Mit der CVP auf dem Weg zum Polizei- und Überwachungsstaat

Die CVP hat Alarm geschlagen. Die Sicherheit in der Schweiz sei, wenn es so weiter geht, bald nicht mehr gewährleistet. Damit es nicht soweit kommt, hat die Partei ein Massnahmenpaket zusammengestellt, welches uns aufhorchen lassen muss. Wenn eine Mitte-Partei derart auf Law-and-Order setzen, verheisst das nichts gutes für unsere Zukunft und vor allem nicht für die kommenden Debatten zur BÜPF-Revision und zum Nachrichtendienstgesetz.

Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sich Reto Nause immer noch nicht von der "Tanz-Dich-Frei-Geschichte" erholt hat. Hier ein paar Kostproben davon, wie die Christlichen Demokraten gedenken, den Teufel aus der Gesellschaft zu vertreiben (aus der Medienmappe mit dem Positionspapier PDF):

  • ...Die CVP unterstützt deshalb die Einführung von Schnellverfahren, vor allem bei Grossanlässen mit absehbarem Gewaltpotenzial
  • ...Wer sich an einer bewilligungspflichtigen Versammlungen oder Kundgebungen vermummt, erschwert oder verunmöglicht bewusst eine spätere Identifizierung. Die CVP fordert die Schaffung strafrechtlicher Instrumente, die auch dann greifen, wenn eine Gruppe Vermummte in ihrer Mitte vor dem Zugriff durch die Polizei schützt
  • ...Das Strafmass für Landfriedensbruch muss heraufgesetzt werden, tatverdächtige Angehaltene sollen bis zu 72 Stunden in Gewahrsam genommen werden können.
  • ...Insbesondere bei der Aufklärung von Straftaten bei unbewilligten Anlässen oder Gewaltausbrüchen sind nicht unverhältnismässig hohe Ansprüche an die Internetfahndung zu stellen
  • ...Heute haben weder die Polizei noch der Nachrichtendienst des Bundes die Möglichkeit in Fällen von Gewaltextremismus präventiv oder nach Gewalteskalationen reaktiv Telefone abzuhören oder Emails zu überwachen. Die CVP fordert die Schaffung der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen
  • ...Social Media-Kanäle, über die anonyme Aufrufe zu unbewilligten Veranstaltungen wie „Tanz dich frei“ veröffentlicht werden, müssen zur Zusammenarbeit mit den Behörden verpflichtet werden können.
  • ...Die CVP unterstützt die Schaffung eines internationalen Regelwerks, welches internationale Verhaltensregeln, Standards und Normen über das Verhalten im Internet festlegt.
  • ...Die CVP hält weiterhin an ihrer Forderung nach 3000 zusätzlichen Polizisten fest.
  • ... Bestehende Videoüberwachungssysteme von Strassen sollen technisch aufgerüstet werden, so dass sie Kontrollschilder automatisch scannen und mit dem eidgenössischen Fahndungsregister Ripol, welches Datenbanken für Personenfahndungen, Fahrzeugfahndungen, Sachfahndungen und ungeklärte Straftaten umfasst, abgleichen können.
  • ...Der Nachrichtendienst des Bundes muss über die nötigen Kompetenzen für Einsätze im In-
    und Ausland verfügen, um als Frühwarnsystem zugunsten des Bundes und der Kantone proaktiv zu wirken.
  • ...Mit mehr Begleitpersonal, Überwachungskameras etc. verbessern wir die Sicherheit auf den Bahnhöfen und in den Zügen und garantieren die Sicherheit der Passagiere.
  • ...Der öffentliche Raum muss durch präventive Stadtgestaltung, bessere Beleuchtung und den verstärkten Einsatz von Videokameras an Brennpunkten Verwahrlosung, Vandalismus, Diebstählen, Wohnungseinbrüchen sowie Gewalt vorbeugen.

Zusammengefasst: Überwachung, Überwachung, Überwachung total, kombiniert mit Erhöhung des Gewaltpotentials des Staates. Und das alles nur, weil ein beleidigter Gemeinderat von Facebook keine Antwort auf seinen Brief erhalten hat.

Exorbitante Gebühren für eine Liste vom Bundesamt für Landwirtschaft

275'000 CHF wollte das Bundesamt für Landwirtschaft als Gebühr für die Herausgabe der Liste der Subventionsempfänger von einem Journalisten des Beobachters verlangen. Diese Gechichte zeigt sehr schön, dass das Öffentlichkeitsgesetz u.A. an dieser Möglichkeit, den Aufwand für das Bereitstellen der Informationen in Rechnung zu stellen, krankt. 

Open Source Möbel

Mozilla hat ihr Büro in Japan mit Open Source Möbel ausstatten lassen, einzelne Designer bieten ihre Arbeiten bereits zum Download an und mit OpenDesk.cc gibt es eine äusserst nützliche Plattform für die Unterstützung der Beteiligten im Produktionsprozess.

Die Pläne der vorgestellten Holzmöbel können entweder downgeloaded und für die eigene Fertigung der Möbelstücke verwendet werden, oder man wählt einen lokalen Schreinereibetrieb, ein FabLab oder eine offene Werkstatt, in welcher die Produkte hergestellt werden können.

Open Source für "Alltags-Hardware" ist nichts neues. Die OpenDesk.cc Plattform zeigt aber sehr schön, wie ein Ökosystem, welches auf offenem Wissen basiert, funktionieren kann.

Die Designs sind unter einer Creative-Commons Non-Commercial Lizenz publiziert. Das bedeutet, für den privaten Gebrauch können diese jederzeit genutzt und weiter kopiert werden. Natürlich kann auch eine Schreinerei damit beauftragt werden, die Möbel nach diesen Plänen herzustellen. Weiterhin ist es möglich, gleich auf der Plattform aus einer Liste von offiziellen Herstellern einen zu wählen, und diesen mit der Produktion zu beauftragen. 

Für Handwerksbetriebe besteht die Möglichkeit eine Wiederverkäufer-Lizenz zu erwerben, um die Möbel lokal herzustellen und verkaufen zu können. Gleichzeitig ist man dann auch in der erwähnten Liste der offiziellen Herstellerbetriebe aufgeführt, die vom User der Plattform direkt als Produktionsbetrieb gewählt werden können.

In der Schweiz gibt es bislang noch keine Schreinerei oder ähnliches, aber die Chancen stehe nicht schlecht, dass es auch hierzulande bald Betriebe geben wird, die sich solchen Initiativen anschliessen.

Das Modell ist in jeder Hinsicht vorbildlich für eine, sowohl in ökologischer, wie auch in sozialer Hinsicht nachhaltiger organisierten Welt. Anstelle ein paar weltweit dominierenden Superherstellern, die die Produktion zentralisieren, das Kapital akkumulieren und den globalen Transport von Materialen anfeuern, werden dereinst solche weltweite dezentrale Netzwerke aus lokalen Herstellern, Designern und Nutzern die Grundlage unserer Wirtschaft darstellen.

Darum ist Open Knowledge in jeder Hinsicht zu unterstützen. Es gehört zu den wichtigsten Konzepten für die Gestaltung unserer Zukunft. Vom 16. bis 18. September findet mit der OKCon 2013 übrigens die wichtigste Konferenz zum Thema Open Knowledge in Genf statt.*

(*Disclosure: Ich bin mit buch & netz offizieller Supporter der OKCon 2013)
(Bilder: Website opendesk.cc)
(via TechCrunch)

Rizzoknor @ Frischluftkultur Muri

Gestern war der zweite Abend des kleinen aber feinen Frischluftkultur-Festivals in Muri im schönen Oberfreiamt.* Kanal K hat Live übertragen. Es spielten unter anderem auch Rizzoknor, die ich vor ein paar Jahen schon mal in Zürich im Papiersaal erlebt habe. 

In der Soundcloud gibt es einiges an Material. Aber natürlich kann das alles kein Live-Konzert ersetzen. Geht hin, bei nächster Gelegenheit, es lohnt sich.

(*Disclosure: da bin ich aufgewachsen :-)

Wenn Kulturjournalisten auch PR-Manager sind

Wenn Kulturjournalisten auch PR-Manager sind

In der gedruckten NZZ von heute, wie auch online, ist ein Beitrag erschienen, der die Kultur des "Do-it-yourself" in der Welt der Pop-Musik zu analysieren vorgibt. 

Die Autorin kommt im Artikel, zusammen mit einem Vertreter der Verwertungsgesellschaften, die derzeit in der AGUR12 darauf hinarbeiten eine Zensur- und Überwachungsinfrastruktur in der Schweiz aufzubauen, zum Schluss:

«Mit DIY 2.0 alleine nämlich hat noch niemand den Durchbruch geschafft.»

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...weil nicht der Franken unser Maßstab ist, sondern der Mensch

Heute vor 125 Jahren ist Gottlieb Duttweiler geboren. Er war eine Art Jeff Bezos der Schweiz des frühen 20. Jahrhunderts. Denn er war zwar kaum der Erste, aber wohl damals der Erfolgreichste, der im Schweizer Detailhandel das Unternehmensmodell: "high-volume, low-margin" konsequent umgesetzt hat. Allerdings, und da liegt einer der Unterschiede zu Bezos, hat er seine Migros, dem Kapitalismus entzogen, indem er sie in den 1940er Jahren schlicht und einfach seinen Kunden geschenkt hat. Was für eine Tat!

Bei aller kritischen Distanz, die man gegenüber jedem Grossunternehmen, und damit auch gegenüber der Migros wahren muss, bleibt der Umstand, dass es sich dabei um eine Genossenschaft handelt, ein wichtiger mildernder Faktor.

Zitate, die aus dem Kontext gerissen werden und dann noch aus einer anderen Zeit stammen, stehen natürlich immer auf tönernen Füssen. Und wir können uns Dutti und seiner Denkweise nur annähern indem wir auch seine Zeit mitberücksichtigen.

Insbesondere die Art und Weise, wie die christliche Religion in der Zeit der Gründung der Migros, über die Jahre der Entbehrungen des zweiten Weltkriegs, bis in die späten 1960er Jahre die schweizerische Gesellschaft geprägt hat, muss berücksichtigt werden, um sowohl seine Handlungen als auch die Äusserungen seiner Kritiker zu verstehen.

Duttweiler hat den einzelnen Menschen mit seinen Herausforderungen, seinen Freuden und seinen Leiden in das Zentrum seiner Weltanschaung und seines Wirkens gestellt. Wir, die wir in einer individualistischen, von Kritkern gar hedonistischen Welt genannt, leben, können uns nicht vorstellen, wie stark seine Fokusierung auf den Einzelnen, der persönliche soziale Verantwortung trägt, mit dem Weltbild, das von einer Mischung aus kleinbürgerlich-christlich-konservativem, auf der einen, sowie einem sozialistisch angehauchtem Kollektivismus auf der anderen Seite, geprägt war, kollidierte. 

Er wurde als Bedrohung wahrgenommen, nicht nur vom Kleingewerbe, sondern von allen, die ein Welt- und Menschenbild pflegten, welches den Einzelnen, den bestehenden gesellschaftlichen Strukturen untergeordnet sieht. Er war im Bezug auf seinen Individualismus, ein früher Hippie, auch wenn er diese Zeit gar nicht mehr erlebt hat. Er stellte grundsätzlich jedes bestehende Machtgefüge in Frage und nicht zuletzt darum, hatte er sowohl die Rechte als auch die Linke gegen sich. Natürlich war er kein Anarchist, und er selbst schien eine Art natürliche Autorität ausgestrahlt zu haben, die auch ihn immer wieder zur Machtausübung verleitet zu haben mag.

Aber, und das ist, was ihn auch für unsere Zeit vorbildlich macht: Er glaubte an das Gute im Menschen und daran, dass den Menschen zu dienen bedeutet, die weniger Begüterten zu befähigen und nicht, sie zu bemuttern.

Hier nun das Zitat, welches den Titel dieses Beitrages spendete:

«Man versteht unsere Rechnung nicht, weil nicht der Franken unser Masstab ist, sondern der Mensch. Die Leidenschaft zu dienen, findet reichlicheren Lohn als die Sucht zu verdienen...» (Aus der Festschrift der Migros zu ihrem dreissigjährigen Bestehen, 1955)

(Disclosure: Meine Lebenspartnerin ist Mitarbeiterin der Migros)

(Bild: © GDI)

Gesucht: Schweizer Filmschaffen im Netz

Es ist Locarno-Zeit und das Schweizer Filmschaffen ist wieder einmal ein wenig öffentliches Thema. Wobei, nicht das eigentliche Schaffen, mal abgesehen von Brons Blocher-Experience, sondern vielmehr die Frage nach den Fördermitteln, wie jedes Jahr.

Heuer geht es um Zentralisierung vs. Diversität, aber auch darum, welche Bereiche im komplexen Prozess der Filmproduktion bzw. -vermittlung, wieviel Geld erhalten. So bekundet das BAK, dass man die Drehbuchschreibenden besser fördern will und die hiessigen Film-Festivals haben via Bundesamt für Statistik kommunizieren lassen, dass sie für das Filmschaffen eine wichtige Rolle einnehmen und darum Förderungwürdig bleiben.

Bei allem Verständnis dafür, dass das Geldproblem eine wichtiger Dauerbrenner der Branche ist, müssen wir trotzdem feststellen, dass die allerwichtigste Frage, die nämlich, wie man erreicht, dass der Schweizer Film auch gesehen wird, selten bis nie ein Thema ist.

Der schlimme Gedanke, der sich mir einschleicht ist, dass es  für die Finanzierung der meisten Schweizer Filme völlig egal ist, ob dieser Film ausserhalb der eigenen Szene wahrgenommen bzw. gesehen wird oder nicht, und sich darum auch niemand wirklich darum kümmert. 

Es macht den Anschein, dass kein wirkliches Interesse daran besteht, dass alle diese Filme, die nun über die Jahrzehnte weitgehend durch private und staatliche Fördermittel finanziert wurden, auch gesehen werden. (Neues Buch zum Thema Filmförderung in der Schweiz: Der Schweizer Film von Olivier Möschler)

Dem Mantra, dass es für die kulturelle Identität der Schweiz wichtig sei, ein eigenes Schweizer Filmschaffen aufrecht zu erhalten und wir dieses deswegen auch fördern sollen, steht die Realität entgegen, dass mehr oder weniger das komplette Schweizer Filmwerk in Datenbanken und Lagerhallen eingeschlossen und nicht online zugänglich ist. Es gibt wohl hundertausende von YouTube-Videos, die von mehr Zuschauern gesehen wurden, als die meisten Schweizer Filme.

Wer im Netz nach Schweizer Filmen sucht, stösst irgenwann man auf die Website von Swissfilms, deren Auftrag nach eigenen Angaben lautet:

Kernaufgaben der Stiftung sind Verbreitung, kulturelle Vermittlung und Vernetzung des Schweizer Filmschaffens.

Dort gibt zwar eine Datenbank mit mehr als 4000 Filmen. Doch online sehen oder kaufen kann man diese Filme nirgends. 

Dann gibt es den Filmlink, die Schweizer Filmszene in Internet, doch auch hier dieselbe Tristesse, keine Schweizer Filme, die man Online sehen oder als Download kaufen könnte.

Versuchen wir es mit den älteren Produktionen. Diese werden von der Cinemathèque Suisse, dem Schweizer Filmarchiv aufbewahrt, und vom Verein MemoriAV erschlossen und konserviert. Nun, wir ahnen es: Keine Möglichkeit unsere kulturelle Filmgeschichte zu rezipieren. Dafür gibt es mit Memobase eine Datenbank mit Metadaten zu mehr 300'000 Audiovisuellen Dokumenten. Auch das ist bestimmt eine lobenswerte Einrichtung für Spezialisten, aber von Metadaten haben wir nicht gegessen. Wunderbar passend zur Situation ist der Hinweis, dass wir im Bundesarchiv selber VHS Kopien machen dürfen, wenn wir einen Beitrag der Schweizer Filmwochenschau sehen wollen. Im Jahre 2013 dürfen wir also Technologien aus den 1980er Jahren nützen. Ich frage mich, ob da jemand aus versehen all die Jahre im Archivkeller eingeschlossen war?

Zu guter letzt besuchen wir noch die Website Artfilm.ch, welche sich auf Autorenfilme aus der Schweiz und dem Ausland spezialisiert hat. Artfilm.ch bietet immerhin ein Streaming- und ein VOD-Miet-Angebot für ungefähr 150 Schweizer Filme an. Das ist schon mal ein lobenswerter Anfang. Aber im Netz auf eine Plattform und auf DRM-Technologien zu setzen, ist selten von grossem Erfolg gekrönt.

Wem wirklich etwas daran liegt, dass das Schweizer Filmschaffen auch gesehen wird, sorgt dafür, dass diese Filme im Netz verbreitung finden. Die neuen Kanäle heissen YouTube und Vimeo und nicht DVD und VHS. DRM ist völlig unnötig und verhindert blos, dass die Filme einfach verkauft und gekauft werden können. Der NZZ Videoshop ist ein gutes Beispiel für eine Lösung, die ohne DRM funktioniert.

Es ist doch ein Witz, dass in einer Zeit in welcher soviele Videominuten konsumiert werden, wie noch nie, ausgerechnet die Filme, die mit dem Anspruch gefördert werden, einen wichtigen Beitrag zur Schweizer Kultur zu leisen, nicht gesehen werden können.

Damit wir uns nicht falsch verstehen. Es braucht weder neue Fördermittel, noch müssen die bestehenden umgelagert werden, um diesen traurigen Umstand zu ändern. Es braucht nur den Willen der Beteiligten, ihre Sonntagsreden über die Wichtigkeit des Schweizer Filmschaffens in Taten zu verwandeln.

(Bild: © Vladislav Kochelaevs - Fotolia.com)

Die Wissenschaft kann keine politischen Fragen beantworten

In der Zeit konnten wir kürzlich einen aufschlussreichen Beitrag mit dem Titel "Gekaufte Wissenschaft" lesen. Er zeigt anhand einiger Beispiele, wie die Wirtschaft Studien bestellt und ihren Einfluss auf Forschung und Lehre an den Hochschulen zunehmend professionalisiert (via @zurichlive).

Es ist zwar durchaus zu kritisieren, dass vor allem die Transparenz in solchen Fällen oft zu wünschen übrig lässt, und darum auch wichtig, dass immer wieder auf solche Fehlentwicklungen aufmerksam gemacht wird, aber die wirklichen Probleme in diesem Zusammenhang liegen eigentlich bei unserem Verständnis von Wissenschaft & Politik.

Erstens machen wir oft den Denkfehler, das Ettiket "wissenschaftlich" mit "wahr" zu verwechseln, und zweitens glauben wir, was noch viel gravierender ist, dass sich politische Fragen durch die Wissenschaft beantworten lassen. 

Zum ersten Punkt: Wissenschaftlich zu arbeiten bedeutet zwar, der Wahrheit verpflichtet zu sein. Doch liegt das Problem darin, dass wir als Menschen die "Wahrheit" nie vollkommen erkennen können. Unsere Körperlichkeit bietet uns ein beschränktes Set an Instrumenten. Diese Beschränkung verunmöglicht es uns, die "Wahrheit" über die Welt um und in uns jemals ganz zu erfassen. Wir können, um es mit Popper zu sagen, nur vermuten, und wir können uns darüber unterhalten, welche Vermutung wir als die derzeit beste Erklärung ansehen. Weiterhin können wir permanent anstreben, unsere Vermutungen noch besser der Wahrheit anzunähern.

Die Entscheidung aber, welche Erklärung wir derzeit als die beste betrachten, und damit sind wir bereits beim zweiten Punkt, kann uns niemand abnehmen. 

Wenn der Autor schreibt, dass uns die Wissenschaft Antworten auf die Fragen, wie wir die Gesellschaft organisieren sollen, liefern kann, ist das ein Trugschluss. Die Wissenschaft kann uns höchstens helfen, diese Antworten zu finden, aber entscheiden müssen wir selbst. Darum sind wissenschaftliche Studien oder wissenschafltiche Aussagen von Fachexperten nie als Handlungsdirektiven zu interpretieren, sondern immer nur als Argumente, die der eigenen Entscheidungsfinung dienen können.

Es ist darum gar nicht nötig, dass die Wissenschaftler «unparteiisch» sind, wie das im Artikel gefordert sind. Eine Forderung die von niemandem eingehalten werden kann. Auch Wisschenschaftler haben einen Standpunkt und dieser sollte immer mitberücksichtigt werden. Kommt dazu, dass Wissenschaft nicht im "luftleeren" objektiven Raum stattfindet, sondern im Kontext des jeweiligen Zeitgeistes und der gerade gültigen wissenschaftlichen Paradigmen. Wissenschaftlichkeit einer Aussage oder einer Arbeit zeichnet sich m.E. dadurch aus, dass möglichst grosse Transparenz darüber herrscht unter welchen Bedingungen eine Arbeit entstanden ist und welche Daten und Fakten die Aussagen unterstützen.

Wie wir dann in einer politischen Frage entscheiden, kann nicht an die Wissenschaft delegiert werden. Wir müssen uns selbst fragen, was wir für richtig halten.

Wollen wir die Ehe für homosexuelle Paare zulassen? Wollen den Konsum von Canabis legalisieren? Wollen wir ein Nachrichtendienstgesetz in der Schweiz einführen? Wollen wir eine Zensurinfrastruktur um Hollywood Filme zu schützen? usw. Für solche Fragen kann die Wissenschaft uns zwar das eine oder andere Argument liefern, aber wie wir sie beantworten sollen, kann weder durch einen Algorithmus errechnet, noch aus den Daten gelesen werden.

Hier gilt es im Rahmen von möglichst deliberativen demokratischen Prozessen herauszuarbeiten, wie wir als Einzelne in der Gesellschaft zu diesen Fragen stehen und warum. Wir müssen herausfinden aufgrund welcher Argumente, Vorurteile und auch Gefühle wir so oder anders denken und wir müssen diese Erkenntnis artikulieren und mit unseren Mitmenschen austauschen um dann immer wieder von neuem vorläufige Entscheidungen zu treffen. Wir, die Bürgerinnen und Bürger, nicht die Wissenschaft.

(Bild: © creative soul - Fotolia.com)

Eine undurchsichtige Geheimdienstgeschichte

Im Tages-Anzeiger Online ist seiit heute morgen eine undurchsichtige Geheimdienstgeschichte zu lesen. Ein Flüchtling aus dem Irak sei vom früheren Inlandgeheimdienst, dem Dienst für Analyse und Prävention (DAP), erfolglos angeworben worden, kurz darauf wurde ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet. Vieles bleibt auch nach mehrmaligem Lesen des Beitrages im Dunkeln. So ist von einem Gespräch mit der Geschäftsprüfungsdelegation die Rede, aber wir haben keine Anhaltspunkte darüber, in welchem Zusammenhang diese Gespräche stattgefunden haben. Weiterhin wird erzählt, dass dem Betroffenen durch die Bundesanwaltschaft bis vor ein paar Monaten verboten war, mit Medienvertretern über seinen Fall zu sprechen. Und zu guter Letzt ist da noch von einer Tonbandaufnahme eines Gespräches zwischen den DAB-Agenten und dem Betroffenen die Rede, welches im Zug stattgefunden habe, und dem Tages-Anzeiger zugespielt worden sei. 

Alles in allem, eine ziemlich verworrene Geschichte, die mehr Fragen offen lässt, als sie beantwortet. Ich hoffe aber, dass da in den nächsten Tagen noch mehr kommen wird. Alleine schon das Verbot, mit niemanden über seinen Fall reden zu dürfen, ist ziemlcih fragwürdig und es wäre schon wichtig zu wissen, ob das wirklich der Wahrheit entspricht. Auf jeden Fall zeigt auch diese Story, wie problematisch Geheimdienste sind.