem Störcode zu versehen -- eine unpopuläre Maßnahme. Aber selbst wenn sie gelänge, wäre das Störsignal durch ein billiges Zusatzteil im Empfänger zu knacken.

Das sollte uns allen Mahnung sein, nicht wieder auf das Gejammere der Musikindustrie einzugehen und die Vorschläge der AGUR12 auch unter diesem Blickwinkel zu betrachten. Zum wiederholten Male, will die Musik-Grossindustrie ihre Machstellung sichern. Diesmal allerdings mit gravierenden Folgen für uns alle, wenn sie damit durchkommen, was sie in der AGUR12 vorschlagen.  

Für die SUISA ist Creative-Commons Einsatz unsozial!

Der Verein Digitale Allmend*, der auch den Lead für Creative Commons Schweiz führt, hat sich bei der SUISA wieder einmal kundig gemacht, ob es denn für deren Mitglieder möglich sei, einzelne Werke unter Creative Commons zu lizenzieren. (Hier sind die Fragen an und die Antworten von der SUISA)

Ich habe schon im Anschluss an meinen Vortrag am Parlamentarier-Dinner der Gruppe Digitale Nachhaltigkeit darauf aufmerksam gemacht, dass sich unsere Verwertungsgesellschaften, insbesondere die SUISA als Verhinderer einer grösseren Verbreitung der Creative-Commons Lizenzen gebärden. Damals wurde diese Aussage aus dem Publikum von den Vertetern ebendieser Gesellschaften lautstark dementiert und es stand Aussage gegen Aussage. (Hier ist das Video, ab 14:25 kommt meine Aussage und ab 15:26 kommt die Erwiderung von Herrn Läubli). Es ist leider ein beliebtes, wenn auch unfaires, rhetorisches Mittel, unliebsame Aussagen einfach zu neutralisieren, indem wider bessern Wissens behauptet wird, sie stimmen nicht. 

Wie wir nun aus den offiziellen Antworten der SUISA lesen können, ist es aber, wie ich damals gesagt habe, tatsächlich so, dass Mitglieder dieser Verwertungsgesellschaft keine Creative-Commons Lizenzen einsetzen können. Und weil mehr oder weniger, jeder, der in der Schweiz Musik produziert bzw. komponiert, bei der SUISA Mitglied ist,  kann sich diese Lizenzierungsform für Musik in der Schweiz auch nicht etablieren.

Ein Musiker oder eine Musikerin, die bei der SUISA Mitglied wird, muss alle Werke exklusiv über diese Gesellschaft verwerten lassen: 

Der Wahrnehmungsvertrag mit der SUISA hält fest, dass der Urheber alle seine Werke anmelden muss, bzw. die von der SUISA wahrzunehmenden Rechte an allen seinen (auch zukünftigen) Werken abtritt. 

Völlig Absurd ist dann aber die Begründung, warum die SUISA ihren Mitgliedern die Nutzung der Creative-Commons Lizenzen nicht erlauben will:  Es würden der Organisation durch die Unterstützung dieser Lizenzierungsform zusätzliche Aufwände entstehen, diese müssten alle Mitglieder, auch die, die keine CC-Lizenzen verwenden, zu gleichen Teilen mittragen und darum wäre eine solche Lösung unsozial [sic!].

Es zeigt sich einmal mehr, dass die Verwertungsgesellschaften nicht bereit sind, auch nur im geringsten auf die neuen Möglichkeiten und Veränderungen der vernetzen Welt einzugehen.  

Das IGE bzw. der Bund müsste hier m.E. aktiv werden und die Verwertungsgesellschaften dazu zwingen, ihren Mitgliedern die Verwendung von Creative-Commons  zu ermöglichen, ohne dass sie sich dabei im Bezug auf die anderen Services Nachteile vergegenwärtigen müssen.

Es ist einfach ein Witz, wenn eine Verwertungsgesellschaft auf der einen Seite zusammen mit ihren Kollegen in der AGUR12 drakonische Massnahmen fordert, die, wenn sie umgesetzt würden, das Internet, so wie wir es heute kennen, verschwinden lassen würde, gleichzeitig als Verhinderer eines Konzeptes auftritt, welches zumindest ein paar gute Antworten auf die Herausforderungen der Digitalisierung bereit hält.

(*Disclosure: Ich bin Präsident des Vereins Digitale Allmend und führe mit buch & netz einen Verlag der unter Creative-Commons Lizenzen publiziert) 

 

Braucht die Öffentlichkeit Massenmedien?

Eine im Zusammenhang mit dem Medienwandel immer wieder behauptete Aussage ist die, dass es für die Herstellung von Öffentlichkeit, in welcher ein politischer Diskurs stattfinden kann, Massenmedien braucht.

Aktuell Rainer Stadler in seiner in Media Ras Kolumne «Wer schaut die Tagesschau» in der NZZ von heute: 

Kommt damit früher oder später der Abschied von den Massenmedien? Nein. Der gesellschaftliche und der politische Diskurs brauchen eine Gestaltung durch breitenwirksame Leitmedien.

Mit dieser Aussage wird oft auch begründet, warum die Politik das bestehende Mediensystem aufrechterhalten soll.  

Interessanterweise wird Öffentlichkeit so definiert, dass es sich um einen "Ort" handelt, wo Dialog und Austausch der Bürger stattfinden kann. Während die vielen Zeitungen des 19. Jahrhunderts, diesem Anspruch noch eher gerecht werden konnten, da wohl tatsächlich die meisten, die sich zu dieser Zeit aktiv an der Demokratie beteiligten auch in ihren Zeitungen zu Wort kommen konnten, sind die Massenmedien, wie wir sie seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kennen, längst keine Dialogmedien mehr. Es sind Broadcaster im wörtlichen Sinne, und die Meinungen die dort ausgetauscht werden, sind nicht, die der Bürger & Bürgerinnen, sondern eher zufällig ausgewählter Protagonisten, wie Sportler, Popstars, Mister & Missen und hin und wieder Politikerinnen und Wissenschaftler. 

Wenn wir also wirklich daran interessiert sind demokratische Öffentlichkeit im Sinne der oben genannten Vorstellungen zu realisieren, dann sollten wir wohl kaum an den Massenmedien festhalten, sondern die Netzmedien, die viel besser als Dialogmedien geeignet sind, begrüssen. 

Richtig, ein einzelner Blog erreicht kaum relevante regelmässige Leserzahlen, aber darum geht es gar nicht. Die Vorstellung, dass sich "Öffentlichkeit" nur dadurch einstellen kann, weil ein Thema massenmedial verbreitet wird, hält sich wohl nur darum so hartnäckig, weil wir es nicht anders gewohnt sind. Dieser These können wir nur schon die Geschichte entgegen halten. Es hat bereits politische "Öffentlichkeit" gegeben, als es noch kein Radio und kein Fernsehen gab, die Zeitungslandschaft viel stärker fragmentiert war und die einzelnen Blätter nur Bruchteile der Auflagen heutiger Massenmedien erreichten. 

Im Netz entsteht Öffentlichkeit durch Vernetzung der vielen einzelnen Beiträge. Klar leben wir in einer Übergangszeit in welcher die Infrastruktur der Massenmedien noch existiert und für viele Beteiligte auch noch die alte Rolle spielt. Und ich denke auch, dass es immer Orte im Netz geben wird, die eine grössere Reichweite erreichen, also besser vernetzt sind, als andere. Aber sie werden kaum die Relevanz geniessen, wie dies die Massenmedien eine kurze Zeit in der Geschichte der Medien durften, sondern werden eher wieder der fragmentierten Situation der Zeitungslandschaft des 19. Jahrhunderts gleichen und sie werden nur Relevant sein, wenn sie vernetzt sind und damit immer auch als Hub für den Durchgang der Informationen funktionieren.  Ein Thema, welches grosse öffentliche Wichtigkeit erfährt wird dann an ganz vielen Stellen im Netz auftauchen, diskutiert und vernetzt werden, während andere Themen die nur Nischen betreffen nur bei den entsprechenden Knoten aufblinken. 

Öffentlichkeit kann im Netz problemlos ohne Massenmedien existieren. Wichtig ist einzig, dass der freie und uneingeschränkte Zugang zum Netz gewährleistet wird. Wir müssen also nicht die Massenmedien retten, sondern Netzneutralität garantieren und den Überwachungsstaat verhindern, indem wir das geplante Nachrichtendiensgesetz und die BÜPF Revision ablehnen und darauf achten, dass die Vorschläge der AGUR12 nicht umgesetzt werden. 

(Bild: Le Serment du Jeu de paumer von Jacques-Louis David)

Exorbitante Gebühren für eine Liste vom Bundesamt für Landwirtschaft

275'000 CHF wollte das Bundesamt für Landwirtschaft als Gebühr für die Herausgabe der Liste der Subventionsempfänger von einem Journalisten des Beobachters verlangen. Diese Gechichte zeigt sehr schön, dass das Öffentlichkeitsgesetz u.A. an dieser Möglichkeit, den Aufwand für das Bereitstellen der Informationen in Rechnung zu stellen, krankt. 

Wenn Kulturjournalisten auch PR-Manager sind

Wenn Kulturjournalisten auch PR-Manager sind

In der gedruckten NZZ von heute, wie auch online, ist ein Beitrag erschienen, der die Kultur des "Do-it-yourself" in der Welt der Pop-Musik zu analysieren vorgibt. 

Die Autorin kommt im Artikel, zusammen mit einem Vertreter der Verwertungsgesellschaften, die derzeit in der AGUR12 darauf hinarbeiten eine Zensur- und Überwachungsinfrastruktur in der Schweiz aufzubauen, zum Schluss:

«Mit DIY 2.0 alleine nämlich hat noch niemand den Durchbruch geschafft.»

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Gesucht: Schweizer Filmschaffen im Netz

Es ist Locarno-Zeit und das Schweizer Filmschaffen ist wieder einmal ein wenig öffentliches Thema. Wobei, nicht das eigentliche Schaffen, mal abgesehen von Brons Blocher-Experience, sondern vielmehr die Frage nach den Fördermitteln, wie jedes Jahr.

Heuer geht es um Zentralisierung vs. Diversität, aber auch darum, welche Bereiche im komplexen Prozess der Filmproduktion bzw. -vermittlung, wieviel Geld erhalten. So bekundet das BAK, dass man die Drehbuchschreibenden besser fördern will und die hiessigen Film-Festivals haben via Bundesamt für Statistik kommunizieren lassen, dass sie für das Filmschaffen eine wichtige Rolle einnehmen und darum Förderungwürdig bleiben.

Bei allem Verständnis dafür, dass das Geldproblem eine wichtiger Dauerbrenner der Branche ist, müssen wir trotzdem feststellen, dass die allerwichtigste Frage, die nämlich, wie man erreicht, dass der Schweizer Film auch gesehen wird, selten bis nie ein Thema ist.

Der schlimme Gedanke, der sich mir einschleicht ist, dass es  für die Finanzierung der meisten Schweizer Filme völlig egal ist, ob dieser Film ausserhalb der eigenen Szene wahrgenommen bzw. gesehen wird oder nicht, und sich darum auch niemand wirklich darum kümmert. 

Es macht den Anschein, dass kein wirkliches Interesse daran besteht, dass alle diese Filme, die nun über die Jahrzehnte weitgehend durch private und staatliche Fördermittel finanziert wurden, auch gesehen werden. (Neues Buch zum Thema Filmförderung in der Schweiz: Der Schweizer Film von Olivier Möschler)

Dem Mantra, dass es für die kulturelle Identität der Schweiz wichtig sei, ein eigenes Schweizer Filmschaffen aufrecht zu erhalten und wir dieses deswegen auch fördern sollen, steht die Realität entgegen, dass mehr oder weniger das komplette Schweizer Filmwerk in Datenbanken und Lagerhallen eingeschlossen und nicht online zugänglich ist. Es gibt wohl hundertausende von YouTube-Videos, die von mehr Zuschauern gesehen wurden, als die meisten Schweizer Filme.

Wer im Netz nach Schweizer Filmen sucht, stösst irgenwann man auf die Website von Swissfilms, deren Auftrag nach eigenen Angaben lautet:

Kernaufgaben der Stiftung sind Verbreitung, kulturelle Vermittlung und Vernetzung des Schweizer Filmschaffens.

Dort gibt zwar eine Datenbank mit mehr als 4000 Filmen. Doch online sehen oder kaufen kann man diese Filme nirgends. 

Dann gibt es den Filmlink, die Schweizer Filmszene in Internet, doch auch hier dieselbe Tristesse, keine Schweizer Filme, die man Online sehen oder als Download kaufen könnte.

Versuchen wir es mit den älteren Produktionen. Diese werden von der Cinemathèque Suisse, dem Schweizer Filmarchiv aufbewahrt, und vom Verein MemoriAV erschlossen und konserviert. Nun, wir ahnen es: Keine Möglichkeit unsere kulturelle Filmgeschichte zu rezipieren. Dafür gibt es mit Memobase eine Datenbank mit Metadaten zu mehr 300'000 Audiovisuellen Dokumenten. Auch das ist bestimmt eine lobenswerte Einrichtung für Spezialisten, aber von Metadaten haben wir nicht gegessen. Wunderbar passend zur Situation ist der Hinweis, dass wir im Bundesarchiv selber VHS Kopien machen dürfen, wenn wir einen Beitrag der Schweizer Filmwochenschau sehen wollen. Im Jahre 2013 dürfen wir also Technologien aus den 1980er Jahren nützen. Ich frage mich, ob da jemand aus versehen all die Jahre im Archivkeller eingeschlossen war?

Zu guter letzt besuchen wir noch die Website Artfilm.ch, welche sich auf Autorenfilme aus der Schweiz und dem Ausland spezialisiert hat. Artfilm.ch bietet immerhin ein Streaming- und ein VOD-Miet-Angebot für ungefähr 150 Schweizer Filme an. Das ist schon mal ein lobenswerter Anfang. Aber im Netz auf eine Plattform und auf DRM-Technologien zu setzen, ist selten von grossem Erfolg gekrönt.

Wem wirklich etwas daran liegt, dass das Schweizer Filmschaffen auch gesehen wird, sorgt dafür, dass diese Filme im Netz verbreitung finden. Die neuen Kanäle heissen YouTube und Vimeo und nicht DVD und VHS. DRM ist völlig unnötig und verhindert blos, dass die Filme einfach verkauft und gekauft werden können. Der NZZ Videoshop ist ein gutes Beispiel für eine Lösung, die ohne DRM funktioniert.

Es ist doch ein Witz, dass in einer Zeit in welcher soviele Videominuten konsumiert werden, wie noch nie, ausgerechnet die Filme, die mit dem Anspruch gefördert werden, einen wichtigen Beitrag zur Schweizer Kultur zu leisen, nicht gesehen werden können.

Damit wir uns nicht falsch verstehen. Es braucht weder neue Fördermittel, noch müssen die bestehenden umgelagert werden, um diesen traurigen Umstand zu ändern. Es braucht nur den Willen der Beteiligten, ihre Sonntagsreden über die Wichtigkeit des Schweizer Filmschaffens in Taten zu verwandeln.

(Bild: © Vladislav Kochelaevs - Fotolia.com)

Überwachungsstaat: «Das kann ja nicht die Lösung sein»

Der Autor Ilija Trojanow hat 2009 zusammen mit Juli Zeh das Buch «Angriff auf die Freiheit: Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte» veröffentlicht. Gestern hat Simone Fatzer ein kurzes Gespräch mit ihm im Echo der Zeit geführt.

Auf die Frage, ob er denn nun, in Anbetracht der durch Edward Snowden bekannt gewordenen Überwachungsaktivitäten der westlichen Demokratien, auf gewisse Kommunikationsmittel bewusst verzichte, antwortete er:

Nein, das kann ja nicht die Lösung sein. Es kann ja nicht die Lösung sein, dass aufgrund einer perversen staatlichen Dauerüberwachung, ich als Bürger gezwungen werde, irgendein Instrument, irgendeine Kommunikationsform, die mein Leben erleichtert, nicht zu nutzen. Genauso, wie ich es problematisch finde, dass manche Menschen sagen: "Gut, nun werde ich absolut alles verschlüsseln und geheimhalten". Dieser Zwang, dass man selber dann beginnt, solche Paranoiden verhaltensweisen nachzuahmen, ist an sich für mich schon nicht akzeptabel.

Immer wieder wird ja vorgeschlagen, dass wir einfach unsere E-Mails verschlüsseln sollen. Oder auch, dass wer Cloud-Dienste nutze, schlicht selber schuld sei. Das ist eine erstaunliche Haltung. Nur weil es technisch möglich ist, unsere E-Mails und andere Daten zu lesen, ist es noch lange nicht richtig, dass wir das zulassen. Wir hätten früher auch nicht akzeptiert, wenn ähnliches mit der Briefpost geschehen wäre. Wir dürfen nun nicht klein beigeben und uns zurückziehen, sondern müssen von der Politik verlangen, dass sie im Sinne der Bürgerrechte handelt und nicht gegen sie.

Ein Problem der Geheimdienste ist gemäss Trojanow:

...dass gerade im geheimen wirkende Bürokratien, jede technische Möglichkeit und jede rechtliche Grauzone, die sich ihnen bieten, auch ausnutzen. Das heisst, Selbstkontrolle gibt es bei Geheimdiensten nicht. Die einzige mögliche Kontrolle ist die einer demokratischen Transparenz.

Ich würde weiter gehen und sagen, dass überhaupt keine Kontrolle möglich ist. Darum sollten wir in der Schweiz auf jeden Fall darauf verzichten unseren Geheimdienst mit weiteren Werkzeugen auszustatten. Das Beste was man tun kann,  ist, auf solche Organisationen im Staat zu verzichten, oder ihnen wenigstens nur die allernötigsten Rechte zuzugestehen.

Und noch einmal zur Wiederholung für alle, die denken, dass das alles nicht weiter schlimm ist, weil sie ja nichts zu verbergen haben:

Die genaue Lektüre, nicht nur meiner Akte, sondern auch vieler anderen Akten zeigt, dass es eine Irrealität gibt, die entsteht. Aufgrund dessen, dass man alles beobachtet, ist natürlich auch ein Generalverdacht auf alles gelegt, und dieser Generalverdacht trägt in sich eine Ernergie, die bestätigt sein will. Das heisst, es ist geradezu unmöglich, davor unschuldig zu wirken. Auch scheinbar naives oder harmloses verhalten erscheint aufgrund dieser tendenziösen Beobachtung dann als verdächtig.

Das sollte uns in der Schweiz an den Fischenskandal erinnern und diese Erinnerung wäre doch schon Grund genug, ein Nachrichtendienstgestzt wie es geplant ist, gar nicht erst zu diskutieren. Und sollte es trotzdem im Parlament durchkommen, müssen wir uns schon jetzt bereit machen:

Ich glaube dass entscheidende ist, dass man früh und wirklich heftig jetzt Widerstand leistet. Diese wirklich verlogene Schutzbehauptung, es sei zu Sicherheit des Bürgers gedacht, die dürfen die Bürger auf gar keinen Fall akzeptieren.

Hier ist das ganze Gespräch aus dem Echo der Zeit von SRF4 News vom 8. August 2013:

 (Bild: © kebox - Fotolia.com)

Bruno Spoerri - Schweizer Synthesizer-Pionier mit seinem EMS Synthi 100

Bruno Spoerri war wohl einer der ersten Musiker in der Schweiz, der sich der elektronischen Musik verschrieben hat. Das SRF Archiv hat kürzlich diese grossartige Aufzeichnung von 1972 in ihrem YouTube Channel veröffentlicht. Bruno Spoerri erklärt uns anhand der Eurovisions-Erkennungsmelodie von Marc Antoine Charpentier, wie sein EMS Synthi 100 funkioniert.

Der teure, und wie man sieht riesige EMS Synthi 100 war quasi der grosse Bruder des kompakteren EMS VCS-3. Spoerri hatte das Teil ursprünglich zusammen mit Hanns Kennel und Freddy Burger bestellt. Diese sind dann aber noch vor der Lieferung vom Kauf zurückgetreten, was den unerschrockenen Musiktüftler nicht davon abgehalten hat, das Risiko alleine einzugehen und sich das Ding in den Keller zu stellen.

In seinen äusserst lesenswerten «Erinnerungen an fast 50 Jahre Elektronik», lesen wir dazu:

Ich entschied mich todesmutig für das Letztere und entschloss mich, den Keller im Einfamilienhaus in Schlieren in ein Tonstudio umzubauen. Dabei zeigte sich zuerst, dass keine Türe breit genug war, um den Transport des Synthesizers ins Studio zu ermöglichen, also liess ich die Türe verbreitern. Dann kam die Idee, mit dem Synthesizer für grosse Auftritte zu reisen (ich stellte mir das Gewicht des Dings nicht sehr realistisch vor), und so kaufte ich einen neuen Volvo mit erhöhtem Dach. Das war eigentlich ein Krankenwagentyp, der aber auch vom Fernsehen für Reportagewagen gebraucht wurde – mit dem Effekt, dass beim Fernsehstudio die Schranke sofort hochging, wenn ich nur in die Nähe des Studios kam.... (Der Volvo als Transportmittel war natürlich eine Schnapsidee – ich transportierte das Ding später zwar ein oder zwei mal ins Fernsehstudio für eine Sendung, aber mit einem Möbelwagen.)

Im Video sehen wir, dass bereits damals ein Sequenzer integriert war. Spoerri spricht von "programmieren". In den Spezifikationen zum Synthesizer (PDF) steht zum Thema Computer:

The basic software comprises a Text Editor, for the preparation and correction of the MUSYS scores, a Compiler, which translates the scores into lists of numbers to the devices under the control of the clock. There is also a program called Sequencer, which simply uses the storage units of the computer to store data provided by the SYNTHI 100 (from the keyboards, for example).

bzw.

With a solid state storage capacity of 10,240 bits, the new sequencer is capable of precisely controlling 6 different simultaneous parameters over a sequence of 256 successive events. There are several modes of operation and full, easy to operate editing facilities, so that any or all of the 256 stored items and their time relation- ships may be changed without difficulty.

Wenn ich das richtig verstanden habe, sprechen wir von ca. 1 Kbyte Speicherplatz! Ja, die mussten noch sparsam umgehen mit den Ressourcen. 

Bruno Spoerri ist war auch als Musikhistoriker tätig. 2010 ist sein zweites Buch mit dem Titel «Musik aus dem Nichts - Geschichte der elektroakustischen Musik in der Schweiz» im Chronos Verlag erschienen und in der WOZ eine Rezension dazu.

Hier ist noch einmal etwas altes und neueres Spoerri & EMS Synthi 100 Material aus einer Kulturplatz Extra Sendung wahrscheindlich aus dem Jahre 2010 (YouTube Video):

Und wer mehr wissen will, klickt auf diese Links:

Jeff Bezos als Zeitungsverleger

"Ausgerechnet ein Internetunternehmer" kaufe die Traditionszeitung, verbreitet die Nachrichtenagentur dpa in den deutschen Medien, wie hier z.B. im Handelsblatt. Und aus Sicht des Tagesanzeigers hat sich Jeff Bezos einfach ein persönliches Spielzeug gekauft.

Es macht sich eine Art Schockstarre breit, nachdem die Nachricht die Runde gemacht hat. Man weiss nicht so recht, was davon zu halten ist. Nur eines scheint klar zu sein: ein "Traditionsblatt" wurde an einen der Akteure verkauft, die für die Ratlosigkeit der "Verlegerfamilie", welche die "Watergate-Zeitung" nach 80 Jahren und 4 Generationen einfach nicht mehr halten konnte, mitverantwortlich sind. 

Das subtlile Bild, welches gezeichnet wird, zeigt hier die guten Verlegerfamilien mit ihre wichtigen demokratischen Werten und dort die Internet-Tycoons, die die alte Welt zerstören und nur von einem Wert, dem ihrer Kassen, getrieben zu sein scheinen.

Dabei könnte man die Geschichte natürlich auch andersherum erzählen. Hier die alte Verlegerfamilie, die nach 80 Jahren ihren Unternehmergeist verloren hat und lieber Kasse macht und die 250 Millionen ins Trockene bringt, anstatt sich für ihre ach so wichtigen Werte ins Zeug zu legen, und dort der rastlose Gründer und Visionär, der sieht, dass die Menschen auch in Zukunft hungrig nach News sein werden und guten Journalismus erleben wollen und es halt nun mal zur Aufgabe des Unternehmers gehört, herauszufinden, wie man dieses Bedürfniss befriedigen und die dazu nötigen Prozesse finanzieren kann.

Ich glaube, dass das erst einmal gute Nachrichten sind, dass jemand, der Teil der Internet-Revolution ist, offenbar an eine Zukunft des Geschäftst mit flüchtigen Inhalten glaubt.

Bezos will gemäss eigener Aussage experimentieren lassen. Das lässt hoffen. Mit Amazon hat er gezeigt, dass er die Mechanismen des Netzes versteht und die Vorteile zu nutzen weiss.

Es gibt natürlich auch hier zwei Seiten der Medaille. Einerseits ist in Teilbereichen ein Marktführer mit ungesunder Einkaufsmacht entstanden, andererseits ermöglicht Amazon sowohl im Handel wie auch im Bereich Web-Applikationen unzähligen Klein- und Kleinstunternehmen den Zugang zu seinen Skalengewinnen, indem die Handelsplattform und die Infrastruktur des Unternehmens von allen genutzt werden kann.

Das heisst natürlich nicht, dass Amazon als offenes System zu bezeichnen wäre. Im Gegenteil, die Firma und auch Jeff Bezos selbst stehen nicht im Ruf, sich der Idee eines offenen Netzes verschrieben zu haben, bzw. dort wo er kann, schliesst er die Kunden und die Nutzer ein.

Trotzdem glaube ich, dass es für die Zeitungsbranche und für uns alle erst einmal gut ist, wenn sich mal ein paar andere am Thema Journalismus im Internet versuchen. Eine globale Monopolstellung ist in diesem Bereich vorläufig nicht zu befürchten. Die Chancen stehen gut, dass es befruchtend sein wird, zu sehen, was bei der Washington Post in den nächsten Jahren geschieht.

(Bild: CC-BY 2.0 Wikimedia Commons: Steve Jurvetson)