Das Ende der Schweiz?
/Newsweek proklamiert the "End of Switzerland" im Title Tag der HTML Seite gehen sie noch weiter, dort steht sogar "The Death of Switzerland". Unser bloggender Auswanderer und Ex-Nationalrat Ruedi Baumann findet es ganz Schlimm, was da steht und schuld ist natürlich wieder einmal der Herr Blocher.
Eigentlich sollte man diesen Artikel einfach links liegen lassen, wo er übrigens her kommt, der Autor Denis MacShane ist ein gewerkschaftlich orientierter Labour Parlamentarier. Aber lassen wir uns doch darauf ein und schauen, was wir lernen können. Es gibt ja immer was zu verbessern nicht wahr?
Wer den Artikel schon mal lesen möchte, der finde in hier und ganz interessant und aufschlussreich ist auch das Interview im englischsprachigen World Radio Switzerland.
Im wesentlichen ist Herr MacShane der Meinung, dass wir der EU Beitreten sollen, und dass die Minarett-Abstimmung rückgängig gemacht werden soll. Warum er dazu kommt, sich über diese zwei, die Schweizerische Innenpolitik betreffenden Themen derart in der Newsweek zu elaborieren, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Im Radiointerview sagt er ja selbst, dass es ihm eigentlich nicht anstehe unsere Probleme zu lösen.
Tja, und bei der Aufzählung der Probleme, die wir zu lösen haben, wird es dann doch ziemlich schwierig:
Er schreibt, dass wir die letzte Weltwirschaftskrise locker überstanden haben, dass sich unsere Staatsveschuldung in Grenzen hält, dass wir die tiefste Arbeitslosenrate in Europa haben, dass wir eine produktive und innovative Wirtschaft im Greentech-Sektor hätten (haben wir das?), dass wir über ein lebhaftes Medienwesen verfügen und dass unser Staat nicht korrupt sei.
Liest sich das, wie die Beschreibung eines Staates der am Ende ist?
Am Anfang des Artikels holt er auch noch in der jüngeren Geschichte aus und lobt unser Land als ehemaligen Hort der Freiheit und sicheren Hafen um dann mit seinen Beobachtungen zu zeigen, dass wir es nicht mehr bringen:
Heute seien die Schweizer Städte dreckig, schlampig, schmuddelig ("grubby"), unsere Züge seien verspätet, unsere Strassen immer voller Baustellen und unsere Politiker erschienen oft provinziell. Der frühere Hafen der Sicherheit sei hässlich geworden, weil fremdenfeindliche Populisten für die Abschottung der Grenzen politische Kampagnen geführt hätten. Mehr und mehr sei die Schweiz eine sich abstrampelnde Nation, wie jede andere in Europa. Während sich Europa über ihre Rolle in der Welt Gedanken mache, werde die Schweiz auf dem internationalen Parket immer bedeutungsloser. Der Sonderfall sei vorbei, sagt er noch dazu im Radiointerview.
Dann folgen weitere Ausführungen zu Bankgeheimnis, Minarret-Initiative, Fremdenfeindlichkeit, das übliche, modische Schweiz-Bashing halt um dann zu erkläreren, dass der Grund für alle diese Probleme struktureller Natur sei. Unser politisches System der direkten Demokratie und des Föderalismus führe dazu, dass die Politik keine "harten" Entscheidungen durchsetzen können.
Wie gesagt, wir sind ja interessiert zu lernen und ich bin auch der Meinung, dass unsere Städte noch sauberer und unsere Züge noch pünktlicher sein könnten. Wir sollten sogar unsere Staatsverschuldung reduzieren und uns nicht damit zufrieden geben, dass sie nicht so schnell wächst wie in den EU Staaten, sowie unsere Arbeitslosigkeit noch weiter nach unten bringen und viele andere Dinge gibt es noch zu tun.
Doch so wie es aussieht, machen wir es alles in allem immer noch einiges besser als die meisten anderen in Europa. Und das was Herr MacShane als strukturelles Problem der Schweiz sieht, sehe ich gerade als Grund für unsere besseren Kennzahlen.
Es ist richtig, wir tun uns schwer mit solch weitreichenden Entscheiden, wie einem Beitritt zur Europäischen Union. Vieles dauert bei uns länger als anderswo. Dafür sind die Entscheide, die dann gefällt werden in der Bevölkerung verankert.
Die direkte Demokratie im föderalistischen Staatsgebilde mag die politischen Prozesse verkomplizieren aber sie hält dafür die Politik im Zaum. Sie ist genau das, was den anderen Europäischen Staaten und insbesondere der EU fehlt.
Dass es die Schweiz, so wie sie einmal war, nicht mehr gibt, wie Herr MacShane im Radiointerview seine Aussage zu reduzieren versucht, ist natürlich eine Binsenwahrheit.
Klar sind wir nicht mehr das schmucke kleine Ländchen aus den frühen Nachkriegsjahren, welches Schokolade, Käse und Uhren herstellt, bevölkert vor allem von Bergbauern und Kühen. Das waren wir wahrscheinlich auch nur in Klischeevorstellungen.
Die Schweiz ist ein modernes, vielfältiges und stark in die internationale Staatengemeinschaft integriertes Land, dass sich allerdings bei der Analyse der Rahmenbedingungen und bei der Entwicklung der Veränderungen den Luxus der Langsamkeit durch direkte Demokratie & Föderalismus leistet.
Wir müssen nicht gleich beleidigt sein, wenn jemand die eine oder andere Herausforderung der wir uns zu stellen haben zur Sprache bringt, und wir sollten auch nicht beschämt den Kopf einziehen und mit schlechtem Gewissen stumm bleiben.
Wir spielen zwar keine weltpolitische Bedeutung, das war aber schon immer so, die Schweiz ist auch viel zu klein dafür. Wir haben aber guten Grund aufrechten Ganges unsere Leistungen in den Vordergrund zu stellen. Und dies stünde übrigens auch den EU Beitrittsbefürwortern an, denn einen EU Beitritt aus einer schwachen Position heraus, sollten wir nicht wirklich anstreben wollen.
Das Ende der Schweiz ist noch lange nicht erreicht. Im Gegenteil, unsere Spezialität, der Sonderfall im Bezug auf die Bürgersouveränität hat Modellcharakter für die Zukunft von Europa.